Einstufige Juristenausbildung (Deutschland)

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Die einstufige Juristenausbildung, zu der eine Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum im Jahr 1968 den Anstoß gegeben und der Deutsche Juristentag 1970 in Mainz Empfehlungen abgegeben hatte,[1] wurde durch die „Experimentierklausel“ des § 5b des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung vom 10. September 1971[2] im Zuge der Reform der Juristenausbildung als Alternative zur herkömmlichen zweistufigen Ausbildung mit dem Rechtsreferendariat in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt.

Grundlagen

§ 5b des Deutschen Richtergesetzes sollte schon in seiner ursprünglichen Fassung am 15. September 1981 wieder außer Kraft treten, wobei aber eine zuvor begonnene einstufige Ausbildung noch nach den bis dahin geltenden Vorschriften beendet werden konnte. Nach dieser Bestimmung konnte das Landesrecht Studium und praktische Vorbereitung in einer praktischen Ausbildung von mindestens fünfeinhalb Jahren zusammenfassen. Ein Teil der Ausbildung war bei Gerichten, Verwaltungsbehörden und Rechtsanwälten abzuleisten. Die erste Prüfung konnte durch eine Zwischenprüfung oder durch ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen ersetzt werden. Die Abschlussprüfung sollte dem Zweiten juristischen Staatsexamen gleichwertig sein. In der Fassung vom 16. August 1980 [3] war ein entsprechender Vorbehalt für landesgesetzliche Regelungen vorgesehen, die vor dem 16. September 1981 in Kraft getreten sein mussten. Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes vom 25. Juli 1984 [4] sah vor, dass bis zum Ablauf des 15. September 1985 Studenten in die einstufige Ausbildung aufgenommen werden konnten und diese Ausbildung noch beendet werden konnte. Damit lief die einstufige Juristenausbildung aus. Landesregelungen bestanden in Baden-Württemberg[5], Bremen[6], Hamburg[7], Nordrhein-Westfalen[8] und Rheinland-Pfalz[9].

Bedeutung

Dieses Reformprojekt wurde in Baden-Württemberg (Universität Konstanz), Bayern (Universität Augsburg – schon ab Herbstsemester 1971[10] – und Universität Bayreuth), Bremen, Hamburg, Hessen (Universität Frankfurt), Niedersachsen (Universität Hannover), Nordrhein-Westfalen (Universität Bielefeld) und Rheinland-Pfalz (Universität Trier)[11] als Versuch in den 1970er und 1980er Jahren unternommen. Studenten absolvierten keine Staatsexamina mehr, sondern nach dem theoretischen Grundstudium eine Zwischenprüfung (in Bayern und Baden-Württemberg) oder ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen [1]. Das Hauptstudium verschachtelte praktische Stationen bei Staatsanwaltschaften, Gerichten und Körperschaften des öffentlichen Rechts, um darüber insbesondere Studenten ohne juristisches Elternhaus frühzeitig Einblicke in die juristische Praxis, sowie allen gleichermaßen Möglichkeiten zu eröffnen, die dabei gewonnenen Eindrücke wissenschaftlich aufzuarbeiten. Nach abgeschichteten Prüfungen zum Abschluss der jeweiligen Praxisstationen und einem sechsmonatigen Schwerpunktstudium, wählten die Studenten selbst das Thema ihrer rechtswissenschaftlichen Abschlussarbeit, deren Erkenntnisse sie in einer mündlichen Prüfung verteidigen mussten. Danach waren die Absolventen Volljuristen und entsprechend einem 2. Juristischen Staatsexamen befähigt zum Richteramt. Die einstufige Juristenausbildung war verstärkt auf ein Hinterfragen von sozialen und arbeitsmarktpolitischen Zusammenhängen ausgerichtet, und mit der Konzeption des forschenden Lernens wurden bewusst Freiräume gerade auch für kritische Berufsrollenübernahmen geschaffen. Ausbildungsziel waren Persönlichkeiten, die sich schnell auch in fremde Rechtsgebiete einarbeiten und diese in einen Gesamtkontext einordnen konnten, um damit konsenstaugliche Einzelfallentscheidungen selbstbewusst mitzugestalten. Mit einer Änderung von § 5d DRiG wurde 1984 die zweistufige Juristenausbildung wieder verbindlich vorgeschrieben, und die einstufigen Reformausbildungen – das sogenannte „Hamburger Modell“ – mussten bundesweit abgeschafft werden, nachdem elf Juristen-Jahrgänge eine einstufige Ausbildung durchlaufen hatten.[12]

Absolventen der einstufigen Ausbildung

Literatur

  • Jürgen Blomeyer: Zum „Münchner Modell“ für eine einstufige Juristenausbildung, Juristische Rundschau 1970, 296
  • Rudolf Wassermann: Die Reform findet endlich statt, Die Zeit 8/1974, im Internet unter http://www.zeit.de/1974/08/die-reform-findet-endlich-statt
  • Fritz Haag: Juristenausbildung als Gesetzgebungsexperiment, Juristenausbildung zwischen Experiment und Tradition 1986, 11-24 (Schriften der Vereinigung für Rechtssoziologie, Bd 11)
  • Hans Peter Bull: Die Reform ist tot - es lebe die Reform! Juristenausbildung - erneut überdacht 1990, 1-7 (Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden)
  • Filipp Bauer (Universität Bremen, Zentrales Uni-Archiv): Rote Richter in schwarzen Roben? Die einstufige Juristenausbildung im Parteien-Clinch; im Internet unter [2]
  • Robert Francke, Hans-Jürgen Hopp (Hrsg.): Einstufige Juristenausbildung in Bremen. Evaluation Eines Reformmodells (Leuchtturm-Verlag, Alsbach/Bergstraße 1986)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Wassermann, Die Zeit 8/1974.
  2. BGBl. 1971 I 1557
  3. BGBl. 1980 I 1451
  4. BGBl. 1984 I 995
  5. GBl. 1974 429, GBl. 1975, 69
  6. GBl. 1977, 101
  7. GVBl. 1973, 16
  8. GV NW 1974, 1026
  9. GVBl. 1975, 87
  10. http://www.uni-augsburg.de/allgemeines/daten/
  11. http://www2.bsz-bw.de/bibscout/P/PC/PC5500-PC5800/PC.5540 umfassender Literaturnachweis
  12. [1]