Langer Oskar

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Vorlage:Infobox Hohes Gebäude

Langer Oskar war der Spitzname, den die Bürger der Stadt Hagen (Nordrhein-Westfalen, Deutschland) dem 98 Meter hohen Bürohochhaus der Sparkasse Hagen gegeben haben. Das Gebäude befand sich in der Innenstadt von Hagen und galt als ein Wahrzeichen der Region. Eingeweiht wurde das Hochhaus am 29. November 1975, sein Spitzname ist vermutlich eine Anspielung auf den damaligen Sparkassendirektor Oskar Specht.

Geschichte

Der Architekt des Gebäudes ist Karl-Heinz Zernikow aus Hagen. Am 1. August 1972 wurde der Bau begonnen und am 29. November 1975 fertiggestellt. Die bebaute Fläche betrug 634 m², die Nutzfläche 12.634 m² (Bürofläche: 7.621 m²). Das Gebäude war 98 Meter hoch, 37,4 Meter lang und 18,6 Meter breit. Die Fassade bestand aus einer mit asbesthaltigen Baustoffen belasteten, vorgehängten Aluminiumkonstruktion mit einer Fläche von ca. 10.300 Quadratmetern. Der umbaute Raum des Hochhauses betrug ca. 64.700 Kubikmeter. Eine statische Besonderheit war die durchgängige Stahlbetonscheibe, die in Verbindung mit den Aufzugsschächten der horizontalen Aussteifung des Gebäudes diente: 102 Meter lang, 9 Meter breit und bis zu 1,82 Meter dick.

Das Sparkassenhochhaus umfasste 22 Etagen, davon zwei im Untergeschoss. Im Laufe der Zeit wurde die Etagenbelegung durch organisatorische Maßnahmen immer wieder geändert. Auch die anfangs auf der achten Etage ansässige Stadtbücherei verlegte ihren Betrieb später in ein anderes Gebäude. Die Büroräume waren als funktionale Großraumbüros mit Klimaanlagen und gleichmäßiger Beleuchtung angelegt. Zeitgemäße und funktionelle Einrichtung sowie moderne Etagenküchen sollten für größtmögliche Effizienz sorgen. Es wurden zusätzlich gesonderte Besprechungsräume eingerichtet, um in individuellen Gesprächen mit Kreditkunden ungestört zu sein. In jeder Etage gab es Pausenräume mit Küchen, Heißwassergeräten und Getränkeautomaten. Gutes Arbeiten sollte auch durch die Anordnung der Möbel, große Pflanzschalen, freundliche Farben und zahlreiche Kunstwerke geschaffen werden.

1986 wurde das Hochhaus renoviert. Dies beinhaltete das Entfernen der Holzverkleidungen im Fluchttreppenhaus auf Anweisung der Feuerwehr, sowie eine Neuisolierung des Daches. Des Weiteren klagten die Mitarbeiter nach dem Einzug Ende 1975, dass in den Großraumbüros schlechte Luft sei. Mehrere Mitarbeiter erlitten einen Kreislaufzusammenbruch. Schuld war die Lüftungsanlage, die überwiegend nur die benutzte Raumluft umwälzte. 1986 wurde die Lüftungsanlage ebenfalls saniert.

Foyer

Im Foyer befand sich eine Pförtnerloge, die rund um die Uhr besetzt war. Vier Mitarbeiter wechselten sich regelmäßig zwischen Früh- und Nachtschicht ab. Von hier wurde die gesamte Hauptstelle überwacht und kontrolliert. Des Weiteren befanden sich dort die Telefonzentrale, über die alle Anrufe vermittelt wurden. Das Foyer wurde auch als Veranstaltungsort genutzt; in der Tradition des "Hagener Impulses" fanden dort zahlreiche Kunst- und Kunstgewerbeausstellungen statt. Sehr populär waren auch die zum Weltspartag stattfindenden Kindertheateraufführungen (Reibekuchentheater) im Foyer, das bei dieser Gelegenheit regelmäßig so gut besucht war, dass es regelrecht aus allen Nähten platzte.

