Diskussion:Völkerwanderung

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Letzter Kommentar: vor 5 Monaten von Benowar in Abschnitt Ausmaß der angelsächsischen Wanderung
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Wer oder was wanderte?[Quelltext bearbeiten]

Das ist keine Hausaufgabe, ich versuche nur meine Fragen zu klären, schaffe es aber anhand des Artikeltextes nicht:

Wer oder was wanderte? (Nur die Krieger? Nur ein Teil der Krieger? Männer und Frauen und Kinder? Hab und Gut?)

Das würde auch beleuchten, warum gewandert wurde und welche Erwartungshaltung die Migranten mitbrachten. Z.B. im Unterschied zu den Wikinger-Raubzügen. Wer sein Hab und Gut mitnimmt, so es transportabel ist, musste seine alte Heimat endgültig verlassen, ohne Hoffnung auf Wiederkehr. Wer nur Frauen und Kinder mitnimmt, hatte für die Mitnahme von Hab und Gut entweder keine Zeit oder keine Möglichkeit (z.B. Zugtiere).

Das ist eine wichtige Frage, zumal der Begriff "Migration" bereits in der Einleitung steht. Auch in der Feuerzangenbowle scheint es, als wenn die gesamten Völker wanderten und das Stammgebiet leer war oder von anderen besetzt wurde. Aber dem ist nicht so‽ (nicht signierter Beitrag von Wikiseidank (Diskussion | Beiträge) 21:44, 8. Apr. 2023 (CEST))Beantworten

Rücksetzung durch Benutzer:Benowar[Quelltext bearbeiten]

Liebe/r Benowar,

danke dass Du Dir bei Deiner ersten Bearbeitung meine Formulierungen einzeln korrigiert hattest. Bei der zweiten hast Du dann allerdings alles komplett zurückgesetzt ...

Zunächst einmal zum Hauptthema. Der einleitende Satz

In der historischen Forschung wird als sogenannte Völkerwanderung im engeren Sinne die Migration vor allem germanischer Gruppen ... bezeichnet.

scheint den Aussagen in den folgenden Abschnitten zu widersprechen:

Nach heute vorherrschender Einschätzung der meisten Historiker und Archäologen ist die Theorie von „wandernden Völkern“ allerdings wissenschaftlich nicht haltbar.

Deine Aussage "es handelt sich um Migrationen, erst SPÄTER entstanden neue Herrschaftsgebieten" ist natürlich sehr interessant und es wäre schön, wenn Du dies im Artikel genauer erläuterst.

Die aktuell in der Einleitung des Artikels formulierte Mutmaßung, dass es "vielmehr Kriegerverbände auf der Suche nach Beute und Versorgung (annona) waren", welche die Machtverhältnisse in Europa so grundlegend veränderten, dass die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts diesem Prozess dann den theatralisch pompösen Begriff "Völkerwanderung" verpasste, scheint dem allerdings zu widersprechen.

Der Begriff "Völkerwanderung" wird im Artikel momentan ja ausführlich kritisiert und hinterfragt. Doch beschäftigt sich die Kritik überwiegend mit dem Begriffsbestandteil "Völker" und stellt klar, dass aufgrund der vielfältigen Durchmischung von so etwas wie definierbaren Völkern "keine Rede sein kann".

Ich würde mir wünschen, dass darüberhinaus auch hinterfragt würde, ob es sich bei den "Wanderungen" um "Umsiedelungen" ganzer Gruppen handelte oder eher nur um besagte "Kriegerverbände", die zwar die Herrschaftsschicht der von ihnen eroberten Gebiete ersetzte, sich aber ansonsten mit der vorhandenen Bevölkerung vermischte statt diese zu verdrängen (oder sich in unbewohnten Gebieten neu anzusiedeln?). Siehe hierzu auch die obige Frage von "Wikiseidank".

