Michaelskirche (Waiblingen)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Michaelskirche Waiblingen)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ansicht der Michaelskirche von Süden
Gesamtansicht der Kirche vom Waiblinger Rathaus aus Richtung Nordwesten

Die gotische evangelische Michaelskirche (früher auch Große oder Äußere Kirche genannt) in Waiblingen ist die größte evangelische Kirche der Stadt. Der Name Michaelskirche ist seit ca. 1950 gebräuchlich. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das wesentlich kleinere Nonnenkirchlein.

Der Bau des heutigen Kirchengebäudes wurde vermutlich um 1440 durch Hans von Landau begonnen. Ein genaues Datum über den Baubeginn kann nicht genannt werden. Um 1449/50 wurde der Chor fertiggestellt. Danach gab es kriegsbedingt eine Unterbrechung (Städtekrieg zwischen Graf Ulrich V. von Württemberg und der Freien Reichsstadt Esslingen). Um 1462 erfolgte die Errichtung des Turms. Im gleichen Jahr wurde in die 1269 erstmals erwähnte Nikolauskapelle – auch kleine bzw. innere Kirche genannt – eine Prädikatur gestiftet,[1] die dann in der Michaelskirche der 1484 fertiggestellten Steinkanzel zugeordnet wurde. In den 1470er und -80er Jahren wurde nach erneuter Unterbrechung das dreischiffige Langhaus errichtet. In seinen Gewölben sind die Jahreszahlen 1487, 1488 und 149(0) angegeben. Vermutlich in diesem Jahr wurde die Kirche durch Peter von Lahn fertiggestellt.

1990, zum 500-jährigen Jubiläum der Kirche, begann eine Außensanierung des Kirchenschiffs und des Kirchturms. Diese Arbeiten wurden im Jahr 2000 abgeschlossen.

Vorgängerbauten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Jahren 1866, 1910, 1938 und 1978 wurden bei Renovierungsarbeiten bis ins 7. Jahrhundert zurückreichende Reste von insgesamt drei Vorgängerkirchen gefunden.

Im Langhaus, einer dreischiffigen Staffelhalle mit vier Jochen, stand die Kanzel ursprünglich „am mittleren Pfeiler der südlichen Arkadenreihe; bei der Kirchenrenovierung in den Jahren 1866/67 durch Leins wurde sie an den südlichen Chorbogenpfeiler versetzt.“[2] Sie bildete dort das Zentrum des als Querkirche[3] konzipierten Raumes. Vom ursprünglichen Bestand sind nur die Konsole und die Brüstung mit ihren vier Reliefs erhalten. Sie stellen – mit asymmetrischer Ausrichtung zum ehemaligen Hauptaltar im Chor – vier Kirchenväter dar: nach rechts gewendet Augustinus mit der Halbfigur eines Engels als Symbol des Evangelisten Matthäus, dann nach links gewendet Papst Gregor I. mit dem Lukas-Symbol eines Stieres, Ambrosius mit dem Markuslöwen und der Jahreszahl 1484, und zuletzt Hieronymus samt seinem Attribut, dem Löwen, und mit dem Johannesadler.

Charakteristisch ist der um das Jahr 1462 errichtete markante Kirchturm mit einer Gesamthöhe von 52 Metern. Während der untere Teil einen quadratischen Querschnitt besitzt, ist die Glockenstube achteckig ausgeführt.

Orgelempore mit Prospekt
Blick auf die Orgel

Die heutige Orgel geht auf ein Instrument von Eberhard Friedrich Walcker zurück, das er für die 1876 für die Weltausstellung in Philadelphia baute mit der Hoffnung, es in Amerika gleich verkaufen zu können. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, und so musste er die Orgel wieder nach Deutschland bringen und günstig anbieten. Die Waiblinger Kirchengemeinde griff bei diesem Angebot zu, und so wurde die Orgel nach Waiblingen überführt. Im Jahr 1971 ersetzte die Firma Weigle, Leinfelden-Echterdingen, das Innenwerk unter Einbeziehung des historischen Prospekts (51 Register, drei Manuale und Pedal). Im Jahre 2009 wurde die Orgel durch Orgelbau Mühleisen umgebaut und die Disposition auf 55 Register erweitert.[4] Das neugotische Orgelgehäuse aus dem Jahr 1876 mit Spitzbögen, Vierpässen, Kreuzblumen und Fialen blieb erhalten. Vor die Seitenteile von Schwellwerk und Kleinpedal wurde ein schlichter Seitenprospekt für das neue Register Violon 16′ aufgestellt. Die Spiel- und Registertrakturen sind elektrisch, der Spieltisch ist seitlich auf der Empore aufgestellt. Eine Besonderheit ist die Manualkoppel II/III, mit der das zweite Manualwerk auf das dritte Manual gekoppelt werden kann. Die Disposition lautet wie folgt:[5]