Dach

Der Kran auf dem Hochhaus, zuerst grün. später weiß gestrichen, diente dazu, schwere Bauteile und Maschinen wie z.B. Aufzugs- und Kältemaschinen in die entsprechende Etage zu transportieren. Des Weiteren wurden am Rohbau schwere Materialien für die Außentechnik befördert. Die Befahranlage für die schwebende Gondel des Fensterputzers wurde durch den Kran auf die jeweils zu reinigende Seite des Hochhauses befördert. Neben dem Kran wurden auch noch eine Funkstation der Telekom sowie eine Windrichtungsanzeige installiert.

Sicherheitseinrichtungen

Von einem Schaltpult aus konnten alle wesentlichen technischen Einrichtungen überwacht werden. So war es möglich, einen Defekt rechtzeitig zu erkennen und zu beheben. In jeder Etage gab es Anschlüsse für Löschwasser, Automatische Feuerlöschanlagen nach dem Sprinklersystem sorgten für die nötige Feuersicherheit. In jedem Geschoss waren ca. 80 Sprinkler installiert. Rauchmelder, Sicherheitstreppenhäuser und Fluchtbalkone ergänzten das System der Sicherheitsvorkehrungen. Bei Stromausfall versorgte ein Notstromgenerator ohne wahrnehmbare Unterbrechung alle funktionswichtigen Teile wie Sprinkleranlagen, Lastenaufzug, Entlüftung und Notbeleuchtung.

Autoschalter

Der Autoschalter war ein weiterer Service der Sparkasse Hagen. Bis zum Abriss des Langen Oskars konnten Kunden innerhalb der Öffnungszeiten der Sparkasse hier Ein- und Auszahlungen und sämtliche anderen Bankgeschäfte bequem vom PKW aus tätigen. Über eine gesonderte Fahrspur durch die Grashofstraße zwischen dem Langen Oskar, dem Rechtsamt und der Stadtkasse gelangte der Kunde mit seinem PKW direkt zum "Autoschalter", einem ca. sechs Quadratmeter großen Raum, der von einer Mitarbeiterin aus dem Kundenservice besetzt war.

Sanierungspläne zur Jahrtausendwende

Neben einer neuen Fassade, die deutlich bessere Wärmedämmwerte als die Fassade von 1975 aufgewiesen hätte, hätte auch die Klimaanlage erneuert werden müssen. Die damalige Klimaanlage der Sparkasse Hagen wurde dazu noch mit dem Kühlmittel FCKW betrieben, das auf dem Markt nicht mehr zu beschaffen war. Die Restnutzungsdauer mit dem vorhandenen Kühlmittelbestand war somit begrenzt. Die Erneuerungsmaßnahmen für Fassade, Treppenhaus, Klimaanlage und Heizung führten neben weiterem Aufwand für diverse Einzelmaßnahmen (wie Erneuerung der Beleuchtung, der Teppichböden, Veränderungen an der Sprinkleranlage und an den Elektroverteilungen) zu einem Sanierungsaufwand von ca. 42 Millionen DM; pro Quadratmeter hätten sich somit Kosten von 5.600,00 DM ergeben. Die Kosten für einen Neubau hätten sich aber nur auf 3.500,00 DM pro Quadratmeter belaufen. Selbst wenn all diese Maßnahmen durchgeführt worden wären, hätte das Sparkassenhochhaus niemals die Wirtschaftlichkeit eines Neubaus erreicht. Dieses von einem unabhängigen Gutachterbüro ermittelte Ergebnis war auch für die Sparkasse in seiner Eindeutigkeit überraschend. Hinzu kam, dass die Stadt Hagen ihren Raumbedarf nicht mehr durch Anmietung von Büroflächen decken wollte. Das hätte für den Langen Oskar zur Folge gehabt, dass rund ein Drittel der Räume leer gestanden hätte. Diese Büroflächen wären angesichts der Sanierungskosten kaum zu kostendeckenden Preisen zu vermieten gewesen. Auch entsprach der Grundriss der Geschosse nicht mehr den Anforderungen für Büroflächen im 21. Jahrhundert. Die wirtschaftlichen Gründe für einen Neubau waren damit so stark, dass die Tatsache, dass der Lange Oskar ein markanter Punkt im Erscheinungsbild der Stadt war, kein ausreichendes Argument für die Erhaltung und Sanierung des Hochhauses bilden konnte.