Für letztere Annahme würden folgende Ausführungen im Artikel sprechen:

Zahlenmäßig waren die zugewanderten germanischen Krieger den Römern weit unterlegen. Auch wenn meistens nur Schätzungen möglich sind, da die antiken und mittelalterlichen Autoren oft zu Übertreibungen neigten, waren wohl 20.000 bis 30.000 Krieger das Limit ...; hinzu kam oft noch ein Tross, der aus den Frauen und Kindern der Soldaten bestand. Oft waren die Verbände wesentlich kleiner.[31] Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Kriegergruppen seien als Eroberer in das Römische Reich eingedrungen. Die germanischen Verbände bildeten vielmehr eine verschwindend geringe Minderheit gegenüber der römischen Provinzbevölkerung; sie füllten die Leerstelle, die das Verschwinden der weströmischen Armee hinterlassen hatte. Sie gingen in der Regel zu einer (wenigstens bedingten) Kooperationspolitik mit den zivilen Eliten über, da es ihr Ziel war, das überlegene spätrömische Staats- und Steuerwesen zu nutzen. Die wesentlichen Verwaltungsposten wurden deshalb auch unter germanischer Herrschaft von Römern bekleidet. 

Wie große der "Tross" der Frauen und Kinder üblicherweise gewesen sein mag, wäre natürlich schon interessant. Irgendwo fand ich die Angabe, dass meist nur jeder vierte bis fünfte Erwachsene der betrachteten Gruppen an bewaffneten Auseinandersetzungen teilnahm.

Ich schätze, die entscheidende Frage ist letztlich diese: Flohen die germanischen "Stämme" als geschlossene Siedlungsgemeinschaften oder waren es eher nur mobile Kriegerverbände (die aufgrund von Konflikten unter den benachbarten Volksstämmen ohnehin bereits existierten), die vor den eindringenden Verbänden der Hunnen auswichen und dann lediglich die herrschende Schicht in den neu eroberten Gebieten ersetzten, wie es in der oben zitierten Passage dargestellt wird. Oder noch kürzer: Reden wir hier von der "Besiedlung" fremder Gebiete oder lediglich von der Übernahme der Herrschaft durch die erwähnte "verschwindend geringe Minderheit gegenüber der Provinzbevölkerung"?

Nebenbei: Der in der oben zitierten Passage enthaltene Satz "Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Kriegergruppen seien als Eroberer in das Römische Reich eingedrungen." scheint etwas mißverständlich. Möglicherweise war gemeint, dass sie nicht ursprünglich in der Absicht gekommen waren, ihren Herrschaftsbereich auszudehnen, sondern vielmehr weil sie von den Hunnen verdrängt wurden? Vielleicht könntest Du das ein wenig präzisieren.

Wenn ich ansonsten hier jede große und kleine Unstimmigkeit im Artikel ansprechen wollte, die mir aufgefallen waren und die ich teilweise versucht hatte, auszubessern, so würden meine Ausführungen hier vielleicht die Länge des Artikels erreichen. Es wäre darum vielleicht effizienter, wenn wir die vielen Kleinigkeiten einmal telefonisch durchgehen würden. Magst Du mich mal anrufen? -> tel. 0176 23247178

Als Appetithappen hier nur mal zwei Beispiele:

Seit 382 wurden immer öfter vertragliche Regelungen (foedera) zwischen der römischen Reichsregierung und Gruppen wie den Westgoten getroffen, die eine Ansiedlung dieser Krieger auf römischem Territorium zur Folge hatten. In den internen Konflikten, die Westrom seit 395 plagten, wurden solche Kampfverbände immer öfter eingesetzt.  

Das gleiche Problem wie oben. "Gruppen wie den Westgoten" klingt ja eigentlich nach "Stammesverband" oder "Siedlungsgemeinschaft". Danach ist aber von "diesen Kriegern" und "solchen Kampfverbänden" die Rede, als wenn "Westgoten" lediglich die Bezeichnung einer Kriegergruppe wäre. Solche (sprachlichen oder inhaltlichen?) Diskrepanzen hatte ich versucht, etwas zu glätten. Natürlich kannst Du das viel besser als ich. Nach deiner Rücksetzung sind diese verwirrenden Passagen nun aber im Text wieder vorhanden und es wäre toll, wenn Du Dir das einmal anschauen könntest.

