Kragbogen

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Kragbogen
Das Konstruktionsprinzip eines Kragbogens, hier mit Sturz als Schlussstein. Der Vergleich zwischen einem echten Bogen (links) und einem falschen Bogen (rechts).

Als Kragbogen (engl. corbel arch) oder als falscher Bogen bezeichnet man in der Architektur eine Bauweise zum Überbrücken von Tür- oder Fensteröffnungen im Mauerwerk. Er gilt als eine historische Vorstufe des echten Bogens. Architektonisch ist er heutzutage ohne Bedeutung. Man findet ihn in alten Bauwerken, beispielsweise bei Torbögen der Maya, sowie beim Zerfall von altem Mauerwerk unter Verlust von Steinen.

Die Unterscheidung zwischen echtem und falschem Bogen

Kragbogen der vorchristlichen Brücke von Eleutherna auf Kreta

Beim echten Bogen (Rundbogen) sind die Bogensteine radial angeordnet. Beim falschen Bogen (Kragbogen) sind die Bogensteine überlappend (= kragend) angeordnet.
Beim echten Bogen wird der Schlussstein von den restlichen Bogensteinen unter Spannung eingeklemmt. Bei der idealisierten Sonderform des falschen Bogens (links) ist dies nicht der Fall. Bei einem breiteren und unregelmäßig gemauerten falschen Bogen, wie auf der rechten Abbildung, wird sich jedoch zwischen den Steinen des Bogens ebenfalls eine Zwängung ergeben.

Konstruktion

Um Abstände zu überbrücken, die die Zugbelastbarkeit eines einzelnen länglichen, als Sturz eingesetzten Steins überschreitet, setzten alte Kulturen eine Kragbogenkonstruktion ein. Statt auf einem Balken verteilen sich die Zugkräfte auf mehrere übereinander geschichtete Steine. Ausgekragt verkleinern sie die Öffnung nach oben so weit, bis sie von einem abschließenden Balken kleiner Spannweite geschlossen werden kann. Anders als echte Bögen sind Kragbögen während der Bauphase gleichmäßig stabil und nicht auf ein Stützgerüst angewiesen. Sie benötigen allerdings zur abschließenden Stabilisierung einen höheren Druck von oben und deshalb eine massive Bauweise.

Die Bilderreihe oben zeigt eine Mauer (Bild 1), aus der drei Steine herausgelöst werden. Die Mauer stürzt nicht ein, aber es fallen drei weitere Steine heraus, die einen Durchbruch in Dreieckform bilden (Bild 2): In der Mauer hat sich ein Kragbogen gebildet. Seine Tragfähigkeit ist außerordentlich gering, er stabilisiert sich nur über das Gewicht der umgebenden Steine. Die Struktur lässt sich kaum verschlanken, ohne dass sie zusammenbricht (Bild 3, der Kragbogen steht kurz vor dem Einbruch).

In Bild 3 fehlt der Abschlussstein, der die Öffnung überbrückt. Seine Funktion übernehmen zwei Steine, die gegeneinander gekippt sind. Sie bilden die einfachste Form eines einfachen Bogens. Das Bild zeigt also einen Kragbogen, der nicht durch einen Balken, sondern einen kleinen Bogen abgeschlossen wird.

Während in einem echten Bogen nur Druckkräfte auftreten, muss das Baumaterial eines Kragbogens auch Zugkräfte aufnehmen. Da die Festigkeit von Stein gegenüber Zugbelastung gering ist, erreichen Kragbögen nur geringe Spannweiten bei großer Bauhöhe. Sie sind handwerklich einfacher zu errichten.
Aufgrund des weniger eindeutigen Kräfteverlaufs können besonders breite Kragbögen und solche, die mit wenig oder schwach bindendem Mörtel hergestellt werden, nicht so filigran ausgeführt werden wie echte Bögen.

Kragbogen in einsturzbedrohter Ruine

Ein Kragbogen entsteht auch unbeabsichtigt, wenn aus beschädigtem Mauerwerk Steine herausfallen; die darüber verbleibenden Steine halten sich dann durch Druckkräfte gegenseitig und bilden einen falschen Bogen, solange ein ausreichender Kontakt zwischen den Steinen besteht und die Pressung durch Auflast gesichert ist.
Aus der Wand im nebenstehenden Bild ist der Türsturz aus Holz herausgebrochen, mit ihm Teile des Mauerwerks.


Beispiele

Maya-Bogen in Uxmal

Die Maya in Mesoamerika aber auch die Ägypter und indischen und hinterindischen Kulturen kannten keinen echten Bogen. Das Bild rechts ist typisch für die Konstruktion von Toröffnungen. Die geglätteten Wände der Bogenlaibung verlaufen in spitzem Winkel nach oben und finden ihren Abschluss in einer flach aufgelegten Steinplatte.

Kragbögen finden sich als Strukturelement auch in prähistorischen Steinbauten, zum Beispiel in der minoischen Kultur in Kreta oder bei den Nuragern in Sardinien ca. 1500 v. Chr, siehe Bild links.

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