Mandschurische Sprache

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Mandschurisch (manju gisun ᠮᠠᠨᠵᡠ
ᡤᡳᠰᡠᠨ
)

Gesprochen in

Volksrepublik China
Sprecher im 19. Jahrhundert ausgestorben;

30.000 Xibe-Sprecher (Dialekt des Mandschu)

Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

mnc

ISO 639-3

mnc

Chinesisch und Mandschurisch in der Verbotenen Stadt

Die mandschurische Sprache (manju gisun ᠮᠠᠨᠵᡠ
ᡤᡳᠰᡠᠨ
) wurde von den Mandschu gesprochen und ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine bedrohte Sprache, trotz einiger Wiederbelebungsversuche seit den 1980er Jahren. Sie gehört zu den mandschu-tungusischen Sprachen und gilt als Tochtersprache der Jurchen-Sprache. Die noch heute als nationale Minderheit anerkannten Mandschuren in der Volksrepublik China sprechen nicht mehr Mandschurisch, sondern Chinesisch.[1]

Klassifikation

Die mandschurische Sprache gehört zur Familie der tungusischen Sprachen (auch: mandschu-tungusische Sprachen). Sie ist eine agglutinierende Sprache mit Vokalharmonie (Tongue-Root- und Labialharmonie) und wurde mit der mandschurischen Schrift geschrieben, einem modifizierten mongolischen Alphabet, das wiederum auf die altuigurische Schrift zurückgeht.

Geschichte

Qing-Dynastie

Mandschurisch war die Sprache am Hof der mandschurischen Qing-Dynastie, die 1644–1911 über China herrschte, doch gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde es selbst am Hof kaum noch gesprochen. Offizielle Dokumente wurden jedoch bis 1911 in Chinesisch und Mandschurisch verfasst und an vielen Gebäuden aus der Qing-Dynastie sieht man mandschurische Aufschriften.

Im Jahr 1708 erschien nach einem Erlass des Kangxi-Kaisers von 1673 der Mandschurische Wörterspiegel (mandsch. han-i araha manju gisun-i buleku bithe ᡥᠠᠨ ᡳ
ᠠᡵᠠᡥᠠ
ᠮᠠᠨᠵᡠ
ᡤᡳᠰᡠᠨ ᡳ
ᠪᡠᠯᡝᡴᡠ
ᠪᡳᡨᡥᡝ ᠈
, chin. Yù zhì Qīng wén jiàn 《御製清文鑑》) mit rund 12.000 Lemmata. Die Aussprache der mandschurischen Einträge ist mit chinesischen Zeichen angegeben. 1771 erschien der Erweiterte und revidierte mandschurische Wörterspiegel (《增訂清文鑑》) mit 18.671 Lemmata, denen jeweils eine Übersetzung ins Chinesische beigefügt ist. Die Aussprache des Chinesischen ist auf Mandschurisch angegeben. 1779 erschien der Dreisprachige Wörterspiegel (《三體清文鑑》) mit etwa 13.000 Lemmata auf Mandschurisch, Chinesisch und Mongolisch. Den Einträgen aller drei Sprachen sind Ausspracheangaben beigefügt. Um 1794 erschien der Viersprachige Wörterspiegel (《四體清文鑑》) mit rund 18.671 Lemmata auf Mandschurisch, Chinesisch, Mongolisch und Tibetisch. Den Einträgen sind aber keine phonetischen Transkriptionen beigefügt. Um 1794 entstand auch der Fünfsprachige Wörterspiegel (《五體清文鍵》) mit etwa 18.671 Lemmata auf Mandschurisch, Chinesisch, Mongolisch, Tibetisch und Tschagataiisch. Die tibetischen Übersetzungen sind auch ins Mandschurische transliteriert und transkribiert, die tschagataiischen sind ins Mandschurische umgeschrieben.

Für das Studium der Qing-Dynastie sind Kenntnisse des Mandschurischen eine wesentliche Voraussetzung. Dennoch lernen heute nur wenige Sinologen Mandschurisch.

Modernes China

Zunächst ist die Sprache der Xibe-Minderheit in Xinjiang ein mandschurischer Dialekt, der dem klassischen Mandschurisch sehr nahesteht und ihm daher unter dieser Prämisse zugerechnet werden kann.