"Mehr die wandernden Kriegergruppen im geographischen Raum im Blick hat etwa Halsall (2007)." 

Darauf bezogst Du Dich wohl mit Deinem Kommentar "Aussagen bei Halsall war nun auch ungenauer". Aber das ist eigentlich kein grammatikalischer verständlicher Satz, oder?

beste Grüße, Kai Kemmann (Diskussion) - Verbessern statt löschen - 14:25, 20. Jul. 2023 (CEST)Beantworten

Moin, zunächst danke, dass du die Rücksetzung nicht "persönlich" nimmst - ist hier nicht immer so der Fall und so sollte man es auch nicht auffassen. Zur Sache: ich bin nicht nur der Hauptautor des Artikels, sondern betreue ihn auch (neben Spätantike und Frühmittelalter). In diesem Sinne habe ich nicht nur die hier verarbeitete Literatur gelesen und eingearbeitet (soweit das im Rahmen möglich ist), sondern pflege auch aktuelle Lit ein. Diese Erklärung soll nur dazu dienen, dass ich den Forschungsstand relativ gut kenne. Nun zu deinen Änderungen - sorry, wenn ich das hier etwas kürzer fasse.
Folgender Punkt erscheint mir hier am problematischsten: du hast "Migrationen" weitgehend durch "Verlagerung" der Herrschaftsbereiche o.ä. ersetzt. Das ist so nicht korrekt. Zunächst ist der Begriff "Migration" in der Forschung völlig unproblematisch - ganz im Gegensatz zu "Völker", die "wanderten". Das wird im Artikel eigentlich ganz ordentlich abgedeckt. Der Kern des Problems sind eben "Völker" - das waren diese Gruppen (legt man den modernen Begriff zugrunde) eben nicht, sondern heterogen zusammengesetzte Gruppen, die sehr locker aufgebaut waren. Sie zogen auch nicht aus einem festen Bereich ab und siedelten sich woanders an. Die Zusammensetzung war fließend - das wird auch aus Aussagen in den Quellen klar, wonach sich immer wieder Gruppen bildeten und wieder auflösten (etwa bei Radagaisus).
Kurz: nicht der Begriff "Migration" ist das Problem, sondern die noch heute oft vorhandene populäre Vorstellung, es habe sich um (feste) "Völker" gehandelt, die aus der "Urheimat" loszogen und sich woanders einfach neu ansiedelten. Es waren, wie du schon richtig erkannt hast, fluide Gruppen. Vieles bleibt aber auch unklar, weil die griechisch-römischen Quellen das ganze unter "Barbaren" subsumierten und oft Begriffe benutzten, die eine Einheitlichkeit suggerieren, die sehr fraglich ist. Nur als Beispiel: selbst bei den Hunnen lebten in Attilas Herrschaftsraum Gruppen, die sich gut arrangiert haben. Dazu gehören ehemalige Bürger des Imperiums, aber auch Goten, so dass Gotisch am Hunnenhof recht gebräuchlich war und manche Personen mal als Gote, dann als Skiren usw. bezeichnet wird. Dazu ist Fragment 8 von Priskos eine wichtige Quelle, der das "inside" erlebte und beschrieb.
Mehrere dieser Gruppen hatten zuvor auch keine festen Herrschaftsräume und verlagerten diese auch nicht einfach in den Bereich des auflösenden Westreichs. Die Terwingen etwa waren lange umherziehend, erste der Vertrag von 416/18 sicherte ihnen einen Platz im Imperium, den sie nach 466 für sich als Ausgangsbasis zur Reichsbildung nutzten. Die Beispiele ließen sich fortführen. Punkt ist: in allen Fällen der germanisch-romanischen Reichsbildungen waren es erst migrierende Verbände, die entweder kriegerisch Herrschaften errichteten (wie die Angeln und Sachsen), meistens aber in Vertragsform am Reichtum des Imperiums teilhaben wollten und erst in der Auflösungsphase ganz auf eigene Rechnung agierten (Terwingen/Westgoten, Franken, Burgunder), selbst die Vandalen, die mit Gewalt Africa eroberten, legten Wert auf den späteren foedus, der ihre Herrschaft offiziell anerkannte. Es geht also nicht immer nur um militärische Eroberung, sondern es war oft die Absicherung der Existenz im Rahmen römischer Strukturen wuchtig, die Auflösung des Westreichs (nicht unerheblich durch interne Konflikte, aber auch äußeren Druck wie den Hunnen geschuldet), wirkte dann als Beschleuniger, sich ganz zu lösen. Ist aber auch eine komplexe Forschungsfrage, ich vereinfache das hier etwas.
