Orgeln der Der Aa-kerk (Groningen)

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Orgeln der Der Aa-kerk (Groningen)
Allgemeines
Ort Der Aa-Kerk (Groningen)
Orgelerbauer Arp Schnitger
Baujahr 1702
Epoche Barock
Orgellandschaft Niederlande
Technische Daten
Anzahl der Register 40
Anzahl der Pfeifenreihen 51
Anzahl der Manuale 3

Die Orgeln der Der Aa-Kerk (Groningen) sind die „Bolswarder“ Orgel im südlichen Querschiff und die große Schnitgerorgel auf der Westempore. Letztere wurde von Arp Schnitger 1702 gebaut und im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut. Sie verfügt heute über 40 Register auf drei Manualen und Pedal und ist ein Klangdenkmal von europäischer Bedeutung.

Vorgängerorgeln

Schnitgers Entwurfszeichnung für die Orgel der Groninger Academiekerk

Die Der Aa-Kerk im niederländischen Groningen erhielt in der Spätgotik ihre heutige Kreuzform und wurde nach dem benachbarten Fluss Aa benannt.

Um 1470 wurde in der Ostwand des südlichen Transepts eine Orgel gebaut, die 1558 von Andreas de Mare umgebaut wurde. 1654 wurde Theodorus Faber mit einem Neubau beauftragt, konnte diesen aber aufgrund seines Todes 1659 nicht vollenden, ebenso wenig wie ein späterer Angehöriger Andreas de Mares mit demselben Namen. Erst Jacobus Galtus Hagerbeer gelang 1667 die Fertigstellung dieses großen Instruments, das mit 40 Registern auf drei Manualen und Pedal ausgestattet war. 1671 fiel das vier Jahre alte Instrument von Hagerbeer einem Brand zum Opfer. 1694–1697 baute Arp Schnitger für die Der Aa-Kerk seine größte Orgel in den Niederlanden, die kostbar ausgestattet war und über 40 Register auf vier Manualen und Pedal besaß. So waren die Prospektpfeifen aus reinem ostindischen Zinn angefertigt und wies die Bassoktave alle Halbtöne auf. Schnitger selbst schreibt über diese Orgel: „Ich habe nichts daran gespart und alles herrlich gemacht; ich habe noch, über den Kontrakt hinaus, 6 Register auf einer besonderen Windlade angebracht und doch an dieser Orgel noch etwas verdient.“[1] Tragischerweise wurde diese Orgel 1710 durch den Einsturz des Turms zerstört. Nur die originale Entwurfszeichnung Schnitgers ist erhalten. Rund 100 Jahre musste die Gemeinde nun auf Orgelbegleitung verzichten.

Schnitgerorgel

Baugeschichte

Spieltisch der Schnitger-Orgel (1992)

Als 1814 die Groninger Academiekerk (Universitätskirche) der katholischen Gemeinde überlassen wurde, gelangte durch eine Schenkung Wilhelms I. deren Orgel an die Der Aa-Kerk. Schnitger hatte sie 1699–1702 gebaut und dabei etliche Register aus der Vorgängerorgel der Academiekerk übernommen. Hendrick Hermann van Loon und Andreas de Mare hatten hier 1679 eine große Orgel mit 32 Registern auf drei Manualen und Pedal vollendet und ihrerseits bereits Material aus einer älteren Orgel übernommen.

1756 fügte Albertus Antonius Hinsz eine Koppel zwischen Hauptwerk und Rückpositiv hinzu und führte 1784 eine Reparatur durch. Der Orgelbauer Johannes Wilhelmus Timpe (Groningen) überführte 1815/16 die Orgel in die Der Aa-Kerk und passte sie den neuen Gegebenheiten an. In diesem Zug wurden auch die klassizistischen Figuren auf den Manualwerken und unterhalb des Pedalturms geschnitzt und das Untergehäuse verbreitert. 1830 baute Timpe das Brustwerk in ein Oberwerk um. Eingreifend wurde das Instrument 1857 durch Petrus van Oeckelen (Groningen) umgebaut und dem Zeitgeschmack angepasst, indem er das Hauptwerk von neun auf 13 Register erweiterte, dem Pedal drei weitere Register hinzufügte und die fehlenden Bastöne Cis und Dis ergänzte. 1919 wurden durch Jan und Klaas Doornbos die sechs Keilbälge durch einen Magazinbalg ersetzt und 1924 ein Schweller für das Oberwerk eingebaut. In den 1930er bis 1950er Jahren wurden einige alte Register durch Doornbos ersetzt (1935, 1939, 1946, 1952).[2]

