Ernst Jansen

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Ernst Nicolaas Herman Jansen, (* 24. Oktober 1945 in Kamperland, Niederlande[1]), auch bekannt unter seinem angenommenen Namen Ernst Jansen Steur, ist ein ehemaliger niederländischer Neurologe. Er war als Experte auf dem Gebiet der Neurologie und der Alzheimer-Forschung bekannt. Seit 2004 wurden mehrere schwerwiegende Fehldiagnosen bekannt, die zu seiner Entlassung aus mehreren Stellungen und schließlich zu einer Anklage führten.

Laufbahn

Jansen promovierte 1994 an der Universität Maastricht über die Parkinson-Krankheit.[2] 2002 wurde er im niederländischen Fernsehen als Experte zum Gesundheitszustand von Prinz Claus interviewt.[3]

Im Jahr 1990 erlitt er bei einem schweren Autounfall einen komplizierten Hüftbruch. Seit 2000 war er Midazolam-abhängig. Um dieses rezeptpflichtige Arzneimittel regelmäßig zu beschaffen, begann er, unter dem Namen von Kollegen Rezepte zu fälschen.[4] Wie sich später herausstellte, stellte Jansen seit seiner Medikamentenabhängigkeit zahlreiche Fehldiagnosen. Um diese Diagnosen zu belegen, fälschte er Patientenformulare, vertauschte Röntgenbilder und fälschte Laborberichte. Er verschrieb Patienten unnötige, starke Medikamente und veranlasste in einigen Fällen unnötige Gehirnoperationen.[5]

2004 wurde er vom Medisch Spectrum Twente (MST) entlassen. Er erhielt eine Abfindung in Höhe von 250.000 Euro und musste, ebenso wie seine ehemaligen Kollegen, eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnen.[4][6] Im Rahmen dieser Vereinbarung erklärte er sich bereit, sich von der niederländischen Ärzteliste streichen zu lassen, wodurch er auf das Recht verzichtete, weiter in den Niederlanden zu praktizieren. Geschädigte Patienten erhielten eine finanzielle Entschädigung, wurden aber ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet.[7]

Ermittlungen und Verfahren

Trotz der Vereinbarung mit Jansen beschloss der Aufsichtsrat des MST im Januar 2009, eine Untersuchung gegen Jansen einzuleiten. Diese Untersuchung wurde unter der Leitung des ehemaligen Bürgermeisters von Hengelo, Wolter Lemstra, durchgeführt.

In ihrem Bericht kam die Lemstra-Kommission zu dem Schluss, dass auf Seiten des MST aber auch der niederländischen Gesundheitsaufsicht Fehler gemacht worden waren.[8][9] Jansen habe seit 1992 als Arzt versagt, und das MST habe jahrelang versäumt, etwas zu unternehmen.

Aufgrund dieses Berichts setzte der niederländische Gesundheitsminister Ab Klink eine weitere Untersuchungskommission zur Überprüfung der Gesundheitsaufsicht ein.[10][11] Diese Kommission kam zum gleichen Ergebnis wie die Lemstra-Kommission hinsichtlich des Versagens der Gesundheitsaufsicht und stellte fest, dass diese mit Maßnahmen gegen Jansen zu lange gezögert hatte. Sie hätte demnach gegen ihn Strafanzeige erstatten müssen, statt nur eine freiwillige Rückgabe seiner ärztlichen Zulassung zu vereinbaren. Dem MST und den Ärzten, die Jansen wegen seiner Verletzung behandelt hatten, wurde mangelnde Zusammenarbeit mit der Gesundheitsaufsicht vorgeworfen. Beide behandelnden Ärzte beriefen sich auf das Arztgeheimnis.[12] Die Gesundheitsaufsicht kam hingegen in einer internen Untersuchung zu dem Schluss, im Fall Jansen korrekt gehandelt zu haben.[12][13]

Im Oktober 2009 wurde schließlich angekündigt, Jansen müsse sich vor Gericht verantworten. Eine Sonderkommission der Polizei (das „Lippstadt-Team“) hatte zu diesem Zeitpunkt 135 verschiedene Patientenbeschwerden gegen Jansen zusammengetragen.[4][14] Die Anklage warf Jansen 21 Straftaten vor, darunter schwere Körperverletzung durch Fehldiagnosen an acht Patienten, die zum Selbstmord einer Patientin führten, des Weiteren Diebstahl, Unterschlagung und Betrug. Insgesamt hatten 40 Personen Strafanzeige gestellt.[15] Mehrere Dutzend Patienten und die Familienangehörigen dreier verstorbener Patienten forderten Schmerzensgeld.[16]

Zusätzlich wurde Jansen Wissenschaftsbetrug vorgeworfen, nachdem die Untersuchung der Lemstra-Kommission ergeben hatte, dass Jansen für einen Artikel im The Lancet Untersuchungsergebnisse verfälscht hatte.[16]

Am 4. November 2013 wurde der Prozess gegen Jansen vor der Rechtbank Overijssel in Almelo eröffnet.[17] Im Februar 2014 wurde er zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt.[18] Im Mai 2015 begann in Arnheim ein Berufungsverfahren, in dem über Jansens Zurechnungsfähigkeit geurteilt werden soll.[19]

