Klaus Geyer

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Klaus Geyer (* 11. September 1940 in Berlin; † 1. November 2003 in Hannover) war ein deutscher lutherischer Pfarrer. Er trat seit den 1980er Jahren in der Friedensbewegung als Ausrichter von Treffen der Aktion Sühnezeichen in Königslutter-Beienrode (Landkreis Helmstedt) hervor und wurde deren Vorsitzender von 1990 bis 1993.[1] Er wurde am 16. April 1998 wegen Totschlags im Affekt an seiner Ehefrau zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.[2]

Prozess

Im Februar 1998 begann der Prozess gegen Klaus Geyer.[3] Dem Urteil gegen Geyer ging ein spektakulärer Indizienprozess am Braunschweiger Landgericht voraus, den die Medien und Öffentlichkeit aufmerksam verfolgten. Die Kammer befand Geyer für schuldig, am 25. Juli 1997 seine Frau, die Religionslehrerin und Bürgermeisterin des Wohnortes, Veronika Geyer-Iwand (jüngste Tochter des Theologen Hans Joachim Iwand), mit der er drei gemeinsame Söhne und eine Adoptivtochter hatte,[1][4] auf einem Feldweg bei Braunschweig erschlagen zu haben.[4][5]

Die Verurteilung erfolgte auch aufgrund eines kriminalbiologischen Gutachtens, in dem zwei Ameisen – eine an der Bluse der Leiche, eine an Geyers Gummistiefeln – der gleichen Art, einer Glänzendschwarzen Holzameise (Lasius fuliginosus), zugeordnet wurden, wie sie nach Erkenntnissen des Görlitzer Ameisenexperten Bernhard Seifert in der betreffenden Region nur am Tatort vorkam.[6][7][5][8] Außerdem wurden Erdproben an den Gummistiefeln analysiert und mit denen des Tatortes verglichen.[5] Der promovierte forensische Biologe Mark Benecke, der maßgeblich an der Aufklärung des Falles beteiligt war, indem er anhand der an der Leiche gefundenen Fliegenmaden den Todeszeitpunkt von Veronika Geyer-Iwand bestimmt hatte, erzeugte mit seinen Medienauftritten sowie seinen Publikationen - beispielsweise die Erwähnung des Falles in Beneckes Buch „"Mordmethoden". Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt“ - eine hohe Aufmerksamkeit.[9][8] Nicht zuletzt führten Falschaussagen gegenüber den Ermittlern und ein insgesamt eher nachteiliges Auftreten Geyers vor Gericht zu seiner Verurteilung.[4]

Trotz der erdrückenden Indizienlast blieben leichte Zweifel an der Schuld Geyers. So wurde die Tatwaffe nie gefunden;[4] wie die Leiche seiner Frau an den späteren Fundort gelangte, blieb unklar und selbst das Motiv einer Ehekrise konnte nicht durch Zeugenaussagen belegt werden. Geyer stritt die Tat stets ab.[2][10][11] Er verbüßte seine Haft in der Haftanstalt Braunschweig,[2] während der er an Prostatakrebs erkrankte.[12] Einem Gnadengesuch, das Geyer wegen seiner Krebserkrankung stellte, gab der niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer im Juli 2002 nicht statt.[13] Nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Haftzeit wurde Geyer im November 2002 wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen.[14][15] Ein Jahr nach der Haftentlassung starb Geyer an Krebs.[15]

Rezeption

Verfilmung

Der Mordfall erzeugte ein großes Medienecho, in deren Folge etwa das ZDF den Spielfilm „Mord im Hause des Herrn“ (2002, Regie Helmut Christian Görlitz, Darsteller: u. a. Rudolf Kowalski, Julia Jäger, Barbara Auer) produzierte. An der Entstehung des Drehbuchs ist Geyer durch Interviews mit der Drehbuchautorin Nicola von Hollander beteiligt gewesen.[10]

Fernsehdokumentation

Der Fall wurde auch bei der RTL Sendung Anwälte der Toten thematisiert.[16]

Drama

Das Drama „Golgatha“ im Buch „Golgatha. Aller Seelen“ (Suhrkamp 2000) von Werner Fritsch beruht ebenfalls auf dem Fall.[17][12]

Romane

Im Roman „Der Büchermörder“ von Detlef Opitz (Eichborn 2005) über den bibliomanischen Mörder und Pfarrer Johann Georg Tinius (1764–1846) findet sich ein Kapitel, in dem die Fälle der beiden evangelischen Geistlichen verglichen werden. Opitz räumt so mit dem Irrtum auf, Geyer sei der erste deutsche Theologe gewesen, den man des Mordes bezichtigte und inhaftierte.[18]

Der langjährige Reporter Heinrich Thies berichtete als Journalist in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung über den Prozess gegen Klaus Geyer und besuchte ihn im Gefängnis. Im Jahr 2013 veröffentlichte er seinen Roman Passion – Höllenfahrt eines Pastors. Er verlegt dort die Handlung in ein Heidedorf bei Celle und gibt den handelnden Personen andere Namen, doch die Parallelen zum Fall Geyer sind unverkennbar.[11][12]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Pastor hinter Gittern, Zeit Online, 16. Januar 1998
  2. a b c "Ich habe meine Frau nicht umgebracht" - Interview mit Pastor Geyer, Panorama, 17. September 1998
  3. Gisela Friedrichsen: Strafjustiz: Wie Falschgeld herumgelaufen, Der Spiegel 7/1998, 9. Februar 1998
  4. a b c d Gisela Friedrichsen: Strafjustiz: Das muß ich mir anhören, Der Spiegel 17/1998, 20. April 1998
  5. a b c Am Ende zerstörte eine Ameise die schöne Fassade, Die Welt, 17. April 1998
  6. Gabriele Schulte: Das Ende eines Spuks, Der Tagesspiegel, 16. April 1998
  7. Mark Benecke: Mordmethoden: Neue spektakuläre Kriminalfälle - erzählt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt, Bastei Lübbe, S. 189 [1]
  8. a b Der Mensch als Gummistiefeltier, FAZ, 16. Dezember 2002
  9. Genauer Todeszeitpunkt bleibt ungewiß, Der Tagesspiegel, 11. März 2002
  10. a b Er schlägt und schlägt mich, Der Spiegel 10/2003, 1. März 2003
  11. a b Heinrich Thies über die Höllenfahrt eines Totschlägers / Freitag Lesung in Walsrode: „Der Pastor leugnete bis zuletzt“, Kreiszeitung, 3. April 2013
  12. a b c Krimi über Pfarrhausmord: Journalist verarbeitet spektakulären "Mordfall Geyer" in Roman, Evangelische Zeitung für die Kirchen in Niedersachsen, 12/2013
  13. Begnadigung für ehemaligen Pastor abgelehnt, Kölner Stadtanzeiger, 2. Juli 2002
  14. Verurteilt: Nach der Haftentlassung - Ex-Pastor Klaus Geyer bei stern TV, stern.de, 18. Dezember 2002
  15. a b Ex-Häftling Pastor Klaus Geyer gestorben, Die Welt, 4. November 2003
  16. Wolfgang Scheidt: Gerichtsmedizin im Fernsehen: Zur besten Sendezeit wird die Quote mit Toten gesichert: Die Lust am Morbiden JF, 8. November 2002
  17. „Golgatha. Aller Seelen“, werner-fritsch-filmproduktion.de
  18. Tinius kommt! Schnitzeljagd: Detlef Opitz verfolgt den berüchtigten Bibliomanen, FAZ, 17. November 2005