Emil Carlebach

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Emil Carlebach (geboren am 10. Juli 1914 in Frankfurt am Main; gestorben am 9. April 2001 ebenda) war ein kommunistischer Politiker, hessischer Landtagsabgeordneter, Schriftsteller und Journalist.

Leben

Emil Carlebach entstammte einer über mehrere Generationen in Deutschland wirkenden, angesehenen Rabbinerfamilie, die der Bruder seines Großvaters Nathan Carlebach (1844–1912), Salomon Carlebach, in Lübeck begründet hatte. Sein Vater Moritz Carlebach (1879–1939), ein Kaufmann, war wie die übrigen Angehörigen der Carlebachs in Frankfurt nicht religiös.

Emil Carlebach brach schon als Jugendlicher mit der bürgerlich-konservativen Einstellung seiner Eltern. 1931 trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) bei. Anfang 1934 wurde Emil Carlebach wegen der Verbreitung antifaschistischer Gewerkschaftszeitungen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der regulären Haft, unter anderem auch im Zuchthaus Hameln, wurde er 1937 in das KZ Dachau verbracht und war ab 1938 in Buchenwald inhaftiert. Dort war er in der illegalen Widerstandsorganisation und als Blockältester im jüdischen Häftlingsblock tätig. Nach eigener Darstellung gab er „mit das Signal zur Meuterei am 4./5. April 1945“. Nach der Befreiung des Lagers wählten die hessischen Buchenwalder ihn zu ihrem Sprecher, später war er Vizepräsident des Internationalen Buchenwald-Komitees.

Nach 1945 war er erst Frankfurter Stadtverordneter, dann hessischer Landtagsabgeordneter und arbeitete an der hessischen Verfassung mit.

Er war Mitbegründer und Lizenzträger der Frankfurter Rundschau, wurde jedoch 1947 auf Betreiben der US-Militärbehörde (Befehl von General Clay) entfernt. Auch war er Mitbegründer der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN).

Von 1950 bis 1952 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung Carlebachs mit Margarete Buber-Neumann. Carlebach bestritt die Verantwortung Stalins für die Verfolgung deutscher Kommunisten in der Sowjetunion; bei dieser Position blieb er lebenslang. Buber-Neumann hatte Carlebach wegen Beleidigung und übler Nachrede verklagt, weil dieser sie als Trotzkistin und amerikanische Agentin bezeichnet hatte. Im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit wurde auch Kritik an Carlebachs Verhalten gegenüber nicht „linientreuen“ kommunistischen Buchenwald-Häftlingen geübt; dabei wurde ihm von dem Lagergenossen Benedikt Kautsky unmittelbare Mitverantwortung für den Tod mindestens zweier polnischer Häftlinge angelastet. Gegen diesen Vorwurf wehrte sich Carlebach auch später noch: als der Zeithistoriker Hans Schafranek die eidesstattliche Erklärung Kautskys 1990 abdruckte, wurde er von Carlebach auf Unterlassung und Schmerzensgeld verklagt.

Da Carlebach nach dem Verbot der KPD 1956 wegen seiner fortgesetzten, nun illegalen Tätigkeit für die Partei Strafverfolgung drohte, flüchtete er in die DDR. Dort konnte er seine politische Tätigkeit als Mitarbeiter des „Deutschen Freiheitssenders 904“ fortsetzen. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik 1969 war er bis zu seinem Tod in verschiedenen Funktionen für die VVN-BdA, die DKP und die Deutsche Journalisten-Union (dju) tätig.

Emil Carlebach war zwei Mal verheiratet, die erste Ehe endete durch den krankheitsbedingten Tod seiner Frau; er hinterließ eine Tochter (verstorben 2012), eine Enkelin und einen Stiefsohn. Er wurde auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt am Main beerdigt.

Wegen seines Widerstandes gegen den Nationalsozialismus wurde Emil Carlebach 1991 mit der Johanna-Kirchner-Medaille der Stadt Frankfurt am Main ausgezeichnet.

Werke

  • Von Brüning zu Hitler. Das Geheimnis faschistischer Machtergreifung. Röderberg, Frankfurt am Main 1971 (DNB 740527762).
  • Reise in den Bolschewismus. Reportagen aus der UdSSR 1955–1980. Frankfurt am Main 1981.
  • Die Meldung als Waffe. Frankfurt am Main 1982.
  • Buchenwald. Ein Konzentrationslager. Bericht der ehemaligen KZ-Häftlinge Emil Carlebach, Paul Grünwald, Hellmuth Röder, Willy Schmidt, Walter Vielhauer. Herausgegeben im Auftrag der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-87682-786-8; NA: Pahl-Rugenstein, Bonn 2000, ISBN 3-89144-271-8.
  • Zensur ohne Schere: Die Gründerjahre der Frankfurter Rundschau 1945/47. Ein unbekanntes Kapitel Nachkriegsgeschichte. Röderberg, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-87682-807-4.
  • Kauf Dir einen Minister! Flick in Weimar, im Dritten Reich und in Bonn. Hintergründe zum Flick-Skandal. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-88012-711-5.
  • Am Anfang stand ein Doppelmord. Kommunist in Deutschland. Röderberg, Köln 1988, ISBN 3-87682-853-8 (Autobiografie).
  • Hitler war kein Betriebsunfall. Hinter den Kulissen der Weimarer Republik: die vorprogrammierte Diktatur. Röderberg, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-87682-598-9; 7. Auflage, Pahl-Rugenstein, Bonn 1996, ISBN 3-89144-183-5
  • Tote auf Urlaub: Kommunist in Deutschland. Dachau und Buchenwald 1937–1945. Bonn 1995.

Filme

  • Emil Carlebach – Kommunist. Dokumentarfilm 1998. KAOS

Literatur

  • Christoph Leclaire und Ulrich Schneider: Emil Carlebach – Widerstandskämpfer und ehemaliger Häftling des Konzentrationslagers Buchenwald. Dokumentation zum 100. Geburtstag, hrsg. von der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/Freundeskreis, Pahl-Rugenstein-Verlag Nachfolger, Bonn 2014, ISBN 978-3-89144-468-9.
  • Wolfgang Kraushaar: Sonnenuntergang. Das Verhältnis europäischer Intellektueller zum Kommunismus im Spiegel dreier Prozesse, in: Linke Geisterfahrer. Denkanstöße für eine antitotalitäre Linke. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-8015-0320-8, S. 39ff.
  • Sabine Niemann (Red.): Die Carlebachs. Eine Rabbinerfamilie aus Deutschland, hrsg. von der Ephraim-Carlebach-Stiftung, Dölling und Galitz, Hamburg 1995, ISBN 3-926174-99-4.
  • Lutz Niethammer (Hrsg): Der „gesäuberte“ Antifaschismus. Die SED und die roten Kapos von Buchenwald. Dokumente, Akad.-Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-05-002647-2.
  • Hans Schafranek: Zwischen NKWD und Gestapo. Die Auslieferung deutscher und österreichischer Antifaschisten aus der Sowjetunion an Nazideutschland 1937–1941, ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-88332-181-8, Dokumentenanhang.

Weblinks