Hedwig Höß

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Hedwig Höß (* 3. März 1908 als Hedwig Hensel; † 15. September 1989 in Arlington, Virginia) war die Ehefrau des KZ-Kommandanten Rudolf Höß.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hedwig Hensel wurde 1908 als Tochter von Ostwald Richard Hensel und Linna Florendine Hensel (geborene Kremtz) geboren. Sie hatte eine Schwester und einen Bruder, den Maler Gerhard Fritz Hensel.

Sie heiratete am 17. August 1929 Rudolf Höß, den späteren Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz. Hedwig und Rudolf Höß waren beide Mitglied der Artamanen, eines radikal-völkischen Siedlungsbundes im völkischen Flügel der deutschen Jugendbewegung, der 1934 in die Hitlerjugend eingegliedert wurde.[1]

Die vier älteren Kinder von Hedwig Höß im Garten ihres Hauses in Auschwitz (um 1943)

Gemeinsam hatten sie fünf Kinder:

  1. Klaus Höß: geboren am 6. Februar 1930, gestorben 1986 in Australien.
  2. Heidetraud Höß: geboren am 9. April 1932, gestorben vor 2020.
  3. Inge-Brigitt Höß: geboren am 18. August 1933, gestorben Oktober 2023.
  4. Hans-Jürgen Höß: geboren im Mai 1937, gestorben vor 2023.
  5. Annegret Höß: geboren am 7. November 1943.

In den 1930er Jahren lebte die Familie auf Gut Sallentin in Pommern.

Zeit im KZ Auschwitz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1940 verbrachten Hedwig Höß, ihr Ehemann und die Kinder drei Jahre in einem „Villa“ genannten Haus mit großem Garten unmittelbar neben dem Stammlager Auschwitz I, von dem das Grundstück nur durch eine hohe Mauer getrennt war.

Luftaufklärungsfoto von Auschwitz vom 4. April 1944 mit Lage des Hauses des Lagerkommandanten (im Bild oben)

Hedwig Höß beschäftigte im Haushalt während der Zeit in Auschwitz zwei polnische Näherinnen, die u. a. die Opfern des KZ geraubte Kleidung änderten oder ausbesserten. Zusätzlich beschäftigte sie als Unterstützung im Haushalt und Garten auch Häftlinge und zivile Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter. Sie ließ auch eine Näherei auf dem KZ-Gelände einrichten, in der weibliche Häftlinge hauptsächlich Kleidung für die Frauen von SS-Personal herstellen mussten.[2]

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Kriegsende brachte Rudolf Höß seine Frau und die fünf gemeinsamen Kinder in einer Zuckerfabrik in St. Michaelisdonn unter, wo Hedwig Höß von britischen Soldaten später verhört wurde. Rudolf Höß trennte sich von seiner Familie und versuchte eine neue Identität anzunehmen. 1946 wurde er festgenommen und schließlich in Polen zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde am 16. April 1947 auf dem Gelände des Stammlagers Auschwitz vollstreckt.

Im 1. Frankfurter Auschwitzprozess wurde Hedwig Höß am 19. November 1964 als Zeugin befragt, wo sie angab als Hausfrau in Ludwigsburg zu leben. Sie gab auch an, dass sie mit ihrem Ehemann in Auschwitz zusammenwohnte. Auf viele Fragen zu Personen, Orten und Zeiten antwortete sie, dass sie es nicht wisse bzw. sich nicht erinnere.[3]

Einem Rentenantrag im Zusammenhang mit der Tätigkeit ihres Ehemannes bei der SS, den Hedwig Höß in Ludwigsburg stellte, ist zu entnehmen, dass sie für ihren Unterhalt bereits Bezüge aus einer Kriegsschadensrente, Waisen- und Witwenrente hatte.[4]

In den ersten Jahren nach dem Krieg wussten die Kinder nicht, wo der Vater war. Klaus Höß ging nach Stuttgart und holte die Mutter und Geschwister nach. Er wanderte später mit seiner Frau nach Australien aus und lebte mit seiner Familie in Sydney, wo er 1986 infolge von Alkoholismus früh verstarb. Inge-Brigitt Höß lernte Hutmacherin und zog in der Francozeit nach Spanien, wo sie von Cristóbal Balenciaga als Mannequin entdeckt wurde und ihren späteren Mann kennen lernte, einen US-Amerikaner. Mit ihm ging sie in die Vereinigten Staaten und arbeitete viele Jahre in einer von jüdischen Inhabern geführten Modeboutique in Washington. Sie lebte zuletzt in Arlington, Virginia.

Hans-Jürgen, der seinen Nachnamen „Höss“ schreibt,[5] brach den Kontakt zur Familie ab und ging zu den Zeugen Jehovas. Er lebte um 2020 in Deutschland in einem Haus an der Ostsee.[5]

Hedwig Höß starb am 15. September 1989 während eines Besuchs in Arlington bei ihrer Tochter Inge-Brigitt. Sie wurde unter falschem Namen eingeäschert und auf einem Friedhof begraben.[6]

Filmische Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Filmteam bei der Pressekonferenz in Cannes (in der Mitte: Sandra Hüller, Jonathan Glazer und Christian Friedel)

In Jonathan Glazers Spielfilm The Zone of Interest (2023) übernahm die Schauspielerin Sandra Hüller die Rolle der Hedwig Höß. Christian Friedel verkörperte Rudolf Höß. Die Premiere des Films erfolgte am 19. Mai 2023 beim 76. Filmfestival von Cannes, wo der Film in den Wettbewerb um die Goldene Palme eingeladen wurde.[7]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bundesarchiv (Deutschland): Bund Artam – Bund der Artamanen: Geschichte, Idee und Wirklichkeit. Darstellung, Versuch einer Deutung von Rudolf Proksch, 1937. Signatur: BArch, NS 28/91, Bestand NS 28 Hitler-Jugend.
  2. The Zone of Interest – Filmheft mit Materialien für die schulische und außerschulische Bildung (PDF; 349 kB), Herausgeber: Vision Kino gGmbH, 2024 (Abruf 11.03.2024)
  3. https://www.auschwitz-prozess.de/zeugenaussagen/Hoess-Hedwig/ Tonbandmitschnitte des Auschwitz-Prozesses (1963–1965). Zeugin Hedwig Höß. 113. Verhandlungstag 19.11.1964. 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess Fritz Bauer Institut
  4. U. Mollenkopf: Frau des Auschwitz-Kommandanten wohnte in Ludwigsburg. In: Bietigheimer Zeitung. Druck- und Verlagsgesellschaft Bietigheim mbH, 20. März 2024, abgerufen am 28. März 2024.
  5. a b Stefan Willeke: „Eine schöne Kindheit“. In: Die Zeit. 10. November 2021, abgerufen am 25. Februar 2024.
  6. Volker Koop (2014): Rudolf Höß Der Kommandant von Auschwitz - Eine Biographie. Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien, ISBN 978-3-412-22353-3
  7. Live announcement of the Official Selection 2023!. In: festival-cannes.com, 13. April 2023 (abgerufen am 13. April 2023).