Dorfkirche Zehlendorf

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Dorfkirche Zehlendorf

Die heutige evangelische Dorfkirche Zehlendorf liegt im historischen Kern des Berliner Ortsteils Zehlendorf und ist eine der über 50 Dorfkirchen in Berlin. Sie wurde 1768 an der Stelle einer erstmals 1264 erwähnten mittelalterlichen Feldsteinkirche erbaut. Ihr oktogonaler Zentralbau repräsentiert einen sehr seltenen Kirchentyp unter den Dorfkirchen der Mark Brandenburg. Nach der Einweihung der Paulus-Kirche 1905 wurden in der Dorfkirche bis 1953 keine Gottesdienste mehr abgehalten. Die Kirche steht unter Denkmalschutz.

Der mittelalterliche Vorgängerbau

Altar der Dorfkirche Zehlendorf

Um 1230 wurde Zehlendorf als breites Straßendorf gegründet. Wie üblich ist wohl zunächst in der Dorfmitte eine Kirche aus Holz errichtet worden, auf der westlichen Seite der Dorfstraße. Diesem hölzernen Erstbau wird um 1250 eine Dorfkirche aus Stein gefolgt sein. Denn angeblich wurde 1264 urkundlich eine Dorfkirche erwähnt, die einen Klutturm hatte (niederdeutsch klut = ‚Klotz‘). Es dürfte sich um eine um 1250 erbaute vierteilige Apsiskirche aus Feldsteinquadern mit schiffsbreitem Querturm gehandelt haben.[1]

Geschichtliches

Im Mai 1732 begrüßte Friedrich Wilhelm I., König in Preußen, vor der Zehlendorfer Dorfkirche aus Salzburg vertriebene Exulanten mit den Worten MIR NEUE SÖHNE – EUCH EIN MILDES VATERLAND.

Die heutige Kirche

Als das Dorf 1760 im Siebenjährigen Krieg geplündert wurde, blieb die Kirche als Ruine zurück. Friedrich II. widmete sich nach Ende des Krieges dem Wiederaufbau seines Landes. Nach der Überlieferung ist ihm beim Pferdewechsel auf dem Weg zwischen den Residenzen Berlin und Potsdam in Zehlendorf der Anblick der Kirchenruine als Schandfleck erschienen. So ließ er sie 1767 abbrechen und unter seinem Patronat eine neue repräsentative Kirche errichten. Der König stellte neben dem Bauholz auch 6000 Taler zur Verfügung. Die neue Kirche hatte einschließlich der Empore fast 300 Sitzplätze. Im ganzen Dorf lebten um diese Zeit weniger als 300 Menschen.

Der 1768 errichtete Ersatzbau der Dorfkirche Zehlendorf hatte für eine märkische Dorfkirche einen ganz ungewöhnlichen Grundriss: ein Zentralbau in Form eines Oktogons. Warum der König gerade diesen Grundrisstyp wählte, ist nicht bekannt. Die Kirche erschien so ungewöhnlich und klein, dass sich eine Sage darum rankte. Der Baumeister habe Gelder unterschlagen, mit denen er geflüchtet sei, so dass das restliche Geld nur noch für einen kleinen Bau ausreichte. Die Sage ist insoweit gerechtfertigt, dass es tatsächlich zu einer Unterschlagung gekommen war, aber hinsichtlich der Sitzkapazität (300 Sitze) ist die Kirche nicht kleiner als konventionelle Bauten. Der Grundrisstyp des Zentralbaus (hier: Oktogon) war nach Reformation bei Neubauten der häufigere geworden. Im protestantischen Gottesdienst hatte die Predigt (Allein das Wort!) größere Bedeutung gewonnen als die Messe bzw. das Abendmahl. Zur besseren Hörbarkeit der Predigt wurden die Sitzbänke um die mehr in die Mitte gerückte Kanzel angeordnet, was zu einem Zentralbau führte.[2] Auch in Schöneberg hatte der König die kriegszerstörte Dorfkirche erneuern lassen; hier aber wählte er den Grundriss einer klassischen Saalkirche (mit Quadratturm und Sakristei).

Nachdem im Zweiten Weltkrieg der Außenputz der Kirche nahezu ganz abgefallen war, kam in seinem Ziegelmauerwerk ein großer Anteil von Feldsteinen zum Vorschein, die bereits in der Vorgängerkirche verbaut gewesen waren und bei diesem Neubau wieder verwendet wurden. Der Architekt der achteckigen Barockkirche kam vermutlich aus dem königlichen Baubüro in Potsdam. Achteckige Grundrisse wurden zwar bereits im Mittelalter in der Mark Brandenburg einigen Zentralkirchen zugrunde gelegt, in der Regel errichtete man in den Dörfern aber rechteckige Saalkirchen mit drei Fensterachsen.

Angesichts der wachsenden Bevölkerung reichte die Dorfkirche nicht mehr. Die Zehlendorfer Kirchengemeinde baute 1903 bis 1905 die große Pauluskirche in der Kirchstraße. Die Dorfkirche diente fortan nicht mehr als Gottesdienststätte. Die Gemeinde förderte die Dorfkirche, obwohl sie mit der Einweihung der Pauluskirche keine Funktion mehr hatte. Nach einem Umbau 1912 wurde die Dorfkirche bis zur Fertigstellung des Gebäudes am Teltower Damm 1930 als Gemeindehaus der Paulusgemeinde genutzt.

