Hossein Ali Montazeri

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Großajatollah Hossein Ali Montazeri (rechts) und Ali Chamenei (links)

Hossein Ali Montazeri auch Hussein-Ali Montazeri (persisch حسینعلی منتظری [hoˈseɪ̯n æˈliːje montæzeˈriː]; * 1922 in Nadschafābād, Provinz Isfahan, Iran; † 19. Dezember 2009 in Ghom) war ein iranischer Großajatollah und einer der bekanntesten iranischen Regimekritiker.[1] Als Kritiker des Schahs wurde er nach der islamischen Revolution 1979 ein enger Mitarbeiter Chomeinis und galt 1985–1989 als dessen designierter Nachfolger. Seine öffentliche Kritik an Menschenrechtsverletzungen der iranischen Regierung führte 1989 zu einem Zerwürfnis mit Chomeini, der ihn dann kurz vor seinem Tod entmachtete. Montazeri blieb jedoch eine der wichtigsten religiösen Autoritäten der iranischen Schiiten und Unterstützer der Reformer.

Leben

Montazeri studierte in Isfahan und besuchte anschließend das Seminor in Ghom. Chomeini war sein Lehrer.[2]

Gefolgsmann Chomeinis

Hossein Ali Montazeri im Evin-Gefängnis

Bis kurz vor der iranischen Revolution 1978/79 inhaftiert, berief der Revolutionsführer Chomeini nach seiner Rückkehr Ajatollah Montazeri in den neu formierten Revolutionsrat. Er wurde einer der engsten Mitarbeiter Chomeinis, der die Ansichten seines Vorbildes voll und ganz teilte.[3] Nach dem Tode Mahmoud Taleghanis wählte die Expertenversammlung Montazeri zu deren Präsidenten, als Vizepräsident kam Mohammed Beheschti zum Zuge. Der deutsch-iranische Publizist Nirumand schrieb dazu: „zu allem Übel wird auch noch Montazeri zum Präsidenten der Versammlung gewählt, eine Witzfigur … er begreift nichts …[4]

Zitate Montazeris

Nach der Ermordung Anwar as-Sadats am 8. Oktober 1981 äußerte Montazeri:

Der Feindagent Sadat muss beiseite geschafft werden und ein islamisches Regime in Ägypten errichtet werden; das iranische Volk wird dem ägyptischen Volk helfen.

20. August 1981[5]

Den angeblichen Putschversuch Kasem Schariatmadaris kommentierte Montazeri mit der Aberkennung jeglicher religiöser Titel des Großajatollahs Schariatmadari, er bezeichnete ihn am 16. April 1982 als „pseudoreligiöse Persönlichkeit“.[5]

Absetzung

Im November 1985 wurde Montazeri offiziell zum Nachfolger Chomeinis berufen. Kurz vor Chomeinis Tod setzte dieser Montazeri in einem Brief vom 26. März 1989 als Nachfolger ab. Der Brief erklärte, Montazeri würde als Machthaber die iranischen Muslime den „Liberalen“ überlassen. Ferner verwies er auf den Einsatz Montazeris gegen die Hinrichtung von Mehdi Haschemi.[6][7] Vorausgegangen war auch Kritik Montazeris an den Massenhinrichtungen 1988.[8]

Nach Chomeinis Tod wandelte Montazeri seine politischen Ansichten in Richtung Regimekritik, die von Ali Chamene’i von 1997 bis 2003 mit Hausarrest beantwortet wurde.[9] 2002 schlug er für den Nahostkonflikt um Israel und Pälastina sogar eine Zweistaatenlösung vor.[10]

Rückhalt in der Bevölkerung

Großajatollah Hossein Ali Montazeri genoss bis zu seinem Tod hohe Anerkennung in der iranischen Bevölkerung. Zu seinen Befürwortern zählten überwiegend junge, reformorientierte Studenten, aber auch viele religiös-konservative Iraner. Neben dem Führer der irakischen Schiiten, dem persisch-gebürtigen Großajatollah Ali as-Sistani, und dem derzeit im Haft befindlichen Regimekritiker Ajatollah Hossein Kazemeyni Borudscherdi hatte er die höchste religiöse Reputation im Iran.[11]