Bei anderen Überlegungen hinsichtlich der Formulierungen hast du, wie du es hier ausführst, m. E. doch einen Punkt getroffen, ich verändere es gleich teilweise. Bei anderen Punkten bitte ich um Verständnis. Die Formulierungen hier von "Westgoten", dann "Kriegerverbänden" etc. sollte man auch nicht zu sehr mit der Lupe betrachten - es waren Verbände, die locker aufgebaut waren und neben Kriegern eben auch Anhang umfassten, das wird aber m. E. deutlich genug, wenn man den Artikel liest. Da werde ich also nicht aktiv. Danke und Grüße --Benowar (Diskussion) 15:11, 20. Jul. 2023 (CEST)Beantworten
Ich habe nun versucht, die Punkte in der Einleitung etwas deutlicher zu machen (Migration ja, aber keine festen Völker; Existenzabsicherung auf verschiedene Art, nicht aber primär das Ziel Eroberung; Herrschaftsübernahme statt Herrschaftsverlagerung). M. E. werden die anderen Punkte im Artikel ausreichend ausgeführt, bei Zeiten überlege ich es mir aber noch. Vorerst sollte es aber ausreichen, der Haupttext geht ja mehr in die Tiefe. ciao --Benowar (Diskussion) 15:52, 20. Jul. 2023 (CEST) ps: sorry für tippos, ich bin gerade unterwegs und nutze das IPad, ist nicht optimal....Beantworten
Danke soweit.
Mit der Kritik am Begriff "Volk" und "Völker" stimme ich ja völlig überein. Darüber würde ich gar nicht diskutieren wollen.
Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen wollen, dass das Wort "Völker" im speziellen Zusammenhang mit Begriffen wie "Wanderung" oder "Migration" eben zusätzlich noch aus eine zweiten Grund problematisch ist: Indem es nämlich die "Migration" als einen wesentlich größeren und umfassenderen Vorgang erscheinen läßt, als es vielleicht der Fall war, nämlich als eine Art Wanderungsbewegung ganzer Sippen, während es sich eben auch lediglich um Züge von Kriegergruppen gehandelt haben könnte, die sich je nach Opportunität niederließen und später eventuell auch wieder weiterzogen.
Es würde ja wahrscheinlich niemanden überraschen, wenn etwa die Vandalen und Visigothen auf ihren viele tausend Kilometer langen Zügen, die sie offenbar über viele Jahre quer durch Europa führten, nicht von einem allzu großen "Troß" ihrer Familien bzw. Sippschaften begleitet wurden.
Hier noch mal einige Denkanstöße.
Zitat aus dem englischen Artikel en:Migration period aka en:Barbarian Invasions:
The migrants comprised war bands or tribes of 10,000 to 20,000 people.[1] However, in the course of 100 years they numbered not more than 750,000 in total, compared to an average 40 million population of the Roman Empire at that time. Although immigration was common throughout the time of the Roman Empire,[2] the period in question was, in the 19th century, often defined as running from about the 5th to 8th centuries.[3]
750.000 "Migranten" in 100 Jahren, also durchschnittlich 7500 pro Jahr oder, im Verhältnis zu den genannten 40 Millionen insgesamt, entsprechend ein "Migrant" pro 5.000 "Sesshafter". Dies könnte auch darauf hinweisen, dass es sich eher um die Züge einer Art "Krieger-Kaste" handelte, als um umfangreichere Wanderungsbewegungen ganzer Gesellschaften mitsamt ihren Handwerkern, Händlern und Bauern.
Zitat aus "Hubert Fehr, Philipp von Rummel: Die Völkerwanderung, S. 8-9, Theiss WissenKompakt:
Zweifellos gehört die Völkerwanderung zu den großen Mythen der europäischen Geschichte. Die Wurzeln dieses Mythos reichen zurück bis zur Renaissance. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert galt sie im europäischen Geschichtsbewusstsein als grundlegender Einschnitt - in den letzten Jahren mehren sich jedoch Stimmen, die das grundsätzlich in Frage stellen.