In den späten 1930er Jahren wurde an die Wiederinbetriebnahme der Kirche gedacht, weil sie nach der damaligen nationalsozialistischen Ideologie als Volkskirche betrachtet wurde. Der Gemeindekirchenrat stellte Haushaltsmittel für Sanierungsmaßnahmen bereit. Die Renovierungsarbeiten sollten zusätzlich staatlich gefördert werden und der gesamte Innenraum in barocker Form nachempfunden werden. Es war vorgesehen den barocken Kanzelaltar aus der Dorfkirche Lankwitz zu übernehmen. Anfang 1939 nahmen die Behörden ihre finanziellen Zusagen zurück. Die Dorfkirche blieb während der Kriegsjahre eine angefangene Baustelle. Der nach 1945 sichtbare Verfall war nicht durch Kriegseinwirkungen verursacht. Die ersten Reparaturarbeiten erfolgten 1951. Spendenaktionen und die Hilfe des Senats von Berlin erbrachten einen finanziellen Grundstock für die Rettung der Dorfkirche, die am 1. Advent 1953 durch Bischof Otto Dibelius neu geweiht wurde.

Das Äußere der Kirche ähnelt der Gestaltung von 1768, Glattputzflächen zwischen Lisenen an den Kanten des Achtecks. Bei der Wiederherstellung wurden die Ecklisenen quaderförmig geputzt. Im Jahr 1953 wurden hohe Segmentbogenfenster eingezogen und die Portalanlage mit dem Ochsenauge über der Kirchentür versehen. Auch die in zwei Geschosse geteilten Fassadenachsen mit einem Ochsenauge oben und einem niedrigen Segmentbogenfenster darunter gibt es erst seit der Restaurierung.

Der vorübergehend vorhandene Turm

Bis 1788 schloss das achtseitige Zeltdach mit einem laternenartigen Zentralturm ab, in dem zwei Glocken hingen. Eine Bronzeglocke, die weder Jahreszahl noch Inschrift trägt, ist mit einem romanischen Figuren- und Bänderfries verziert, deshalb wird sie auf das frühe 13. Jahrhundert datiert. Sie befindet sich seit 1912 in der Johanneskirche in Schlachtensee. Die andere Glocke stammt aus dem Jahr 1270. Der Turm war jedoch im Dachstuhlverband der Kirche unzureichend eingebunden, er hielt den Glockenschwingungen nicht stand, sodass er 1788 abgebrochen werden musste. Auf dem Kirchhof wurde ein reetgedeckter Glockenträger aus offenem Fachwerk errichtet. Die Spitze der Haube des ehemaligen Turmes, Knauf, Windfahne und Kreuz, schließen das jetzige Zeltdach ab.

Das Innere

Orgel der Dorfkirche Zehlendorf

Die alten Einbauten fehlten beim Wiederaufbau. Bei der Umwandlung zum Gemeindehaus hatte man Orgel und Kanzelaltar einer Gemeinde bei Züllichau in der Neumark übereignet. Bei der Neugestaltung legte man in Anlehnung an die historische Aufteilung umlaufende Emporen an, die auf einem inneren Säulenkranz ruhen. Über dem Eingang steht eine 1991 gebaute Orgel mit einem um 1720 entstandenen fränkischen Barockprospekt. Sein Platz war einst in der zerstörten Berliner Dreifaltigkeits-Kirche. Im Bereich des Altars wurde die Empore unterbrochen, um dem Raum genügend Weite zu geben. Der heutige Holzaltar wird von zwei etwa 1480 beidseitig bemalten Altarseitenflügeln aus der Berliner Klosterkirche eingerahmt. An den Wänden befinden sich seit den 1950er Jahren elf aus der Zeit von 1577 bis 1646 stammende Tafelbilder, die sich ursprünglich in der ehemaligen Heilig-Geist-Kapelle befanden. Die Dorfkirche besitzt heute einen Reichtum an Kunstwerken, wie sie es früher nie besaß.

Bildergalerie

Literatur

  • Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin: Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten. Berlin 1997.
  • Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Alte Kirchen in Berlin. Berlin 1991.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978.
  • Kurt Pomplun: Berlins alte Dorfkirchen. Berlin 1984.
  • Hans-Joachim Kuke: 100 Jahre Pauluskirche-ein Rückblick. Berlin 2005.
  • Hans-Jürgen Rach: Die Dörfer in Berlin. Berlin 1990.
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band Berlin. München/Berlin 2006.

Weblinks

Commons: Dorfkirche Zehlendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 52° 26′ 8″ N, 13° 15′ 35,5″ O

Anmerkungen

  1. Wie auch in Marienfelde und Buckow. Ein solch großer „klotziger“ Turm machte fast 50 Prozent der Baukosten aus.
  2. Auch die von Friedrich II. angeregte und noch im Bau befindliche Hedwigskathedrale in Berlin war ein Zentralbau; dies war aber in der klassischen Form des Pantheons begründet.