Arbeit in Deutschland seit 2004

Nach seinem erzwungenen Abgang vom MST zog Jansen 2004 nach Deutschland und arbeitete dort für verschiedene Privatkliniken. Im Jahr 2006 erteilte die Bezirksregierung Arnsberg ihm eine deutsche Approbation. Jansen habe seine Universitätszeugnisse, ein niederländisches Führungszeugnis sowie die Bescheinigung der niederländischen Behörde vorgelegt, die dort Approbationen erteilt, erklärte ein Sprecher der Bezirksregierung später.[20]

Bis 2009 arbeitete Jansen in der Schlossbergklinik in Bad Laasphe.[21] Nachdem der niederländische Journalist Rob Vorkink ihn dort aufgespürt und zu interviewen versucht hatte, wurde Jansen dort sofort entlassen.[4] 2010 arbeitete Jansen für einige Monate in den Mittelweser-Kliniken in Nienburg/Weser, wenig später in Worms.

Anfang 2013 spürte Vorkink ihn erneut im Klinikum am Gesundbrunnen in Heilbronn auf. Vorkink hatte ihn an der Stimme erkannt, obgleich Jansen abstritt, mit dem Gesuchten identisch zu sein.[22][23] Jansen wurde am 5. Januar 2013 auch dort entlassen.[24] Das Krankenhaus berief sich zunächst darauf, man habe Jansen ohne Überprüfung seiner niederländischen Zulassung beschäftigen können, da er seinen Beruf in den Niederlanden 2010 freiwillig aufgegeben habe und nicht rechtskräftig verurteilt gewesen sei, als er sich beworben habe.[22][23] Zudem konnte Jansen eine gültige deutsche Approbation vorweisen. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Krankenhaus tatsächlich über Jansens Vergangenheit informiert gewesen war.[25] Am 6. Januar 2013 reichte eine deutsche Patientin Klage gegen Jansen ein und beschuldigte ihn, aufgrund seiner Behandlung in Heilbronn im Rollstuhl sitzen zu müssen.[26]

Seine Approbation in Deutschland gab er später zurück.[19]

Name

Ernst Jansen fügte seinem Nachnamen den Zusatz Steur hinzu, den Geburtsnamen seiner Mutter. Die unterschiedliche Namensführung erschwerte Recherchen deutscher Kliniken über seinen Hintergrund in den Niederlanden.[27]

Einzelnachweise

  1. Geburtsanzeige
  2. Promotionsschrift
  3. De gezondheidstoestand van Prins Claus
  4. a b c d Dokter Bibber, De Telegraaf, 20. September 2009
  5. Umstrittener Neurologe arbeitet wieder in deutschem Krankenhaus, De Volkskrant, 4. Januar 2012
  6. Medisch Spectrum Twente: zwijgplicht over neuroloog, 19. Januar 2009
  7. TC Tubantia
  8. 31 700 XVI Vaststelling van de begrotingsstaten van het Ministerie van Volksgezondheid, Welzijn en Sport (XVI) voor het jaar 2009
  9. Kritiek op rapport omstreden neuroloog, Het Parool, 1. September 2009
  10. Angel en Antenne, Het functioneren van de Inspectie voor de Gezondheidszorg in de casus van de neuroloog van het Medisch Spectrum Twente
  11. Commissie Hoekstra: 'IGZ moet werkwijze verbeteren', 27. Mai 2010
  12. a b Inspectie faalde in zaak verslaafde neuroloog
  13. IGZ rapportage neuroloog MST
  14. Omstreden neuroloog voor de rechter, Telegraaf.nl, 7. Oktober 2009
  15. Neuroloog weigert onderzoek
  16. a b Aangifte derde dode in affaire neuroloog, Telegraaf.nl. 19. September 2009
  17. Stuttgarter Nachrichten: Heilbronner Skandalarzt: Ernst Jansen steht in den Niederlanden vor Gericht vom 4. November 2013
  18. n-tv: Skandal-Neurologe bekommt drei Jahre vom 11. Februar 2014
  19. a b n-tv: Skandalarzt Jansen erneut vor Gericht vom 17. Mai 2015
  20. Niederländischer Arzt: Wie "Dr. Frankenstein" nach Deutschland kam, Spiegel Online, 8. Januar 2013
  21. Wieviel Schuld tragen Klinik und Kammern?, Aerztezeitung.de, 14. Januar 2013
  22. a b Ex-neuroloog Jansen Steur aan het werk in Duitsland, RTV Oost, 4.Januar 2013
  23. a b Gerri Eickhof: er is maar een neuroloog die Jansen Steur heet
  24. Ontslag Jansen Steur in Heilbronn, NOS.nl, 5.Januar 2013
  25. Klinik wusste seit 2011 von Strafverfahren, stimme.de, 6./10. Januar 2013
  26. Jansen Steur deed wel ingreep in Heilbronn, Telegraaf.nl, 6. Januar 2013
  27. Mitteilung der SLK-Kliniken vom 7. Januar 2013 (PDF-Datei; 21 kB)