Kritik am iranischen Regierungssystem

Nach den Iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 teilte Großajatollah Hossein Ali Montazeri auf seiner Webseite mit, das herrschende islamische System habe wegen Betrugs keine politische und religiöse Legitimation mehr. Das von der Regierung präsentierte Ergebnis mit dem Erdrutschsieg von Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad könne „niemand bei vollem Verstand“ akzeptieren.[12] Am 12. Juli 2009 erließ Montazeri eine Fatwa in Bezug auf die iranischen Präsidentschaftswahlen und deren Fälschung:

„Sollte ein Verantwortlicher seine weltlichen und religiösen Pflichten versäumt und das Vertrauen des Volkes missbraucht haben, gelte er automatisch als abgesetzt. Sollte er jedoch versuchen, durch Gewalt, Lug und Trug sich an der Macht zu halten, seien die Gläubigen verpflichtet, mit allen gesetzlich erlaubten Mitteln ihn abzusetzen. Kein Gläubiger dürfe sich, unter welchem Vorwand auch immer, dieser Verpflichtung entziehen.“[13]

Tod und Trauerfeier

Begräbnis von Montazeri in Ghom
Begräbnis von Montazeri in Ghom

Nach seinem Tod kam es bei der Trauerfeier in Ghom am 21. Dezember 2009, an der Zehntausende Reformanhänger teilnahmen, zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. In den darauffolgenden Tagen wurden auch Gedenkversammlungen in Isfahan und in Montazeris Heimatstadt Nedschefabad von der Polizei gewaltsam aufgelöst und ausländischen Reportern die Berichterstattung verboten. [14] [15]

Literatur

Weblinks

Commons: Hossein-Ali Montazeri – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. ZEIT-online vom 20. Dezember 2009
  2. Christopher de Bellaigue: Im Rosengarten der Märtyrer. Ein Porträt des Iran. Aus dem Englischen von Sigrid Langhaeuser, Verlag C. H. Beck, München 2006 (engl. Originalausgabe: London 2004), S. 122
  3. Hans-Georg Ebert, Henner Fürtig, Hans-Georg Müller: Die Islamische Republik Iran. Akademie-Verlag Berlin 1987. Seite 418
  4. Bahman Nirumand: Iran – hinter den Gittern verdorren die Blumen. Rowohlt Hamburg 1985. Seite 186 ff
  5. a b Hans-Peter Drögemüller: Iranisches Tagebuch. 5 Jahre Revolution. Hamburg 1983
  6. Ruhollah al-Musavi al-Khomeini: Letter Dismissing Montazeri. Princeton University Iran Data Portal, abgerufen am 12. März 2015.
  7. Baqer Moin: Khomeini. Life of the Ayatollah. I. B. Tauris, New York 1999, ISBN 1-85043-128-0, S. 287–289 (online).
  8. Moin, S. 279.
  9. Die ZEIT-online vom 21. Dezember 2009
  10. Christopher de Bellaigue: Im Rosengarten der Märtyrer. Ein Porträt des Iran. Aus dem Englischen von Sigrid Langhaeuser, Verlag C. H. Beck, München 2006 (engl. Originalausgabe: London 2004), S. 181 f.
  11. washingtoninstitute.org (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive), September 2006 (abgerufen am 21. November 2013)
  12. Bericht in der NZZ
  13. Fatwa gegen Chamenei taz.de vom 12. Juli 2009
  14. Bahman Nirumand: Opposition nutzt Trauerfeier zum Protest. TAZ, 22. Dezember 2009
  15. Wienerzeitung.at: Zusammenstöße bei Gedächtnisfeiern im Iran