Fließformel

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Fließformeln dienen zur überschlägigen Berechnung der mittleren Geschwindigkeit einer Strömung. Dabei wird zwischen offenen Gerinnen und Rohren mit Freispiegelabfluss oder Druckabfluss unterschieden. Die Formeln sind vom hydraulischen Radius und dem Fließgefälle des Wasserspiegels abhängig und berücksichtigen sämtliche Fließwiderstände in Form eines empirischen Beiwerts. Dieser ist für jede Fließformel unterschiedlich. Der meist zu berechnende Abfluss Q ergibt sich durch Multiplikation der mittleren Fließgeschwindigkeit vm mit der Querschnittsfläche A:

Offene Gerinne

Fließformel nach Gauckler-Manning-Strickler

Die Fließformel nach Gauckler-Manning-Strickler (GMS-Formel, nach Philippe Gaspard Gauckler, Robert Manning und Albert Strickler) ist stark empirisch geprägt und gilt für die üblichen Verhältnisse in offenen Fließgewässern mit guter Genauigkeit. Sie lautet in der üblichen Form

oder im angelsächsischen Raum

wobei

  • mittlere Fließgeschwindigkeit [m/s],
  • Rauheits­beiwert nach Strickler für die Gerinne­rauheit [m1/3/s],
  • Rauheitsbeiwert nach Manning;
  • R hydraulischer Radius [m] (R = A/U mit A = durchflossener Querschnitt [m²], U = benetzter Umfang [m]. R ist bei sehr breiten, flachen Fließquerschnitten ungefähr gleich der Wassertiefe),
  • Fließgefälle (Höhe pro Länge) [m/m]

Amerikanische Literatur und Berechnungen basieren ggf. nicht auf SI-Einheiten [m] sondern auf der Einheit Fuß [ft] (englisch foot).

Der Strickler-Beiwert kst ist in Abhängigkeit von der Oberflächenbeschaffenheit, Bewuchs und Querschnittsform zu wählen und ändert sich grundsätzlich mit der Abflusstiefe, da der Einfluss der Böschungsrauheit mit zunehmender Fließtiefe abnimmt. Somit werden summarisch alle Verlust- sowie Reibungseinflüsse erfasst. Der Strickler-Beiwert wurde von Strickler sowohl im Labor als auch in der Natur experimentell bestimmt. Seine merkwürdige Einheit hat keine physikalische Bedeutung und wurde so festgelegt, dass die Gleichung dimensionsecht ist.[1] Typische Flussbett-Werte für kst:

Oberfläche kst in m1/3/s
Glatter Beton 100
Gerades Fließgewässer 30-40
Mäandrierendes Flussbett mit Bodenbewuchs 20-30
Wildbach mit Geröll 10-20
Wildbach mit Unterholz <10

Beispiel: Der Rhein fließt von Köln, Höhe ca. 50 m NHN, ca. 300 km bis zur Mündung. Er ist ca. 8 m tief und besitzt ein ausgewaschenes Flussbett mit kst ~ 30 m1/3/s. Dann beträgt die Fließgeschwindigkeit nach Gauckler-Manning-Strickler:

v = 1,5 m/s = 5,4 km/h, in guter Übereinstimmung mit der gemessenen mittleren Geschwindigkeit von 4 km/h.

Fließformel nach Brahms und de Chézy (älteste Formel)

wobei

Für den Koeffizienten gibt es mehrere Varianten:

  1. nach Kutter oder
  2. nach Bazin

Rohrströmungen

Fließformel nach Darcy-Weisbach

Durch Umformung der Darcy-Weisbach-Gleichung ergibt sich:

wobei

Mit einem Parameter entspricht diese Formel der Chézy-Formel. Im Gegensatz zum Strickler-Beiwert kst ist die Rohrreibungszahl dimensionslos.

