Evelyn Underhill

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 13. April 2015 um 14:05 Uhr durch Leonardo (Diskussion | Beiträge) (→‎Leben und Bedeutung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Evelyn Underhill (* 6. Dezember 1875 in Wolverhampton, Staffordshire, England; † 15. Juni 1941 in London) war eine anglokatholische Mystikerin und Theologin. Die anglikanische Kirche von England und die Episcopalian Church der USA verehren sie in ihren Heiligenkalendern unter dem Datum vom 15. Juni. Underhill behielt ihren Ledigennamen auch nach der Heirat mit Hubert Stuart-Moore im Jahr 1907.

Leben und Bedeutung

Nicht zuletzt auf Druck ihres radikal anti-katholisch eingestellten Ehegatten blieb Evelyn Underhill trotz ihrer wachsenden Hinneigung zum Katholizismus lebenslang ihrer anglikanischer Konfession und Kirchenmitgliedschaft treu (High Church). In ihrer Forschung zur Mystik ging sie aber mit gleichem Interesse auch ostkirchlich-orthodoxen, protestantischen wie auch außerkirchlichen Formen der Mystik nach. Sie behandelt dort – gut unterschieden – Geschichte, Systematik und Praxis der Mystik und bearbeitet einen sehr ähnlichen Corpus von Quellen wie Helena Petrovna Blavatsky, deren Namen sie allerdings nicht erwähnt. Zudem aber findet sie über Friedrich von Hügel und Rudolf Eucken zu einer wissenschaftlichen Arbeits- und Gestaltungsweise. In den Jahren 1929 bis 1932 war sie für die englische Zeitung The Spectator die theologische Redakteurin.

Friedrich Heiler stellte sie neben Baron von Hügel und über Albrecht Ritschl, Wilhelm Herrmann, Adolf von Harnack. Die Encyclopedia Britannica (1987) würdigt ihre Entwicklung: „By 1940 she had supplemented her earlier and more diffuse mystical attitudes with a greater understanding and acceptance of institutional and sacramental elements in traditional Christianity, and she had come to centre her theology on an experience of Christ.“ Dieses vertiefte Verständnis für die institutionellen und sakramentalen Elemente des traditionellen Christentums hatte sich allerdings bereits 1913 in ihrer wegweisenden mystischen Deutung des - lateinischen wie des ostkirchlich-orthodoxen - Messritus angedeutet, die sie in dem mit "The witness of the liturgy" betitelten Schlusskapitel ihres Buches "The Mystic Way" vorlegte. In einer bis heute unübertroffen konzisen Interpretation zeigte sie Punkt für Punkt auf, wie der in einer langen Tradition geformte Ritus der Messe in einer Sprache von rituellen Handlungssymbolen die diskursiv nicht (oder aber nur völlig inadäquat) beschreibbare mystische Erfahrung in Gestalt der Stufenabfolge des Weges der Seele zu Gott zum Ausdruck bringt bis hin zu dem in der "Kommunion" symbolisierten Transzendenzerlebnis der seelischen Vereinigung mit dem Göttlichen ("unio mystica"), genauso wie die "Wandlung" von Brot und Wein nach Underhill die vom Mystiker erlebte transformative Wirkung des mystischen Einigungserlebnisses symbolisch artikuliert und bezeugt. Was aus Sicht des Nicht-Mystikers "nur" die erinnernde Vergegenwärtigung von Christi Tod und Auferstehung im Messopfer ist, wird dem Mystiker zugleich für eine - teils historische, teils mythische - Erzählung transparent, welche sein eigenes Transzendenzerlebnis des "mystischen Todes" des alten, vom göttlichen Seinsgrund entfremdeten Selbst und die spirituelle Neugeburt eines geheilten, aus dem göttlichen Lebensquell schöpfenden und nunmehr in Gott zentrierten Selbst symbolisch zum Ausdruck bringt. Das im Messritus vergegenwärtigte paradigmatische Erlösungsopfer des Gottessohnes repräsentiert für den christlichen Mystiker somit zugleich jene "ewige Gottesgeburt in der menschlichen Seele" (Meister Eckhart), die der Mystiker bereits hier und jetzt erlebt hat, zu der aber alle Menschen dank ihrer Berufung zur Gottessohnschaft eingeladen sind. Eine zusätzliche Bestätigung für ihre Interpretation der Heiligen Messe als rituelle Symbolisierung eines psychischen Geschehens von tiefgreifend religiösem, nämlich in der Rückbindung (lat.: re-ligio) der Seele an Gott gründendem, Charakter fand Underhill in der kirchengeschichtlich schon sehr früh vollzogenen Aufteilung der Messe in eine auf die Katechumenen (Taufanwärter, hier: Nicht-Mystiker) ausgerichtete Vormesse, die als "Wortgottesdienst" auf eine verbal-diskursive Glaubensvermittlung setzt und eine - ursprünglich den Katechumenen nicht zugängliche (und daher im ursprünglichen Sinne esoterische) - rituelle Hauptmesse, nämlich die "Eucharistische Liturgie". Diese Tradition der Scheidung der Gottesdienste der Mystiker und derjenigen der noch nicht in die Mysterien initiierten Christen wirkte im Mittelalter gemäß dem Standesunterschiede zwischen Geistlichen und Laien in der räumlichen Abtrennung der Kleriker vom übrigen Kirchenvolk durch die Errichtung des "Lettner" (einer hölzernen oder steinernen Schranke am Chorraum) symbolisch nach. In besagter Trennung spiegelt sich nach Underhills Überzeugung die Einsicht wider, dass nur derjenige Christ, dessen Glauben kein bloßes Für-wahr-Halten von dogmatischen Behauptungen mehr ist, sondern sich bereits auf ein mystisches Erfahrungsfundament gründet, die Sprache des Messritus als symbolischen Ausdruck des vom Mystiker erlebten und durchlebten Stufenweges der menschlichen Psyche zu Gott verstehen kann und dadurch vor fundamentalistischen Missverständnissen des Messritus als eines rein äusserlichen Geschehens (etwa als bloßes Überbleibsel magischer Zeremonien) gefeit ist.

Werk

  • Mysticism. 1911. 2nd Edition 1930. E-Text, deutsch: Mystik. Eine Studie über Natur und Entwicklung des religiösen Bewusstseins im Menschen. Mit einem Nachwort von Friedrich Heiler. 1928
  • The Mystic Way. A psychological study of Christian origins (1914). Online
  • Immanence. 1913 (Gedichte)
  • The Mystics of the Church. London 1926.

Literatur

  • M. B. Cropper: Evelyn Underhill (1958)
  • Dana Greene: Evelyn Underhill (1990)