Von Anfang an besaß der Begriff "Völkerwanderung" eine Doppelbedeutung: Einerseits bezeichnete man damit ein bestimmtes historisches Ereignis, nämlich die Niederlassung auswärtiger Kriegergruppen auf dem Boden des sich auflösenden römischen Imperiums, andererseits meinte man damit die Epoche, die das Ende der Antike und den Beginn des Mittelalters markiert. Lange Zeit empfand die Forschung diesen Doppelcharakter nicht als problematisch, denn man nahm an, dass zwischen beiden Bedeutungsebenen - Ereignis und Epoche - ein unmittelbarer Zusammenhang besteht: Die Ansiedlung der Kriegerverbände von jenseits der Reichsgrenzen und ihre Staatsgründungen auf dem Gebiet des westlichen Imperiums galten als wichtigste Ursache für das Ende des Römischen Reiches und damit den Zusammenbruch der antiken Zivilisation. 
Wandernde Völker?
Aus heutiger Sicht sind beide Bedeutungsebenen fragwürdig geworden. Dass im betreffenden Zeitraum tatsächlich ganze "Völker" "wanderten", erscheint der aktuellen Forschung eher zweifelhaft. Bei manchen Gruppen, die in den Quellen genannt werden, handelte es sich wohl eher um Militärverbände, die zeitweilig der Kontrolle der römischen Zentralregierung entglitten waren, und nicht um ganze Volksgruppen, in denen Männer und Frauen, Alte, Erwachsene und Kinder gemeinsam auf der Suche nach einer neuen Heimat umherzogen.
Eine Hauptschwierigkeit bei der Erforschung der Völkerwanderungszeit ist, dass wir nur zu einem Teil der Wanderungsereignisse verlässliche zeitgenössische Schriftquellen besitzen. Auch die Archäologie hilft hier nur begrenzt weiter, da die archäologischen Funde weniger kurzfristige politische Ereignisse widerspiegeln als vielmehr langfristig wirksame wirtschaftliche Entwicklungen und kulturelle Orientierungen.
Mitunter entdeckt man selbst in Regionen, in denen historisch gut bezeugte Ansiedlungsvorgänge stattfanden, trotz angestrengter Suche keine Funde, die mit den Neuankömmlingen unmittelbar in Verbindung gebracht werden könnten. Dies gilt zum Beispiel für die gotischen Gruppen, die 418 im heutigen Südwestfrankreich angesiedelt wurden, oder die Burgunden, die bis 443 am Mittelrhein ansässig waren.
Nicht wenige vermeintlich gesicherte Völkerverschiebungen kennen wir nur aus wesentlich jüngeren mythischen Erzählungen, etwa die Wanderung der Goten vom heutigen Nordpolen an die nördliche Schwarzrneerküste oder die Übersiedlung der Angeln, Sachsen und Jüten von Norddeutschland und Dänemark nach Britannien. Inwieweit sich in diesen Mythen jeweils ein wahrer Kern verbirgt, ist in der Forschung gegenwärtig heiß umstritten. 
Auch wenn der Begriff "Migration" nicht ganz falsch ist, so löst er doch Assoziationen aus, die in die Irre führen. Ich fände es darum hilfreich, eher Formulierungen zu verwenden, wie die im obigen Text verwendeten: "Niederlassung auswärtiger Kriegergruppen" sowie "Ansiedlung der Kriegerverbände von jenseits der Reichsgrenzen".
Roland Steinacher: Wanderung der Barbaren? Zur Entstehung und Bedeutung des Epochenbegriffs ‚Völkerwanderung‘ bis ins 19. Jahrhundert, S. 72-72
Jüngst hat Henning Börm in einer kurzen Geschichte Westroms von Honorius (regierte ǡǧǣ–ǢǠǡ) bis Justinian (ǣǠǥ–ǣǤǣ) den Zerfall der westlichen Reichshälfte mit jenem des Alexanderreichs in den Diadochenkriegen verglichen. Römische Bürgerkriege und nicht enden wollende Machtkämpfe unter Beteiligung reichsfremder Soldateska haben zur Zergliederung der westlichen Provinzen in Nachfolgereiche geführt, nicht die Wanderung von Völkern war der erste Grund, wie man es lange gesehen hat: Die ,Barbaren‘, die die weströmische Provinzbevölkerung drangsalierten, waren in vielen – nicht allen – Fällen marschierende Heere, die sich auf der Suche nach Nahrung und Beute so rücksichtslos und brutal verhielten, wie es marodierende Soldaten zu allen Zeiten zu tun pflegen.
