Geh aus, mein Herz, und suche Freud

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Titelbild von Praxis Pietatis Melica, Auflage von 1721.
Melodie und dreistimmiger Satz im Sonntagschulbuch für Evangelisch-Lutherische Gemeinden, Philadelphia 1876

Geh aus, mein Herz, und suche Freud ist ein geistliches Sommerlied von Paul Gerhardt (1607–1676).

Erstmals veröffentlicht wurde das Gedicht 1653 in der fünften Auflage von Johann Crügers Gesangbuch Praxis Pietatis Melica.[1]

Inhalt

Der weit ausholende Liedtext, der in Paul Gerhardts originaler Fassung 15 Strophen umfasst, gliedert sich in mehrere Abschnitte: Der erste Teil (Strophe 1–7) beginnt mit der Anrede an ein Gegenüber, hier als „mein Herz“ (zu jener Zeit die Anrede an einen geliebten Menschen) bezeichnet, und fordert dieses auf, hinauszugehen zur Betrachtung der sommerlichen Natur und zur Bewunderung ihrer Schönheit. Dass es sich um zwei verschiedene Personen handelt, um einen Sprecher und ein Angesprochenes, wird in 1,5 in den Worten deutlich: „siehe / wie sie mir und dir Sich ausgeschmücket haben“. In Strophe 8, also genau in der Mitte des Gedichts, spricht das lyrische Ich, hier wohl der Dichter im eigenen Namen, von sich selbst: Er „selbsten kan und mag nicht ruhn“, weil „des grossen Gottes grosses thun“ alle seine Sinne „erweckt“, ihn also über den Preis der Schöpfung zum ganzheitlichen („alle Sinne“) Lobpreis Gottes hinführt.

Der zweite Teil handelt von der Vorahnung, dass der himmlische Garten die irdische Schönheit nochmals überstrahlen werde. Die Schlussstrophen, nun an Gott gerichtet, leiten aus dem Vorangegangenen die Bitte ab, dermaleinst selbst zur Vollendung zu gelangen. Der Weg dorthin wird in Bildern aus der Natur veranschaulicht: „... dass ich dir werd ein guter Baum“, „Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben“ (14) sowie „lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen“ (15).

Viele Abdrucke des Textes beschränken sich auf die Auswahl der Strophen 1–3 und 8. In dieser Form verselbständigte sich das Lied zum Volkslied.

Text

Originalfassung Heute üblicher Text

1. Geh aus / mein hertz / und suche freud
In dieser lieben sommerzeit
An deines Gottes Gaben:
Schau an der schönen gärten zier,
Und siehe / wie sie mir und dir
Sich ausgeschmücket haben.

2. Die bäume stehen voller laub /
Das erdreich decket seinen Staub
Mit einem grünen kleide.
Narcissus und die Tulipan,
Die ziehen sich viel schöner an /
Als Salomonis seyde.

3. Die lerche schwingt sich in die luft /
Das täublein fleugt aus seiner kluft
Und macht sich in die wälder.
Die hochbegabte nachtigal
Ergötzt und füllt mit ihrem schall
Berg / hügel / thal und felder.

4. Die glucke führt ihr völklein aus /
Der storch baut und bewohnt sein Haus /
Das schwälblein speist die jungen /
Der schnelle hirsch / das leichte reh
Ist froh / und kömmt aus seiner höh
Ins tiefe graß gesprungen.

5. Die bächlein rauschen in dem sand /
Und mahlen sich in ihrem rand
Mit schattenreichen myrthen /
Die wiesen ligen hart dabey /
Und klingen gantz vom lustgeschrey
Der schaf und ihrer hirten.

6. Die unverdroßne bienenschaar
Fleucht hin und her / sucht hie und dar
Ihr edle honigspeise.
Des süssen weinstocks starcker saft
Bringt täglich neue stärck und kraft
In seinem schwachen reise.

7. Der weitzen wächset mit gewalt /
darüber jauchzet jung und alt /
Und rühmt die grosse güte
Des / der so überflüssig labt /
Und mit so manchem gut begabt
Das menschliche gemüthe.

