Leichenschau

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Autopsie (1890) Enrique Simonet.
Obduktionssaal der Charité Berlin

Die Leichenschau (österr. Leichenbeschau, Totenbeschau; in der Schweiz gebräuchliche Bezeichnung bei außergewöhnlichen Todesfällen: Legalinspektion) ist die Untersuchung der Leiche eines Menschen zur Feststellung des Todes und zur Bestimmung der Ursachen und näheren Umstände eines Todes.

Begriffe

Die Leichenschau fällt in den Bereich den Rechtswissenschaft und Medizin überdecken. Sie ist als Teilgebiet der Rechtsmedizin anerkannt.

In Deutschland ist die reguläre Leichenschau durch (Bestattungs-)Gesetze der Bundesländer geordnet und wird nicht bundeseinheitlich gehandhabt. In der Schweiz wird es durch die Kantone geregelt.

Eine innere Leichenschau wird als Leichenöffnung, Obduktion, Autopsie, Nekropsie oder Sektion bezeichnet.

Eine zweite Leichenschau (Kremationsleichenschau, amtsärztliche Leichenschau) hat vor einer Feuerbestattung (Kremation, Kremierung, Einäscherung, Leichenverbrennung) zu erfolgen. Sie wird im Krematorium durch einen Arzt des Gesundheitsamtes, eine beauftragte Einrichtung der Rechtsmedizin oder ein zertifiziertes Pathologisches Institut vorgenommen und ist die Voraussetzung für die Freigabe zur Feuerbestattung.

Im Rahmen der verschiedenen Strafprozessrechtsordnungen besteht jeweils eine staatlich einheitliche Grundlage.[1] Es ist zwischen Leichenschau in Deutschland, der Leichenbeschau in Österreich und der Legalinspektion in der Schweiz, sowie der Leichenöffnung in Deutschland und der Obduktion in Österreich und der Schweiz zu unterscheiden.

Selbständige amtliche Verfahren zur Feststellung der Todesursache, wie sie im angloamerikanischen Bereich durch einen Coroner durchgeführt werden, gibt es im deutschsprachigen Raum nicht. Ähnliche Verfahren finden nur bei der Untersuchung von Eisenbahn-, See- und Flugunfällen Anwendung.

Aufgaben

Die äußerliche Betrachtung der Leiche sollte am Auffindeort (der nicht zwingend ein Todesort sein muss) vorgenommen werden. Auf jeden Fall müssen sichere Todeszeichen, also Totenflecke, Totenstarre, Fäulnis oder „mit dem Leben nicht vereinbare Verletzungen“, wie eine Abtrennung des Kopfes, festgestellt werden.

Die Leiche muss für die vorgeschriebene äußere Leichenschau vollständig entkleidet sein. Die meisten Leichenschauordnungen der Bundesländer sehen darüber hinaus vor, dass alle Körperregionen mit einbezogen werden müssen.[2] Unter entsprechender Beleuchtung – gegebenenfalls nach Transport des Leichnams in ein rechtsmedizinisches Institut – wird versucht, eine Zuteilung der Todesart vorzunehmen: natürlich oder nichtnatürlich. In einigen Bundesländern kann die Todesart ungeklärt auf dem Totenschein vermerkt werden. Spricht nichts gegen die Annahme, dass der Auffindeort der Sterbeort ist, kann durch Temperaturmessung der Umgebung und der Körperkerntemperatur die Todeszeit relativ genau bestimmt werden.

Besteht schon bei der Auffindung der Leiche der Verdacht, es könnte sich um einen nichtnatürlichen Todesfall handeln oder ist die Todesart unbekannt, so ist die Polizei oder die Staatsanwaltschaft sofort zu verständigen. Zur sicheren Bestimmung der genauen Todesursache oder des zugrunde liegenden Kausalverlaufes wird die innere Leichenschau vorgenommen.