Die wandernden Gruppen – oder eben häufiger militärische Verbände – bewegten sich aufgrund der schnellen Dynamik im Römischen Reich, die Wanderungen waren die Folge, nicht die Ursache des Zerfalls des westlichen Imperiums in kleinere politische Einheiten.
Auch diese Passage legt nahe, dass "in vielen – nicht allen – Fällen marschierende Heere" bzw. "militärische Verbände" eher als so etwas wie Migrationsbewegungen die kennzeichnenden Merkmale der Umwälzung der Machtverhältnisse in der "Völkerwanderungszeit" waren.
Und jetzt zitiere ich auch noch einmal Dich selber:
Nur als Beispiel: selbst bei den Hunnen lebten in Attilas Herrschaftsraum Gruppen, die sich gut arrangiert haben. Dazu gehören ehemalige Bürger des Imperiums, aber auch Goten, so dass Gotisch am Hunnenhof recht gebräuchlich war und manche Personen mal als Gote, dann als Skiren usw. bezeichnet wird. Dazu ist Fragment 8 von Priskos eine wichtige Quelle, der das "inside" erlebte und beschrieb.
Ich würde diese Feststellungen eher schon als selbstverständlich bezeichnen. Auch die Hunnen haben wohl nicht ein ganzes Volk und vielleicht auch nicht einmal ihre Familien mit durch die Steppen Mittelasiens transportiert, sondern kamen wohl eher in Form von Reiterverbänden, die aufgrund verschiedener Umstände in der Lage waren, die herrschenden Schichten der von ihnen eroberten Gebiete zu ersetzen bzw. zu dominieren und "entlang des Wegs" neue Kämpfer zu rekrutieren, mit deren Hilfe sie ihre Eroberungen fortsetzen konnten.
Und:
Mehrere dieser Gruppen hatten zuvor auch keine festen Herrschaftsräume und verlagerten diese auch nicht einfach in den Bereich des auflösenden Westreichs. Die Terwingen etwa waren lange umherziehend, erste der Vertrag von 416/18 sicherte ihnen einen Platz im Imperium, den sie nach 466 für sich als Ausgangsbasis zur Reichsbildung nutzten. 
Fragt sich, wie man sich dieses "Umherziehen der Terwingen" vorzustellen hat. Tendenziell würde ich auch hier eher von mobilen Kriegergruppen ausgehen, als von "fahrendem Volk". Das von Dir im Artikel verlinkte Konzept der Ethnogenese scheint doch auch die Möglichkeit offenzuhalten, dass sich die von den Römern verwendeten Bezeichnungen möglicherweise auf Kriegergruppen bezog, die dann (gegebenenfalls nur vorübergehend) sesshaft wurden und sich mit der lokalen Bevölkerung zu „politischen Einheiten“ und „Gemeinschaften gleichen Rechtes und sozialen Bewußtseins“ verbanden.
Und schließlich, wir wissen es schon, doch hier ist es noch einmal ganz nett formuliert:
Die ‚Völkerwanderung‘ bleibt auch aktuell das, was sie seit ihrem Aufstieg ins bürgerliche Bildungsgut im 19. Jahrhundert stets gewesen ist: Ein Assoziationsamalgam, eine Projektionsfläche, offen für Interpretationen, Identifikationen und Instrumentalisierungen. Es lohnt, von Zeit zu Zeit daran zu erinnern.
Mischa Meier: Die „Völkerwanderung“ kennt keine Völker, 22. April 2020 
beste Grüße, Kai Kemmann (Diskussion) - Verbessern statt löschen - 01:31, 21. Jul. 2023 (CEST)Beantworten
Moin, ich belasse es wie gesagt erst einmal dabei, behalte es aber im Hinterkopf. Nur kurz zum Abschluss. wir wissen nicht, wie genau die Proportionen von Kriegern / Tross waren. Falsch wäre es aber, hier reine Kriegerverbände ohne Anhang anzunehmen: das wird in den Quellen bei Goten, Franken und ja, auch den Vandalen deutlich. Es waren schon Familien, die mitzogen. Wie viele genau, ob immer oder andere Gruppen hinzu kamen, wissen wir schlicht nicht genau. Die Forschungslit ist da auch nicht immer so sattelfest, wie es man sich wünscht. Dass dort primär die militärische Elite betrachtet wird, liegt vor allem an der Quellenlage. Der Begriff "Migration" ist außerdem in der Forschung durchaus gängig. Wie gesagt, ich schaue mal. ciao --Benowar (Diskussion) 01:46, 21. Jul. 2023 (CEST)Beantworten