8. Ich selbsten kan und mag nicht ruhn,
Des grossen Gottes grosses thun
Erweckt mir alle Sinnen /
Ich singe mit / wenn alles singt /
Und lasse / was dem Höchsten klingt /
Aus meinem hertzen rinnen.

9. Ach denk ich / bist du hier so schön /
Und läßst dus uns so lieblich gehn
Auf dieser armen erden /
Was wil doch wol nach dieser welt
Dort in dem vesten himmelszelt
Und güldnem schlosse werden.

10. Welch hohe lust / welch heller schein
Wird wol in Christi garten sein /
Wie muß es da wol klingen /
Da so viel tausent Seraphim
Mit unverdroßnem mund und stimm
Ihr Alleluja singen.

11. O wär ich da! o stünd ich schon /
ach süsser Gott / für deinem thron /
Und trüge meine palmen:
So wolt ich nach der Engel weis
Erhöhen deines Namens preis
Mit tausentschönen psalmen.

12. Doch gleichwol wil ich / weil ich noch
Hier trage dieses leibes joch /
Auch nicht gar stille schweigen /
Mein hertze soll sich fort und fort /
An diesem und an allem ort
Zu deinem lobe neigen.

13. Hilf nur und segne meinen geist
mit segen / der vom himmel fleußt /
Daß ich dir stetig blühe /
Gib / daß der sommer deiner Gnad
In meiner seelen früh und spat
Viel glaubensfrücht erziehe.

14. Mach in mir deinem Geiste Raum /
Daß ich dir werd ein guter baum,
Und laß mich wol bekleiben[2] /
Verleihe / daß zu deinem ruhm
Ich deines gartens schöne blum
Und pflantze möge bleiben.

15. Erwehle mich zum Paradeis
Und laß mich bis zur letzten reis
An leib und seele grünen /
So wil ich dir und deiner ehr
Allein / und sonsten keinem mehr /
Hier und dort ewig dienen.[1]

1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
Schau an der schönen Gärten Zier,
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

2. Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.

3. Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fliegt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder;
die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder.

4. Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist die Jungen,
der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen.

5. Die Bächlein rauschen in dem Sand
und malen sich an ihrem Rand
mit schattenreichen Myrten;
die Wiesen liegen hart dabei
und klingen ganz vom Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten.

6. Die unverdrossne Bienenschar
fliegt hin und her, sucht hier und da
ihr edle Honigspeise;
des süßen Weinstocks starker Saft
bringt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise.

7. Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überfließend labt,
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte.

8. Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen;
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.

9. Ach, denk ich, bist du hier so schön
und läßt du’s uns so lieblich gehn
auf dieser armen Erden;
was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnen Schlosse werden!

10. Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein!
Wie muß es da wohl klingen,
da so viel tausend Seraphim
mit unverdroßnem Mund und Stimm
ihr Halleluja singen?

11. O wär ich da! O stünd ich schon,
ach süßer Gott, vor deinem Thron
und trüge meine Palmen:
So wollt ich nach der Engel Weis
erhöhen deines Namens Preis
mit tausend schönen Psalmen.

12. Doch gleichwohl will ich, weil ich noch
hier trage dieses Leibes Joch,
auch nicht gar stille schweigen;
mein Herze soll sich fort und fort
an diesem und an allem Ort
zu deinem Lobe neigen.

13. Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
daß ich dir stetig blühe;
gib, daß der Sommer deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrüchte ziehe.

14. Mach in mir deinem Geiste Raum,
daß ich dir werd ein guter Baum,
und laß mich Wurzel treiben.
Verleihe, daß zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

15. Erwähle mich zum Paradeis
und laß mich bis zur letzten Reis
an Leib und Seele grünen,
so will ich dir und deiner Ehr
allein und sonsten keinem mehr
hier und dort ewig dienen.[3]

Melodien

Der Liedtext wurde im Laufe seiner Rezeptionsgeschichte immer wieder mit verschiedenen Melodien verknüpft. Im von Johann Crüger 1653 herausgegebenen Erstdruck war der Text zunächst der Melodie des Liedes Den Herrn meine Seel erhebt zugeordnet.[1]

Im Jahr 1667 veröffentlichte der Komponist Johann Georg Ebeling das Lied mit einer von ihm neu komponierten Weise in der Sammlung Pauli Gerhardi Geistliche Andachten.[4] Diese stellt die erste eigens zu diesem Text komponierte Melodie dar. Sie erscheint als Diskant in einem vierstimmigen Chorsatz mit zwei instrumentalen Oberstimmen ad libitum. Ebelings Sammlung war sowohl für den liturgischen Gebrauch wie auch für die häusliche Andacht gedacht.