Die Klärung der Todesursache wird durch Vorkenntnisse des Gesundheitszustandes und der Umstände des Todes stark erleichtert, kann wirklich zweifelsfrei jedoch nur durch eine innere Leichenschau erfolgen. Auch selbst dann noch können Fälle ungeklärt bleiben. Dies kann darin begründet sein, dass keine konkrete Todesursache rekonstruierbar ist (etwa bei unvollständig erhaltenen oder weitgehend zersetzten Leichen) oder beim plötzlichen Kindstod, der eine Ausschlussdiagnose ist.

Die nochmalige Untersuchung der Leiche im Rahmen der zweiten Leichenschau hat die Aufgabe, den Toten zweifelsfrei zu identifizieren, die sachgerechte Ausstellung des Totenscheins zu überprüfen, vor allem aber noch nichtnatürliche Todesursachen zu erkennen, deren Spuren bei einer Einäscherung irreversibel beseitigt würden.

Eine Leichenschau wird in Deutschland mit 14,57 bis 51,00 Euro vergütet (aktuelle GOÄ).[2]

Kritik

Ärzte und Strafverfolger kritisieren häufig, dass die Leichenschau nicht bundeseinheitlich geregelt ist. Es bestehen Mängel in der ärztlichen Ausbildung. Auch erhöht die Schließung von rechtsmedizinischen Instituten die Gefahr, dass mehr Todesfälle fehlerhaft als natürlich anerkannt werden. Die kriminologischen Schätzungen vermuten mit Stand Mitte der 2010er Jahre eine Dunkelziffer zwischen 1:1,5 und 1:8. Die konservative Schätzung (1:1,5) besagt, dass auf zwei als unnatürlich erkannte Todesfälle drei fehlerhaft als natürlich anerkannte Todesfälle kommen.

Im Jahr 2008 strebte eine Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz eine Trennung von Todesfeststellung und der Bestimmung der Todesursache an. Das entsprechende Gesetz scheiterte an der Zustimmung der Bundesländer.[2]

Geschichte

Die gerichtliche (also durch den Richter ausgeübte) Leichenschau wird aus dem 13. Jahrhundert überliefert. 1299 erließ Papst Bonifatius VIII. die Bulle De sepulturis über die Praxis der inneren Leichenschau. Der Sachsenspiegel verbot das Begraben der Leiche ohne Besichtigung durch den Richter. Zeitweilig verkam das Leichenschauwesen durch die Wirren von Kriegen: So wurde die Leichenschau von „beliebigen“ Personen durchgeführt. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts darf die Leichenschau nur noch durch Ärzte vorgenommen werden. In Österreich wurde sie am 30. März 1770 durch von der Medizinischen Fakultät geprüfte Totenbeschauer eingeführt.[3]

Die Regelung der Leichenschau in der Bundesrepublik Deutschland ist Gegenstand der Landesgesetzgebungen. Jedoch ist übergeordnetes Recht wie die bundesgesetzlich geregelten Obduktionen von den Durchführenden zu beachten. Um den ersten Kontaktpersonen, das sind in der Regel die Bestattungshelfer, einen Schutz vor übertragbaren Erkrankungen zu ermöglichen, weist der Leichenschauende auf übertragbare Erkrankungen - auch im Verdachtsfall - hin. Die zuständige örtliche Behörde, das Gesundheitsamt, veranlasst dann eine Seuchensektion (§ 25 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz).

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutschland: §§ 87−91 StPO und Nrn. 33−38 RiStBV; Österreich: § 128 StPO; Schweiz: Art. 253 StPO (PDF; 856 kB)
  2. a b c Christine Ruhland: Der Schein trügt. In: Welt am Sonntag. Nr. 8, 23. Februar 2014, ZDB-ID 1123516-0, S. 56 (online).
  3. Martin Grassberger: 200 Jahre Wiener Lehrkanzel für Gerichtliche Medizin (Memento vom 19. Dezember 2005 im Internet Archive), Department für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Wien, 2005.