I Hauptwerk C–g3
01. Quintade 16′
02. Principal 08′
03. Spitzflöte 08′
04. Octave 04′
05. Hohlflöte 04′
06. Quinte 0223
07. Octave 02′
08. Groß Mixtur 0223
09. Klein Mixtur 0113
10. Cornett III–V 0
11. Trompete 08′
12. Clairon 04′
Tremulant
II Oberwerk C–g3
13. Suavial 8′
14. Gedeckt 8′
15. Quintade 8′
16. Principal 4′
17. Rohrflöte 4′
18. Quinte 223
19. Octave 2′
20. Blockflöte 2′
21. Terz 135
22. Spitzquinte 113
23. Scharf IV–V 0 1′
24. Cromorne 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–g3
25. Bourdon 16′
26. Principal 08′
27. Flûte majeure 08′
28. Salicional 08′
29. Voix céleste 08′
30. Octave 04′
31. Nachthorn 04′
32. Nasard 0223
33. Waldflöte 02′
34. Terzflöte 0135
35. Septime 0117
36. Sifflöte 01′
37. Fourniture V–VI 02′
38. Hautbois 08′
39. Bombarde 16′
40. Trompette harmonique 0 08′
41. Clairon 04′
Tremulant
Pedalwerk C–f1
42. Principalbass 0 16′
43. Violon 16′
44. Subbass 16′
45. Zartbass 16′
46. Quinte 1023
47. Octavbass 08′
48. Violon 08′
49. Gemsbass 08′
50. Octave 04′
51. Basszink IV 0513
52. Hintersatz IV 04′
53. Posaune 16′
54. Trompete 08′
55. Klarine 04′
Tremulant

Im Turm hängen 5 Glocken mit folgenden Nominalen:

Nr.
 
Name
 
Bild
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Schlagton
 
Inschrift
 
Anmerkung
 
1 Große Glocke 1895 Heinrich Kurtz,
Stuttgart
1370 1350 cis1 Ehre sei Gott in der Höhe ursprünglich Nominal d1, umgearbeitet 1952.
Gestiftet 1895 von wohlhabenden Bürgern der Stadt Waiblingen
2 Gebetsglocke 1950 Gebrüder Bachert,
Bad Friedrichshall-Kochendorf
1180 1300 e1 Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir
3 Zeichenglocke 1950 Gebrüder Bachert,
Bad Friedrichshall-Kochendorf
835 1160 fis1 O Land, Land, höre des Herrn Wort
4 Gefallenenglocke 1950 Gebrüder Bachert,
Bad Friedrichshall-Kochendorf
495 965 a1 Ich bin die Auferstehung und das Leben
5 Taufglocke 1677 Timotheus Hartz,
Heidelberg
710 260 h1 Bis ca. 1950 auf dem Turm der Nikolauskirche

Literaturnachweis

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Evangelische Kirchengemeinde Waiblingen: ein halbes Jahrtausend Michaelskirche in Waiblingen, 1490–1990, 1991
Commons: Michaelskirche, Waiblingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Matthias Figel: Der reformatorische Predigtgottesdienst. Eine liturgiegeschichtliche Untersuchung zu den Ursprüngen und Anfängen des evangelischen Gottesdienstes in Württemberg. Epfendorf/Neckar 2013, S. 189–195 (Liste: Die Prädikaturen in Württemberg vor der Reformation)
  2. Karl Halbauer: Predigstül – Die spätgotischen Kanzeln im württembergischen Neckargebiet bis zur Einführung der Reformation; in der Reihe: Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen, Band 132; Stuttgart 1997, S. 322–331
  3. Ulrich Zimmermann: Die Predigtkirche und die Querkirche – Protestantischer Kirchenbau in Württemberg. Eine Studie zur Geschichte und Theologie des Kirchenraums und zur Entstehung zweier Kirchenbautypen; Neulingen 2023, S. 81, 235, 327 – ISBN 978-3-949763-29-8.
  4. Umfassende Informationen zur Renovierung der Orgel (Memento vom 16. August 2016 im Internet Archive) auf der Website der Orgelbaufirma, abgerufen am 3. Januar 2017.
  5. Zur Disposition (Memento vom 16. August 2016 im Internet Archive), abgerufen am 3. Januar 2017.

Koordinaten: 48° 49′ 49,3″ N, 9° 19′ 2,6″ O