KZ Moringen

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Das KZ Moringen war ein Konzentrationslager im niedersächsischen Moringen. Es umfasste die Gebäude des Landeswerkhauses, eines von über 50 Arbeitshäusern, die seit dem 19. Jahrhundert im deutschen Reich bestanden. Das KZ diente nacheinander der Inhaftierung von Männern, Frauen und Jugendlichen.

Geschichte des Lagers

Von April 1933 bis November 1933 wurde ein Männer-KZ betrieben. Es wurde aufgelöst, die Insassen wurden entlassen oder in andere KZs gebracht.

Ab Oktober 1933 bis März 1938 war es ein Frauenkonzentrationslager in dem etwa 1.350 Frauen inhaftiert waren. Während der Anteil der Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern vor Kriegsbeginn durchschnittlich 5-10 % betrug, stellten die Zeuginnen Jehovas im Frauen-KZ Moringen zeitweise fast 90 % der Inhaftierten. Auch dieses Lager wurde aufgelöst. Die Frauen wurden in das KZ Lichtenburg überstellt.

Vom Juni 1940 bis zum Kriegsende diente es als Jugendkonzentrationslager mit 1.400 Jungen im Alter von 13 bis 22 Jahren und war dem Reichssicherheitshauptamt/Amt V (Reichskriminalpolizeiamt) unterstellt.

Das Jungenlager im "Werkhaus" in Moringen wurde auf Anregung von Reinhard Heydrich als erstes Lager dieser Art eingerichtet. Dort wurden mindestens 1.400 Jugendliche eingesperrt; sie wurden nach Selektion in verschiedenen Blöcken nach vermeintlichen charakterlichen und biologischen Merkmalen und Eigenschaften untergebracht:

  • Beobachtungsblock (B-Block)
  • Block der Untauglichen (U-Block)
  • Block der Störer (S-Block)
  • Block der Dauerversager (D-Block)
  • Block der Gelegenheitsversager (G-Block)
  • Block der fraglich Erziehungsfähigen (F-Block)
  • Block der Erziehungsfähigen (E-Block)
  • Stapo-Block (ST-Block), mit politisch-oppositionell eingestuften Jugendlichen (z. B. die sog. "Swingjugend")

Das Kriminalbiologische Institut der Sicherheitspolizei (KBI) nahm an ihnen erbbiologische Versuche vor. Maßgeblich war hier Dr. Dr. Robert Ritter tätig, zuvor als "Wissenschaftler" maßgeblich am Völkermord gegenüber Roma, Sinti und Jenischen beteiligt.

Seine Auffassung war:

Das Wachsen und Werden von Verbrechern und Verbrecherstämmlingen läßt sich (...) von der Wurzel her (...) auf erbpflegerischem Wege verhindern. In der rassehygienischen Verbrechensbekämpfung liegt die große Zukunftsaufgabe der Kriminalbiologie.

Ritter ließ 55 Jugendliche in Vernichtungslager überstellen und regte Sterilisierungen an, die vom Lagerarzt und dem Kommandanten beantragt wurden. Vollzogen wurde sie durch Ärzte in der Universitätsklinik Göttingen.

Die Arbeitskraft der Jugendlichen wurde bis zur völligen körperlichen Auszehrung ausgenutzt. Im Sommer 1942 verhungerten einige Jugendliche. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute nicht bekannt.

Die Jugendlichen mussten in verschiedenen Werkstätten innerhalb des Lagers arbeiten und auch bei der Firma Piller (Maschinenschlosserei), Osterode. Mindestens 89 von ihnen haben die Nazis ermordet.

Moringen wurde am 9. April 1945 befreit. Drei Tage vorher fanden "Evakuierungen" in Richtung Harz statt, die Kranken blieben im Lager zurück;.

Es gab drei solche Hauptlager:

Außenlager wurden im September 1943 in Berlin-Weißensee und im Juli 1944 in Volpriehausen eingerichtet.

Nach 1945

Seit 1993 befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen KZs eine Gedenkstätte, die vom 1989 gegründete Verein "Lagergemeinschaft und Gedenkstätte KZ Moringen e.V." betrieben wird. Ein Großteil der alten Gebäude wurde abgerissen. An ihrer Stelle und in Teilen der historischen Bauwerke befindet sich heute das Landeskrankenhaus Moringen, ein forensisch-psychiatrisches Krankenhaus, in dem in erster Linie durch Gerichtsbeschluss eingewiesene Patienten behandelt werden.

Bekannte Häftlinge

Literatur

  • Guse, Martin: "Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben". Katalog zu den Jugendkonzentrationslagern Moringen und Uckermark. Liebenau & Moringen 1997.
  • Guse, Martin: Der Kleine, der hat sehr leiden müssen... Zeugen Jehovas im Jugend-KZ Moringen. In: Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas. Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus. Hg. v. Hans Hesse. Bremen 1998.
  • Haardt, Wolf Dieter: "Was denn, hier - in Moringen?!" Die Suche nach einem vergessenen KZ. In: Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik. Hg. v. Detlef Garbe. Bornheim-Mertenm 1983. ISBN 3-921521-84-X. S. 97-108.
  • Gabriele Herz: The Women's Camp in Moringen: A Memoir of Imprisonment in Germany, 1936-1937. Translated by Hildegard Herz and Howard Hartig. Edited and with an introduction by Jane Caplan. New York and Oxford: Berghahn Books, 2006. 183 S, ISBN 978-1-84545-077-9. (engl.) Rezension von Ursula Krause-Schmitt bei www.studienkreis-widerstand-1933-45.de
  • Hans Hesse: Das Frauen-KZ Moringen 1933-1938. Edition Temmen, Göttingen, 2000. 450 S., ISBN 3-86108-724-3. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von Michael Krenzer

Filme

  • Versuch einer Berührung, Bundeszentrale für Politische Bildung (Video und 16-mm):

Der 44-minütige Film thematisiert die Begegnung des ehemaligen Moringer Häftlings Günter Discher mit vier Jugendlichen aus Berlin, die an Politik und der NS-Vergangenheit zunächst nicht sonderlich interessiert sind. Der Film zeigt die Reaktionen der Jugendlichen auf Dischers Berichte. Man lernt sich kennen, ein Vertrauensverhältnis entwickelt sich. Die Jugendlichen berichten über ihr Lebensgefühl, reflektieren, differenzieren. Darüber hinaus erhält der Zuschauer exemplarische Informationen zu den Haftbedingungen im Jugend-KZ Moringen.

  • Als wenn nie etwas gewesen wäre... (Norddeutscher Rundfunk, 1991, 29 Minuten)
  • Störenfriede nach Block S (Hessischer Rundfunk, 1992, 45 Minuten)

Beide Dokumentationen entstanden in Zusammenarbeit mit der Lagergemeinschaft KZ Moringen

Siehe auch: Liste der Konzentrationslager, Erziehung im Nationalsozialismus

Weblinks

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