Fließformel von Prandtl-Colebrook

Diese Formel gilt für Abfluss in glatten oder rauen Kreis- oder Nicht-Kreis-Profilen mit Voll- oder Teilfüllung. Sie geht von der Chézy-Formel aus und hat zusätzliche Parameter für die Rauheit des Rohres und die Viskosität von Wasser.

Weitere Fließgesetze

Neben diesen eigentlichen Fließformeln gibt es noch weitere Fließgesetze für andere Fälle.

Die Ausflussformel nach dem Gesetz von Torricelli ist eine Formel für den Ausfluss aus einem Behälter oder bei einem Wehr unter dem Schütz hindurch:

wobei

=Ausfluss- oder Verlustbeiwert

Für Überfälle gibt es die Poleni-Formel zur Berechnung des Abflusses bei vollkommenem Überfall von Wehren. Sie wird als Überfall-Formel bezeichnet und nicht als Fließformel.

Ein Fließgesetz für Sickerströmungen ist das Darcy-Gesetz.

Autoren der Fließformeln

Die Formeln sind benannt nach den Ingenieuren und Wissenschaftlern, die daran mitgewirkt haben:

  • Gaspar-Philibert Gauckler[2] (oder, nach anderen Quellen: Philipe Gaspard Gauckler) (1826–1905)
(bemerkenswert – und irritierend – ist dabei, dass „Philibert Gaspard“ auch die weiteren Vornamen von Henry Darcy sind.)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Open-channel hydraulics / Ven Te Chow. - New York [u. a.] : McGraw-Hill, 1959
  2. Einführung in die Hydromechanik: Gerhard H. Jirka: Einführung in die Hydromechanik. KIT Scientific Publishing, 2007, ISBN 978-3-86644-158-3, S. 212 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Literatur

  • Albert Strickler: Beiträge zur Frage der Geschwindigkeitsformel und der Rauhigkeitszahlen für Ströme, Kanäle und geschlossene Leitungen. In: Eidg. Amt für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Mitteilungen des Amtes für Wasserwirtschaft. Nr. 16. Bern 1923, S. 357 (In der ETH Bibliothek).
  • Albert Strickler: Theorie des Wasserstosses. In: Schweizerische Bauzeitung. Nr. 63, 1914, S. 25.
  • Albert Strickler: Versuche über Druckschwankungen in eisernen Rohrleitungen. In: Schweizerische Bauzeitung. Nr. 64, 1914, S. 85–87,123.
  • Helmut Martin, Reinhard Pohl: Technische Hydromechanik. In: Hydraulische und numerische Modelle. Band 4. Berlin 2009, ISBN 3-345-00924-2, S. 85–87,123.
  • Willi H. Hager: Swiss contribution to water hammer theory. In: Journal of hydraulic research. 1. Auflage. Band 4, Nr. 39, 2001 (englisch, Online (Memento vom 6. Februar 2005 im Internet Archive) [PDF]).
  • Robert Freimann: Hydraulik für Bauingenieure. Hanser, 2009, ISBN 978-3-446-41054-1, S. 121 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Wilhelm Hosang: Abwassertechnik. Vieweg+Teubner Verlag, 1998, ISBN 978-3-519-15247-7, S. 86 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Thomas Vetter: Hochwasserbegleitende Sohldynamik eines großen Flachlandflusses (Vereinigte Mulde, Sachsen-Anhalt) unter besonderer Berücksichtigung von gestörten Transportverhältnissen. Hrsg.: Reinhard Lampe. Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald 2008, ISBN 978-3-86006-311-8, S. 31–32.

Weblinks

  • 10.3.2 Fließformeln. (PDF; 590 kB) In: Kap.10 Gerinneströmung. Institut für Hydromechanik Karlsruhe, S. 181, abgerufen am 13. Juli 2016.
  • Kap. 6 Hydraulik. (PDF; 392 kB) Abwasser. Jansen AG, CH Oberriet, April 2003, S. E-69 - E-86, archiviert vom Original am 24. Juni 2011; abgerufen am 13. Juli 2016.