Kaland

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Kaland (Kalandsbruderschaften) ist die Bezeichnung für Bruderschaften wohlhabender Bürger zur Verrichtung guter Werke, die im Mittelalter in vielen Städten verbreitet waren. Das Wort Kaland ist von dem lateinischen Wort „kalendae“ abgeleitet. Es bedeutet den ersten Tag eines Monats und bezieht sich auf den Brauch der Mitglieder eines Kaland, sich regelmäßig an diesem Tag zu treffen.

Geschichte

Kalandsbruderschaften wurden seit dem 9. Jahrhundert in Städten Mitteleuropas von Frankreich bis hin nach Ungarn gegründet. Sie setzten sich aus männlichen und weiblichen Mitgliedern des wohlhabenden Bürgertums zusammen und unterschieden keine Standesformen oder weltliche und geistliche Herkunft.

Ein Kaland bestand aus sechs bis zwölf Priestern und weiteren Laien. Er hatte jeweils seine eigenen, von den Bischöfen der jeweiligen Diözese bestätigten, Statuten. Dechant und Kämmerer wurden aus den Mitgliedern gewählt und hatten über Einnahme und Ausgabe Rechnung zu führen und für die Einhaltung der Statuten zu sorgen.

Zweck der Zusammenkünfte des Kalands war das gemeinschaftliche Gebet an gestifteten Altären und die gemeinsame Verrichtung wohltätiger Werke an Armen und Kranken. Die Kalande gedachten außerdem gemeinschaftlich ihrer verstorbenen Mitglieder. Die Feierlichkeiten begannen in der Kirche mit der Abhaltung der Vigilien und Seelenmessen und einer Prozession. Zu Ostern wurde das symbolische Fußwaschen von Greisen und Greisinnen der Armen begonnen und mit einer Brotverteilung abgeschlossen. Die Treffen wurden mit einer opulenten Mahlzeit beendet.

In vielen Städten besaßen die Bruderschaften eigene Häuser für ihre Treffen. So wurde 1491 dem Warburger Kaland ein ehemaliger Adelshof, die Curia Romana gestiftet. 1541 bestand in Geithain eine „Kalandstube“ an der Nikolaikirche, die noch heute im Museum des Pfarrhauses zu besichtigen ist.

Die Kalandsbrüder in Chemnitz nannten sich auch fraternitas corporis Christi (Bruderschaft des Leibes Christi).

In Herford hatte der Kaland eine eigene Glocke im Herforder Münster, die aus der Zeit um 1200 stammt.

Im späten Mittelalter wurden mit dem wachsenden Wohlstand der Mitglieder die Treffen immer üppiger. Dadurch wandelte sich die Kurzbezeichnung „Kaland“ über „Kolund“ schließlich zu „Kohlhund“, einem Schimpfwort für „Zechbruder“ oder „Prasser“. In der Reformationszeit kam es zu wachsender Kritik an dem Verhalten der Kalandsbruderschaften und führte in protestantischen Ländern zu deren Auflösung. Davon berichtet auch eine unter der Ägide des Leipziger Professors Joachim Feller (1638–1691) verfasste Dissertation: „Die Calender aber waren Häuser, darinnen die Geistlichen Bier ausschencken liessen, und da die geistlichen Fratres ihre Zechen zu halten pflegten. Daher man noch immer von den Trunckenbolden zu sagen pfleget: Er calendert die gantze Woche hindurch“.[1]

Im katholisch gebliebenen Westfalen wurde ein Drittel der Bruderschaften erst im 19. und 20. Jahrhundert beendet. Der Große Kaland in Münster und der Kaland in Neuenheerse bestehen noch heute.

In Lübeck gibt es noch eine Kaland-Schule und einen Kalandsgang (Hundestr.31).

Bekannte Kalandsbruderschaften

Das Datum bezeichnet die jeweils früheste urkundliche Erwähnung. Die Gründung kann jedoch früher liegen.

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Kaland – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Joachim Feller: Dissertatio solennis de fratribus Kalendariis. Notis verò illustrata et edita a Christiano Francisco Paullini. Andreae für Knochius, Frankfurt 1692. [4°. 36 S.], Zitat S. 31 f
  2. Kalandsgasse. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins
  3. Franz Flaskamp: Die Kalands-Bruderschaft zu Wiedenbrück, Mitglieder- und Totenlisten, 1343–1854. Aschendorff, Münster 1957.
  4. Nicolaus Heutger: Die Tempelherren einst und heute – Zum 50. Jubiläum der Reaktivierung des Tempelherren-Ordens in Deutschland. Lukas Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-86732-017-7, S. 76
  5. Rudolf Preising Der Werler Kaland und seine Mitglieder. Schriften der Stadt Werl Reihe A, Heft 3, Dietrich Coelde-Verlag, Werl 1958, S. 9
  6. Arnold Nöldeke: Marienkapelle auf der Neustadt. In: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. 1, H. 2, Teil 1. Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Theodor Schulzes Buchhandlung, Hannover 1932 (Neudruck Verlag Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1), S. 209f.