Kieselgel

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Allgemeines
Name Kieselgel
Andere Namen

Siliciumdioxid, kolloidal

Summenformel SiO2
Kurzbeschreibung

farbloser, geruchloser, hygroskopischer, nicht brennbarer Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 112926-00-8
  • 7631-86-9
  • 63231-67-4 (Silica gel)
Wikidata Q308976
Eigenschaften
Molare Masse 60,08 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

2,2 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

1710 °C[1]

Siedepunkt

2230 °C[1]

Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1][2]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Kieselgel, Kieselsäuregel oder Silikagel (englisch silica gel) ist ein amorphes Siliciumdioxid von gelartiger, gummiartiger bis fester Konsistenz und ist farblos. Es besitzt eine große innere Oberfläche (ca. 600 m²/g). Es ist stark hygroskopisch (wasseranziehend) und eignet sich als Geliermittel, Filter-, Adsorptionsmaterial und Trockenmittel. Man rechnet es zu den Xerogelen.

Silikagel war bereits um 1640 bekannt. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs wurde es aufgrund der Eigenschaft als Adsorptionsmittel zur Bindung von Dämpfen und Gasen patentiert.[3]

Herstellung

Wird Wasserglas mit Säure versetzt, entsteht das unlösliche, klare Gel. Für die Trocknungsmittelperlen wird Wasserglas in ein Säurebad getropft. Die Gelkugeln werden anschließend gewaschen und einer Trocknung unterzogen. Durch Veränderung des pH-Wertes während der Wäsche kann die Porengröße des Silicagels variiert werden.[4]

Verwendung

Kieselgel mit orangefarbenem Indikator im trockenen Zustand (beladen ist es farblos)
weißes, großporiges Kieselgel
Exsikkator mit Kieselgel

Trockenmittel

Wird Kieselgel als Trocknungsmittel verwendet, so wird es oft mit einem Wasser-Indikator versetzt; dazu wird meist blaues Cobalt(II)-chlorid (CoCl2) verwendet. Wenn das Kieselgel Wasser gebunden hat, verfärbt sich der Indikator von blau nach blassrosa bis weißlich; dabei entsteht der Hexaaqua-Komplex [Co(H2O)6]Cl2. Beim Trocknen ist dieser Vorgang reversibel.

Mit Kieselgel gefüllte kleine Papiertütchen oder Kissen (Antikondensationsbeutel) liegen vielen feuchtigkeitsempfindlichen Warensendungen bei (z. B. elektronischen Geräten, Lederwaren und Nori-Algen für die japanische Küche), um deren Inhalt beim Versand trocken zu halten und die Bildung von Kondensations-Feuchtigkeit bei der Verbringung von warmen in kalte Umgebungen zu verhindern. Auch in feuchtigkeitsempfindlichen elektronischen Gerätschaften sind sie oft zu finden; beispielsweise werden Tütchen mit Kieselgel in der Unterwasserfotografie genutzt, um das Innere der Kamera trockenzuhalten.

Kieselgel wird oft als Trockenmittel in Exsikkatoren verwendet. Kieselgel kann auch zum Trocknen und Trockenhalten von Saatgut verwendet werden. Ferner wird es als hocheffizientes Katzenstreu im Handel angeboten. Die Vorteile sind eine längere Verwendungsdauer und das im Vergleich zu anderen Sorten geringe Gewicht der Einzelpackungen.

Weiterhin wird Silikagel in Mischungen bzw. als Ersatz von Gummi zusammen mit anderen Stoffen in Fahrzeug-Reifen als Haftvermittler verwendet, der deren Nässehaftung deutlich verbessert. Hier wird ein Teil des zwischen Gummi und Asphalt bei Nässe deutlich verminderten Reibungskoeffizienten durch die zusätzliche Adsorption (genauer Physisorption) der Wasser-Moleküle (Wasserstoffbrückenbindung) kompensiert. Weiterhin wird das Gemisch weicher und damit haftfähiger auch auf trockener Fahrbahn, während der Abrieb und damit der Verschleiß vermindert wird.[5]

Während Kieselgel selbst gesundheitlich unbedenklich ist, wird Blaugel mit Cobalt(II)-chlorid blau gefärbt und ist seit dem Jahr 2000 als krebserzeugend in der damaligen Kategorie 2 (heutige Kategorie 1B) eingestuft (d. h. im Tierversuch mit hohen Dosen wurde eine krebserzeugende Wirkung nachgewiesen). Es ist daher mit dem H-Satz 350i („Kann bei Einatmen Krebs erzeugen.“), dem Piktogramm GHS08 (Gesund­heits­gefahr) und dem Signalwort Gefahr zu versehen.[6] Gefährlich sind die Stäube, die z. B. beim Umfüllen auftreten. Als Alternative zu Blaugel wird Orangegel (siehe Foto) eingesetzt; das Kieselgel wird hier mit einem cobaltfreien Indikator eingefärbt, der bei etwa 6 % Beladung von orange auf farblos umschlägt.