Die bekannteste Melodie/? zu Gerhardts Text stammt von August Harder (1775–1813).[5] Sie war ursprünglich eine Vertonung des Gedichts Die Luft ist blau, das Tal ist grün von Ludwig Hölty. Sie wurde dem Gerhardtschen Text erstmals 1836 von dem Organisten Friedrich Eickhoff (1807–1886) unterlegt. Diese Bearbeitung ist jedoch etwas problematisch, da die Form der Melodie eine Wiederholung der letzten Textzeile einer jeden Strophe verlangt, wodurch häufig Textzeilen von geringer Wichtigkeit ein zu starkes Gewicht zukommt. Der beschwingte, fröhliche Ton der Melodie passt dennoch sehr gut zum Charakter des Gerhardtschen Textes und trug sehr zur Beliebtheit des Liedes bei. Zusammen mit dieser Melodie ist der Text in EG 503 abgedruckt.

In den 1920er-Jahren wurde das Gedicht von dem Musikerzieher und Volksliedforscher Walther Hensel vertont. Diese Fassung findet sich unter anderem in der verbreiteten Liedersammlung Bruder Singer.[6] Hensels in F-Dur gesetzte Melodie ist nicht farbloser, gleichwohl etwas getragener als die von Harder.

Abgeleitete Kompositionen

Der Kreuzkantor der Dresdner Kreuzkirche Rudolf Mauersberger schuf, auf dem Lied aufbauend, die Geistliche Sommermusik Geh aus, mein Herz, und suche Freud (RMWV 11).

Über die Melodie August Harders komponierte Gottfried Fischer einen kleinen Zyklus von Variationen über einzelne Strophen mit dem Titel Ein musikalischer Scherz für Orgel über „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“.[7]

Literatur

  • Juliane Keitel: 503 – Geh aus, mein Herz, und suche Freud. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 9. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-50332-6, S. 34–39.
  • Christa Reich: Geh aus, mein Herz, und suche Freud. In: Hansjakob Becker u.a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. 2., durchgesehene Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-48094-2, S. 262–274.
  • Johann Anselm Steiger: „Geh' aus, mein Herz, und suche Freud'“: Paul Gerhardts Sommerlied und die Gelehrsamkeit der Barockzeit (Naturkunde, Emblematik, Theologie). de Gruyter, Berlin 2007, ISBN

Weblinks

Commons: Geh aus, mein Herz, und suche Freud – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Johann Crüger: Praxis Pietatis Melica. Das ist: Übung der Gottseligkeit in Christlichen und trostreichen Gesängen. Editio V. Runge, Berlin 1653, S. 779 ff. (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
  2. Zur Bedeutung von bekleiben siehe Adelungs Wörterbuch. Das EG schreibt sachgerecht „und laß mich Wurzel treiben“.
  3. Textfassung nach: Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. 2. Auflage. Evangelischer Presseverband für Bayern, München 1995, ISBN 3-583-12100-7, S. 882–884.
  4. Friedhelm Kemp (Hrsg.): Paul Gerhardt. Geistliche Andachten. Reprint. Bern 1975.
  5. Matthias Werner: Harder, August. In: Wolfgang Herbst: Wer ist wer im Gesangbuch? Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-50323-7, S. 131 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. In der Ausgabe Kassel 1974 auf Seite 21
  7. Strube Verlag München–Berlin, 1993. Auf Seite 3 lautet der Werktitel: Ein musikalischer Scherz. Wenn Mozart „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ komponiert hätte. Improvisationen für Orgel.