In der Provinz Liaoning gibt es seit den 80er oder zumindest 90er Jahren an manchen Schulen bestimmter Orte einen freiwilligen Mandschurisch-Unterricht für Kinder und Jugendliche der unteren und höheren Mittelstufe. Dies gilt auch für mehrere autonome Kreise der Mandschu, zum Beispiel im autonomen Kreis Xinbin (新賓滿族自治縣 / 新宾满族自治县) im Verwaltungsgebiet der Stadt Fushun. Da anfänglich ein Mangel an Lehrkräften bestand, wurden in den 80er Jahren in Nordost-China (Liaoning, Jilin, Heilongjiang) Lehrerseminare zur Ausbildung von Mandschurisch-Lehrern veranstaltet. Diese Bemühungen ermöglichen es heute vielerorts, Unterricht in Mandschu erhalten zu können, was mit einer begrenzten Renaissance des mandschurischen Traditionsbewusstseins einhergeht und auch von manch lokalen Stellen unterstützt wird, zum Beispiel von der Kreisregierung in Xinbin. Zwar ist damit nicht automatisch verbunden, dass Mandschu wieder zu einer im Alltag gebrauchten Sprache wird, kann aber durchaus dazu führen, dass die Kenntnis der mandschurischen Sprache und Schrift über den kleinen Kreis der Mandschu hinaus lebendig bleibt.

In den letzten 20-25 Jahren wurden zudem eine Fülle wissenschaftlicher Werke, darunter Mandschurisch-Wörterbücher, Lexika, Grammatiken, Lehrbücher für gesprochenes Mandschurisch usw. verfasst und herausgegeben. Dazu erscheint in Harbin die Fachzeitschrift „Mandschurisch-Studien“ (滿語研究 / 满语研究), die sich ausschließlich mit den mandschu-tungusischen Sprachen und der mandschurischen Schrift beschäftigt.

Die Situation des gesprochenen Mandschurisch (ohne Xibe) kann man durch die Übersetzung zweier Stellen aus der Einleitung des Buches Xiandai Manyu babai ju wiedergeben:

„Im ganzen Land [gemeint ist China] konzentrieren sich, abgesehen von einzelnen Menschen hohen Alters in den Provinzen Liaoning und Jilin, die noch etwas einfaches Mandschurisch sprechen können, die Mandschurisch sprechenden Mandschu hauptsächlich im Norden der Provinz Heilongjiang im Einzugsgebiet des Heilong Jiang [Amur] und im Südwesten [der Provinz Heilongjiang] im Einzugsgebiet des Nen Jiang [Nonni].“

S. 2

„Nach seinen Besonderheiten kann es [das heutige gesprochene Mandschurische] grob in drei Dialekte […] unterteilt werden: das Mandschurisch in Sanjiazi im Kreis Fuyu (富裕縣三家子 / 富裕县三家子), das Mandschurisch in Dawujiazi in der Stadt Heihe (黑河市大五家子) und das Mandschurisch in Daxingcun im Kreis Tailai (泰來縣大興村 / 泰来县大兴村).“

S. 3

Dies ist zwar inzwischen nicht mehr aktuell und viele der alten Leute, die in den 80er und 90er Jahren noch Mandschurisch sprachen, dürften inzwischen verstorben sein; das starke wissenschaftliche Interesse zusammen mit den regelmäßigen Besuchen von Ethnologen, Linguisten und Erzählforschern dürfte aber auch dazu geführt haben, dass in diesen drei Dörfern die jüngeren Generationen (also die Menschen unter 70) wieder Interesse am Sprechen des Mandschurischen gewonnen haben, so wie viele Mandschu in anderen Siedlungsgebieten der Mandschu auch.

Literatur

  • Oliver Corff (Hrsg.): Erich Hauer: Handwörterbuch der Mandschusprache. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Harrassowitz, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05528-4.
  • Ji Yonghai 季永海, Zhao Zhizhong 赵志忠 und Bai Liyuan 白立元: 现代满语八百句 Xiandai Manyu babai ju (= Achthundert Sätze modernes Mandschurisch). Beijing 北京 1989. Verlag des Zentralen Nationalitäten-Instituts 中央民族学院出版社 (heute: Verlag der Zentralen Nationalitäten-Universität).
  • Wang, Qingfeng 王庆丰: 满语研究 Manyu yanjiu (= Forschungen zur mandschurischen Sprache). Beijing 北京 2005. Nationalitäten-Verlag 民族出版社. ISBN 7-105-07299-7. 345 S.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carsten Näher: A Note on Vowel Harmony in Manchu. S. 134. In: Proceedings of the First International Conference on Manchu-Tungus Studies, Bonn, August 28-September 1, 2000. Otto Harrassowitz, 2004; S. Robert Ramsey: The Languages of China. Princeton University Press, 1987, S. 216; Merrit Ruhlen: A Guide to the World's Languages. Volume I, Classification. Stanford University Press, 1991, S. 128.