Ausmaß der angelsächsischen Wanderung[Quelltext bearbeiten]

Seid gegrüßt allerseits,

In Anbetracht neuerer Erkenntnisse[4] rate ich stark dazu, im Abschnitt über die Angelsachsen in Britannien die Aussage „zumal die Germanen kaum in größerer Zahl nach Britannien übersetzten“ dem aktuellen Stand der Wissenschaft gemäß abzuändern.

Ich bedanke mich im Voraus für die Rücksichtnahme.

Viele Grüße, --Lephilologueserbe (Diskussion) 18:02, 8. Dez. 2023 (CET)Beantworten

Moin, ich schaue es mir in den nächsten Wochen mal an (bin derzeit in der WP woanders gebunden), aber generell sollte man punktuelle Studienergebnisse nicht allzu sehr generalisieren - im Artikel wird ja auf das notwendige, fächerübergreifende Zusammenspiel hingewiesen. Forschungsstand spiegelt sich im relevanten wissen. Diskurs ab, also abwarten, wie dies rezipiert wird. ciao --Benowar (Diskussion) 19:14, 8. Dez. 2023 (CET)Beantworten
  1. Peter Heather: The Visigoths from the Migration Period to the Seventh Century: An Ethnographic Perspective. Boydell & Brewer Ltd, 2003, ISBN 978-1-84383-033-7, S. 54 (google.com).
  2. Giovanni Milani-Santarpia, "Immigration Roman Empire", MariaMilani.com
  3. John Hines, Karen Høilund Nielsen, Frank Siegmund, The Pace of Change: Studies in Early-Medieval Chronology, Oxbow Books, 1999, p. 93, Vorlage:ISBN
  4. Gretzinger et al.: The Anglo-Saxon migration and the formation of the early English gene pool. In: Nature. 21. September 2022, ISSN 1476-4687, S. 1–8, doi:10.1038/s41586-022-05247-2 (nature.com [abgerufen am 8. Dezember 2023]).