Abriss und Sprengung 2004

Aufgrund von Undichtigkeiten in der Fassade drang Wasser ein, wodurch die Dämmung aufweichte. Eine Sanierung der Fassade hätte auch die Sanierung der Klimaanlage und den An- oder Einbau eines zweiten Treppenhauses aus Brandschutzgründen zur Folge gehabt. Es wurden Sanierungskosten in Höhe von 42 Millionen DM veranschlagt, denen Abrisskosten von ca. 3,8 Millionen Euro und Neubaukosten von 16,8 Millionen Euro entgegenstanden, so dass die Entscheidung für einen Abriss und Neubau fiel.

Am 7. März 2004 um 10:53 Uhr wurde dieses Gebäude nach Durchführung einer höchst umfangreichen Entkernung und Schadstoffsanierung sowie nach konventionellem Rückbau der Nebengebäude (Stadthaus (Hagen)) mit ca. 56.500 m³ umbautem Raum in der bis dahin größten Sprengung eines Hochhauses in Europa abgerissen. Die Sprengmeister hatten 1450 Sprengladungen mit einer Gesamtmasse von 250 Kilogramm so an dem Gebäude angebracht und gezündet, dass sich das gesamte Hochhaus (Gewicht: 26.000 Tonnen Beton und Stahl) zunächst faltete (sog. Kipp-Kollaps-Sprengung) und dann in ein dafür vorgesehenes 55 Meter langes Fallbett legte, ohne dabei Nachbargebäude zu beschädigen.

Die erfolgreiche Sprengung gilt als Meisterleistung der ausführenden Planungs-, Abbruch- und Sprengfirmen aus Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Etwa 40.000 Zuschauer beobachteten das Ereignis, welches sogar live landesweit im dritten Fernsehprogramm übertragen wurde.

Zur Sicherheit der Anwohner und Zuschauer wurde der Bereich um das Gebäude in zwei Zonen aufgeteilt, in denen sich niemand im Freien aufhalten durfte. Zone I mit einem Radius von 140 Metern wurde am frühen Morgen vollständig evakuiert. In der Zone II mit einem Radius von 140 Metern bis 200 Metern durften sich die Anwohner nur in gedeckter Stellung bzw. in den rückwärtigen Räumen von Gebäuden aufhalten. Zum Schutz der Fassaden vor umherfliegendem Gestein und Splittern wurden die umliegenden Gebäude mit Schutzgerüsten und einem Vorhang aus Textilvlies überzogen.

Die Stadt nahm das international beachtete Ereignis zum Anlass für ein buntes Rahmenprogramm. Es gab unter anderem die Möglichkeit der Übernachtung mit „Sprengfrühstück“. Bereits am Vorabend gab es in 15 Lokalen der Innenstadt kostenlos Live-Musik. Eine Person versuchte sogar, einen Balkonplatz bei Ebay zu versteigern.

Auch nach der Sprengung hat dieses Gebäude nicht an Anziehungskraft verloren. „Trümmertouristen“ versuchten, wie nach dem Fall der Berliner Mauer, sich ein Stück Gebäude zu sichern.

Am 29. August 2014 ist ein Buch über diesen Gebäudekomplex erschienen.

Literatur

Dietmar Brendel und Detlef Vollmar: Geliebt Gehasst Gesprengt: Aufstieg und Fall des "Langen Oskar", Ardenkuverlag, Hagen 2014, ISBN 9783942184359

Das angrenzende Stadthaus 1

Siehe dazu: Stadthaus (Hagen)

Weblinks

Koordinaten: 51° 21′ 35″ N, 7° 28′ 18″ O