Hyperdulie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. April 2016 um 14:21 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (+ -> †). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hyperdulie (lateinisch cultus hyperduliae, deutsch auch „vorzugsweise Hochschätzung“ oder „Hochdienst“) ist eine Begriff der christlichen Mariologie, der erst im Hochmittelalter auftritt. Wilhelm von Auxerre († 1231/37)[1] will damit die besondere Verehrung (dulia dignior, maior) der Menschheit Christi begrifflich klarer herausstellen. Anknüpfend an Petrus Lombardus (In Psalmos 98,5 Migne PL 191, 895), der für Maria eine "würdigere Verehrung" (dulia dignior) als für andere Heilige erklärte, wird gegen Mitte des 13. Jahrhunderts der lateinische Neologismus hyperdulia mit Vorliebe für die Sonderehrung Mariens benutzt, wie Bonaventura (Sentenzenkommentar, Buch III, dist. 9, art. 1, qu. 3) und Thomas von Aquin (''Summa theologiae'' III, qu. 25, art. 5; vorher schon Sentenzenkommentar, Buch III, dist. 9, qu. 1, arg. 2, sol. 3: inquantum pertinet ad Christum, honoratur hyperdulia "insoweit [Maria] zu Christus gehört, verehrt man sie durch Hyperdulie") belegen. Diese beiden Theologen schaffen die Grundlagen für die spätere Verwendung in der der klassischen katholischen Dogmatik, um damit die besondere Verehrung der Gottesmutter Maria begrifflich differenzierter zu bezeichnen. Danach ist der Verehrungsgrad Mariens zwar wesentlich geringer als die allein Gott zustehende Anbetung (cultus latriae), übersteigt aber aufgrund ihrer Würde als Gottesmutter die den Engeln und übrigen Heiligen gebührende Verehrung (cultus duliae). Der Terminus ist durch die Thomas-Kommentierung und durch die konfessionellen Kontroversen um die Marienverehrung seit Reformation und katholischer Reform in theologischen Debatten oft präsent, wird allerdings erst sehr spät und nur sehr vereinzelt gegen Ende des 19. (Ritenkongregation, Dekret vom 1. Juni 1884)[2] und zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Codex Iuris Canonici 1917, can. 1255, § 1) in offiziellen Verlautbarungen der katholischen Kirche aufgegriffen. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht dagegen von einem "Kult eigener Art" (speciali cultu) (Lumen gentium 66). Papst Paul VI. betont in der Einleitung seines Schreibens "Marialis cultus" (1974), dass "Maria ein besonderer Kult erwiesen wird" (peculiaris cultus)[3]. Dieser Begrifflichkeit folgen sowohl der neue Codex Iuris Canonici von 1983 (can. 276, § 2, nr. 5; can. 1186) als auch die 1997 erschienene authentische lateinische Ausgabe des Catechismus Catholicae Ecclesiae (nr. 971)[4].

Die biblischen Grundlagen der Hyperdulie finden sich im Lukasevangelium: Lk 1,28.42.48 EU und Lk 11,27 EU. Bei den Kirchenvätern ist die Hyperdulie der Sache nach seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. nachweisbar.

Von den Kirchen der Reformation distanziert sich der Calvinismus am weitesten und am heftigsten vom Konzept und der Praxis der katholischen Hyperdulie, insbesondere die Anrufung Mariens um Fürbitte bei Gott zur Erlangung göttlicher Gnade hält man im Gefolge Calvins für eine exsacrabilis blasphemia ("verabscheuenswürdige Gotteslästerung")[5]; gleichwohl fordert Calvin[6] selber gemäß altkirchlichem Glauben dazu auf, Mariens Gottesmutterschaft anzuerkennen und beständig zu preisen[7].

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vgl. Artur Michael Landgraf: Dogmengeschichte der Frühscholastik, Bd. II/2, Regensburg 1954, S. 161.
  2. Acta Apostolicae Sedis 16 (1883/84), 526.
  3. Papst Paul VI: Adhortatio Apostolica "Marialis cultus", Introductio (2. Febr. 1974), lat. Fassung: https://w2.vatican.va/content/paul-vi/la/apost_exhortations/documents/hf_p-vi_exh_19740202_marialis-cultus.html.
  4. Online-Ausgabe: http://www.vatican.va/archive/catechism_lt/index_lt.htm.
  5. Johannes Calvin: Articuli a Facultate sacrae theologiae Parisiensi determinati super materiis fidei nostrae hodie controversis cum antidote, cap. 25 (1544). Opera omnia, Braunschweig / Berlin 1864-1900, Bd. 7 (1863), Sp. 44, Z. 11f.
  6. Zu Calvins Mariologie vgl. Konrad Algermissen: Calvin, Johann. In: Remigius Bäumer / Leo Scheffczyk (Hg.): Marienlexikon. St. Ottilien: EOS 1988-1994, Bd. 1 (1988), Sp. 640b-642b.
  7. Johannes Calvin: Harmonia Evangelica, ad Luc. I,48 (1555), Op. omn. 45, 38, Z. 11-15: Quodsi tam insigne est [sc. Dei beneficium erga Mariam], ut passim omnium ore praedicari debeat, ipsi Mariae, in quam collatum fuerit, de eo silere minime fas est.