Geh aus, mein Herz, und suche Freud
Geh aus, mein Herz, und suche Freud ist ein geistliches Sommerlied von Paul Gerhardt (1607–1676).
Erstmals veröffentlicht wurde das Gedicht 1653 in der fünften Auflage von Johann Crügers Gesangbuch Praxis Pietatis Melica.[1]
Inhalt
Der weit ausholende Liedtext, der in Paul Gerhardts originaler Fassung 15 Strophen umfasst, gliedert sich in mehrere Abschnitte: Der erste Teil (Strophe 1–7) beginnt mit der Anrede an ein Gegenüber, hier als „mein Herz“ (zu jener Zeit die Anrede an einen geliebten Menschen) bezeichnet, und fordert dieses auf, hinauszugehen zur Betrachtung der sommerlichen Natur und zur Bewunderung ihrer Schönheit. Dass es sich um zwei verschiedene Personen handelt, um einen Sprecher und ein Angesprochenes, wird in 1,5 in den Worten deutlich: „siehe / wie sie mir und dir Sich ausgeschmücket haben“. In Strophe 8, also genau in der Mitte des Gedichts, spricht das lyrische Ich, hier wohl der Dichter im eigenen Namen, von sich selbst: Er „selbsten kan und mag nicht ruhn“, weil „des grossen Gottes grosses thun“ alle seine Sinne „erweckt“, ihn also über den Preis der Schöpfung zum ganzheitlichen („alle Sinne“) Lobpreis Gottes hinführt.
Der zweite Teil handelt von der Vorahnung, dass der himmlische Garten die irdische Schönheit nochmals überstrahlen werde. Die Schlussstrophen, nun an Gott gerichtet, leiten aus dem Vorangegangenen die Bitte ab, dermaleinst selbst zur Vollendung zu gelangen. Der Weg dorthin wird in Bildern aus der Natur veranschaulicht: „... dass ich dir werd ein guter Baum“, „Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben“ (14) sowie „lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen“ (15).
Viele Abdrucke des Textes beschränken sich auf die Auswahl der Strophen 1–3 und 8. In dieser Form verselbständigte sich das Lied zum Volkslied.
Text
Originalfassung | Heute üblicher Text |
---|---|
1. Geh aus / mein hertz / und suche freud |
1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud |
Melodien
Der Liedtext wurde im Laufe seiner Rezeptionsgeschichte immer wieder mit verschiedenen Melodien verknüpft. Im von Johann Crüger 1653 herausgegebenen Erstdruck war der Text zunächst der Melodie des Liedes Den Herrn meine Seel erhebt zugeordnet.[1]
Im Jahr 1667 veröffentlichte der Komponist Johann Georg Ebeling das Lied mit einer von ihm neu komponierten Weise in der Sammlung Pauli Gerhardi Geistliche Andachten.[4] Diese stellt die erste eigens zu diesem Text komponierte Melodie dar. Sie erscheint als Diskant in einem vierstimmigen Chorsatz mit zwei instrumentalen Oberstimmen ad libitum. Ebelings Sammlung war sowohl für den liturgischen Gebrauch wie auch für die häusliche Andacht gedacht.
Die August Harder (1775–1813).[5] Sie war ursprünglich eine Vertonung des Gedichts Die Luft ist blau, das Tal ist grün von Ludwig Hölty. Sie wurde dem Gerhardtschen Text erstmals 1836 von dem Organisten Friedrich Eickhoff (1807–1886) unterlegt. Diese Bearbeitung ist jedoch etwas problematisch, da die Form der Melodie eine Wiederholung der letzten Textzeile einer jeden Strophe verlangt, wodurch häufig Textzeilen von geringer Wichtigkeit ein zu starkes Gewicht zukommt. Der beschwingte, fröhliche Ton der Melodie passt dennoch sehr gut zum Charakter des Gerhardtschen Textes und trug sehr zur Beliebtheit des Liedes bei. Zusammen mit dieser Melodie ist der Text in EG 503 abgedruckt.
zu Gerhardts Text stammt vonIn den 1920er-Jahren wurde das Gedicht von dem Musikerzieher und Volksliedforscher Walther Hensel vertont. Diese Fassung findet sich unter anderem in der verbreiteten Liedersammlung Bruder Singer.[6] Hensels in F-Dur gesetzte Melodie ist nicht farbloser, gleichwohl etwas getragener als die von Harder.
Abgeleitete Kompositionen
Der Kreuzkantor der Dresdner Kreuzkirche Rudolf Mauersberger schuf, auf dem Lied aufbauend, die Geistliche Sommermusik Geh aus, mein Herz, und suche Freud (RMWV 11).
Über die Melodie August Harders komponierte Gottfried Fischer einen kleinen Zyklus von Variationen über einzelne Strophen mit dem Titel Ein musikalischer Scherz für Orgel über „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“.[7]
Literatur
- Juliane Keitel: 503 – Geh aus, mein Herz, und suche Freud. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 9. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-50332-6, S. 34–39.
- Christa Reich: Geh aus, mein Herz, und suche Freud. In: Hansjakob Becker u.a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. 2., durchgesehene Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-48094-2, S. 262–274.
- Johann Anselm Steiger: „Geh' aus, mein Herz, und suche Freud'“: Paul Gerhardts Sommerlied und die Gelehrsamkeit der Barockzeit (Naturkunde, Emblematik, Theologie). de Gruyter, Berlin 2007, ISBN
Weblinks
- Michael Fischer: Geh aus mein Herz und suche Freud (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
- Geh aus, mein Herz, und suche Freud im Liederprojekt von Carus-Verlag und SWR2.
- Geh aus, mein Herz, und suche Freud. Text mit englischen Übersetzungen und Melodie (MIDI) bei ingeb.org
- Hans-Joachim Beeskow: „Geh aus mein Herz und suche Freud…“ – Zum historischen Kontext der Lieder von Paul Gerhardt
Einzelnachweise
- ↑ a b c Johann Crüger: Praxis Pietatis Melica. Das ist: Übung der Gottseligkeit in Christlichen und trostreichen Gesängen. Editio V. Runge, Berlin 1653, S. 779 ff. (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
- ↑ Zur Bedeutung von bekleiben siehe Adelungs Wörterbuch. Das EG schreibt sachgerecht „und laß mich Wurzel treiben“.
- ↑ Textfassung nach: Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. 2. Auflage. Evangelischer Presseverband für Bayern, München 1995, ISBN 3-583-12100-7, S. 882–884.
- ↑ Friedhelm Kemp (Hrsg.): Paul Gerhardt. Geistliche Andachten. Reprint. Bern 1975.
- ↑ Matthias Werner: Harder, August. In: Wolfgang Herbst: Wer ist wer im Gesangbuch? Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-50323-7, S. 131 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ In der Ausgabe Kassel 1974 auf Seite 21
- ↑ Strube Verlag München–Berlin, 1993. Auf Seite 3 lautet der Werktitel: Ein musikalischer Scherz. Wenn Mozart „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ komponiert hätte. Improvisationen für Orgel.