Die maximale Wasseraufnahme des „normalen“ Kieselgels beträgt etwa ein Drittel des eigenen Gewichts. Es gibt auch großporiges Kieselgel (Foto), das bis zu zwei Drittel Wasser adsorbieren kann. Es liegt dabei immer ein Gleichgewicht von adsorbiertem Wasser und der Luftfeuchtigkeit vor. Das heißt, die maximale Wasseraufnahme gilt für wasserdampfgesättigte Luft. Bei normaler Luftfeuchtigkeit (ca. 40–60 % rF) wird diese Kapazität nicht erreicht. Bei sehr niedriger Luftfeuchte gibt das Kieselgel das Wasser auch wieder ab (z. B. in der Hitze, siehe folgenden Abschnitt „Regenerierung“).

Regenerierung des Trockenmittels

Blaugel trocken (= blau)
Blaugel feucht (= rosa)

Kieselgel bleibt auch im erschöpften Zustand rieselfähig und formbeständig. Es kann bei Bedarf, aufgebracht auf einem metallischen Siebgitter oder Backblech, beispielsweise in einem Backofen, bei etwa 120 bis 150 °C regeneriert werden, indem das aufgenommene Wasser durch Ausheizen wieder ausgetrieben wird. Befindet sich das Kieselgel in permeablen Kunststoffverpackungen, beispielsweise aus Tyvek, darf die Trocknung bei maximal ca. 80 °C erfolgen. Ein Mikrowellenherd ist zum Trocknen grundsätzlich ungeeignet, da durch die hohe Leistung der Mikrowelle das Wasser sehr schnell verdampft und nicht rasch genug abgeführt werden kann; als Folge bersten die Kieselgelteilchen.

Alkoholtest

In Alkoholteströhrchen wird das Kieselgel mit Chromschwefelsäure getränkt, der vorbeiziehende Alkoholdampf reduziert das Dichromat zu grünen Chromverbindungen. Anhand der Stärke und Ausdehnung der Verfärbung lässt sich der Grad der Alkoholisierung abschätzen.

Wärmespeicher

Eine weitere Anwendung ist die Verwendung als Thermochemischer Wärmespeicher. Kieselgel hat die Eigenschaft, bei der Adsorption, also der Aufnahme von Wasser, Wärme abzugeben, und bei der Desorption, der Trocknung, Wärme aufzunehmen. Dieser Prozess funktioniert als chemische Wärmepumpe und kann beliebig oft wiederholt werden.

Kühlung

Bei der Kühlung durch Trocknung und Verdunstung kann Kieselgel als regenerierbares Trockenmittel verwendet werden.

Stationäre Phase in der Chromatographie

Kieselgel ist die am häufigsten verwendete stationäre Phase in der Dünnschichtchromatographie (DC) und Säulenchromatographie. Für die DC wird das Kieselgel auf geeignete Trägermaterialien aufgebracht (z. B. Glas, Aluminium). Oft wird es zusätzlich mit Zusatzstoffen (z. B. Fluoreszenzindikatoren) versetzt.

Abkürzungen für bestimmte Zusätze:

  • Fluoreszenz: F366 für langwelliges und F254 für kurzwelliges UV-Licht
  • Gips: G
  • ohne Zusätze: H
  • für präparative Schichtchromatographie: P
  • hochgereinigt: R

Die freien -OH Gruppen an der Oberfläche des Kieselgels machen es polar und binden bevorzugt polare Moleküle mittels Wasserstoffbrückenbindungen. Sehr stark polare Substanzen lassen sich nicht wieder eluieren. Hier bietet sich die Verwendung von Reversed-Phase-Kieselgel an. Reversed-Phase bedeutet, dass die Oberfläche z. B. mit C2-, C4-, C8- oder C18-Ketten modifiziert wurde und somit unpolar ist.

Trockenbeutel mit orangefarbenem Kieselgel

Dichtegradientenzentrifugation

Modifiziertes Kieselgel wird unter verschiedenen Markennamen (Percoll, Sepracell) zur Reinigung von einkernigen Zellen des peripheren Blutes (PBMC) durch Dichtegradientenzentrifugation verwendet.

Gel-Nährböden

In der Biologie, besonders in der Phytologie und Mikrobiologie, wird Kieselgel neben Agargel oder Gelatine als Geliermittel für Nährböden verwendet.

Gewichtsausgleich in Luftschiffen

In den 1930er Jahren gab es Versuche bei Zeppelinen, Kieselgel zum Auftriebsausgleich zu verwenden. Die aufgenommene Feuchtigkeit sollte den Gewichtsverlust des verbrauchten Kraftstoffs ausgleichen.

Literatur

  • Ralph K. Iler: The Chemistry of Silica. Solubility, Polymerization, Colloid and Surface Properties, and Biochemistry. John Wiley & Sons, New York/Chicester/Brisbane/Toronto/Singapore 1979, ISBN 0-471-02404-X.

Weblinks

Commons: Kieselgel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Eintrag zu CAS-Nr. 7631-86-9 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  2. Datenblatt Silica gel, packet of 5 g desiccant bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  3. Maryann Feldman, Pierre Desrochers: Research Universities and Local Economic Development. In: Industry and Innovation. Volume 10, Number 1, 5–24, March 2003 (PDF, S. 18).
  4. Werner Kast: Adsorption aus der Gasphase, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim 1988, ISBN 3-527-26719-0, S. 13.
  5. India rubber directory, PRECIPITATED SILICA, Samir Majumdar, abgerufen 22. November 2015.
  6. Vorlage:CL Inventory/harmonisiertHarmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Cobaltdichlorid im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA)