Nebahat Güçlü

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Nebahat Güçlü (* 10. September 1965 in Kayseri, Türkei) ist eine deutsche Politikerin (parteilos, ehemals Bündnis 90/Die Grünen Hamburg)[1] und seit März 2015 Mitglied der 21. Hamburgischen Bürgerschaft.[2]

Leben

Nebahat Güçlü kam mit vier Jahren nach Hamburg. Sie studierte Germanistik und Politikwissenschaft. Sie ist geschieden und hat eine Tochter. Sie ist seit ihrer Einbürgerung im Januar 1995 deutsche Staatsbürgerin.

Sie war viele Jahre als Projektleiterin bei der Internationalen Frauenbegegnungsstätte INCI e. V. in Hamburg tätig. Von 2000 bis 2010 war sie Geschäftsführerin der Interkulturellen Begegnungsstätte (IKB) e. V. Zudem engagierte sie sich in verschiedenen Beiräten und Vorständen von Stiftungen, Gewerkschaften, Frauenverbänden und Migrantenvereinen.

Sie saß von März 2004 bis April 2010 für die Grünen in der Bürgerschaft Hamburgs. In der Fraktion war sie Fachsprecherin für Migration, Flüchtlinge und Ausländer. Am 29. Mai 2008 wurde sie zur Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft gewählt. Am 15. April 2010 legte sie ihr Mandat aus persönlichen Gründen nieder und trat damit auch als Vizepräsidentin zurück.[3]

Seit Dezember 2012 ist Güçlü Vorsitzende der "Türkischen Gemeinde Hamburg und Umgebung".[4]

Bei der Bürgerschaftswahl 2015 errang Güçlü mit 5.536 Personenstimmen einen Sitz in der Hamburgischen Bürgerschaft über die Landesliste der Grünen.[2] Die grüne Bürgerschaftsfraktion konstituierte sich ohne Güçlü,[5] am 1. April 2015 erklärte sie ihren Austritt aus der Partei. Sie sitzt fortan als fraktions- und parteilose Abgeordnete in der Bürgerschaft.[1]

Kritik

Güçlü warf 2005 der islamkritischen Soziologin und Autorin Necla Kelek „Übertreibung“ vor, denn Ehrenmorde hätten [nichts] mit der türkisch-islamischen Identität zu tun“. Kelek habe nur „eine Marktlücke entdeckt und will Geld rausschlagen.“ Anlässlich eines „Ehrenmordes“ in Hamburg im Mai 2008 stellte Kelek in einem Kommentar im Hamburger Abendblatt fest: „Heute redet sie ganz anders und tut so, als hätte sie bereits 2005 das Thema entdeckt, und tritt als Retterin der Zwangsverheirateten auf“.[6] Allerdings übersehe Kelek in ihrer Kritik, dass sich Güçlü zum Beispiel am 2. April 2005 in einem Namensbeitrag für das Hamburger Abendblatt unter dem Titel „Zwangsheirat ächten!“ die Verharmlosung von „Gewalt gegen Frauen, Zwangsheirat und Ehrenmorde“ anprangerte und verbesserten Schutz der Betroffenen einforderte.[7] Zuvor hatte sie bereits am 24. März 2005 zu diesem Thema eine Kleine Anfrage an den Hamburger Senat[8] und im Juni 2005 einen entsprechenden Antrag in der Bürgerschaft gestellt.[9]

Am 18. Januar 2015 trat Güçlü als Rednerin bei einer Veranstaltung der Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF) in Hamburg auf. Der Verein steht den Grauen Wölfen nahe und wird seit 2004 im Verfassungsschutzbericht wegen Ausländerextremismus gelistet.[10] Laut eigener Aussage war Güçlü nicht bewusst, wer hinter der ADÜTDF stehe, zumal die Einladung nur mündlich erfolgt sei.[11] Trotz Kritik von Vereinen und der Parteiführung weigerte sich Güçlü, ihre Kandidatur auf Platz 25 der Landesliste zur Bürgerschaftswahl 2015 zurückzuziehen. Daraufhin leitete der Landesvorstand der Grünen Hamburg ein Parteiausschlussverfahren gegen sie ein, das vor dem Landesschiedsgericht entschieden wurde.[12] Es entschied Ende März gegen ihren Ausschluss.[13]

Ende März 2015 kündigte der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband in Hamburg Güçlüs Arbeitsplatz als Referentin für Migration zu Ende April ohne Angabe von Gründen. Güçlü war bei dem Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege seit Juni 2011 in der Beratung und Unterstützung von Migrantenselbstorganisationen tätig gewesen. Gegen die Entscheidung will die Betroffene Kündigungsschutzklage einreichen.[14]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Güçlü verlässt die Grünen. ndr, 1. April 2015, abgerufen am 1. April 2015.
  2. a b Vorläufiges Ergebnis der Bürgerschaftswahl 2015: Gewählte Kandidatinnen und Kandidaten auf den Seiten des Statistikamtes Nord, abgerufen am 17. Februar 2015
  3. Nebahat Güçlü legt ihr Mandat nieder. (Memento vom 23. April 2010 im Internet Archive), Pressemitteilung der GAL-Bürgerschaftsfraktion vom 15. April 2010.
  4. Pressemitteilung der Türkischen Gemeinde Hamburg und Umgebung e.V. vom 4. Dezember 2012, abgerufen am 26. Januar 2015
  5. Peter Ulrich Meyer: Grünen-Politikerin Güclü bleibt vorerst fraktionslos. Hamburger Abendblatt, 24. März 2015, abgerufen am 27. März 2015.
  6. Necla Kelek: "Ehrenmörder" dürfen sich nicht hinter dem Islam verstecken. In: Hamburger Abendblatt. 20. Mai 2008.
  7. Nebahat Güçlü: Zwangsheirat ächten! In: Hamburger Abendblatt. 2. April 2005.
  8. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 18. Wahlperiode: Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (GAL) vom 24.03.05 und Antwort des Senats. Betr.: Zwangsheirat und Ehrenmorde ächten, Drucksache 18/1991 vom 1. April 2005
  9. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 18. Wahlperiode: Antrag der Abgeordneten Nebahat Güçlü, Dr. Verena Lappe, Antje Möller, Katja Husen, Martina Gregersen, Christa Goetsch (GAL) und Fraktion. Betr.: Gewalt gegen Frauen nachhaltig bekämpfen: Zwangsheirat ächten – Zwangsehen verhindern. Drucksache 18/2414 vom 8. Juni 2005.
  10. Broschüre "Türken und Deutsche in Hamburg: Gemeinsam für die Demokratie!", Landesamt für Verfassungsschutz, April 2005 (Link)
  11. Christoph Twickel: Unter Wölfen, in: Die Zeit Hamburg vom 26. Februar 2015, S. H5.
  12. Artikel im Hamburger Abendblatt vom 26. Januar 2015, abgerufen am 26. Januar 2015
  13. dpa: Kein Rausschmiss von Nebahat Güclü. taz, 21. März 2015, abgerufen am 22. März 2015.
  14. „Güçlü fliegt doch raus“, taz-Nord, 31. März 2015