Restaurierungen

Schnitger-Orgel nach der Restaurierung (2013)
Sicht von unten (1992)

1977 wurde das Orgelinnenwerk ausgelagert, als die Kirchenrestaurierung begann, und 1990 von der Orgelbauwerkstatt Reil (Heede/NL) wieder remontiert und teils restauriert (so Schnitgers Windladen). Klaas Bolt, Harald Vogel und Stef Tuinstra begleiteten diese Arbeiten als Orgelsachverständige.

Die „Stichting Der Aa-kerk Groningen“, die das Gebäude und die Orgel besitzt, beauftragte 1992/93 den Sachverständigen Rudi van Straten mit einem Restaurierungskonzept, das den Zustand von 1858 zum Ausgangspunkt haben, aber einige technische Verbesserungen beinhalten sollte. 1995 wurden diese Pläne geändert und eine technische Wiederherstellung und Konsolidierung beschlossen. Als die Firma Reil 1996/97 die Orgel demontierte und das wertvolle Pfeifenwerk auslagerte, erwies sich das Orgelgehäuse teilweise als instabil. Die Orgelbauwerkstatt reichte einen Antrag ein, eine neue Rückwand anzufertigen und van Oeckelens Windladen im Hauptwerk durch solche zu ersetzen, die wieder ins Gehäuse passen. In diesem Zuge hätten einige Register aus van Oeckelens Erweiterungsumbau aufgegeben werden müssen. Diese Pläne stießen auf Widerstand.[3] Aufgrund der jahrelangen kontroversen Diskussionen, ob der jetzige Klangzustand erhalten oder auf einen bestimmten Zustand hin (1815 oder 1858 oder 1996) restauriert werden soll, wurden die Arbeiten unterbrochen.[4]

Der jahrelange Streit wurde im Jahr 2002 gerichtlich zugunsten der Bewahrung des gegenwärtigen Zustands entschieden. Reil führte in den Jahren 1998 bis 2011 technische Wartungsarbeiten und eine konservierende Konsolidierung durch, ohne in die erhaltene Substanz einzugreifen. Die Orgel wurde komplett gereinigt, kleinere Reparaturen ausgeführt und die 1857 von Van Oeckelen beseitigte Rückwand des Hauptwerk-Gehäuses mit Verstrebungen wieder verstärkt. Reil schuf einen neuen, aufliegenden Tremulanten nach dem Vorbild von Timpe und setzte die Basspfeifen des Bourdon wieder ein. Einige Pfeifen der Register Scherp und Sifflet im Rückpositiv aus dem Jahr 1952 wurden ersetzt und der Schwellkasten aus dem Jahr 1924 entfernt. Als einziges Register rekonstruierte Reil die Pedal-Posaune nach Schnitger-Vorbildern, da die Becher von Doornbos nur die halbe Länge aufwiesen und das Register klanglich nicht befriedigte.[5] Am 14. Oktober 2011 wurde das Instrument wieder in Gebrauch genommen.

Die Wiederingebrauchnahme der Orgel fand am 14. Oktober 2011 statt. Orgelkonzerte, Ausstellungen, ein Symposium und der Publikation einer Festschrift unterstrichen die besondere Bedeutung dieses Instruments.[3]

Bedeutung

Die Orgel ist eines der niederländischen Rijksmonumente. Sie gilt als eine der bedeutendsten Barockorgeln Nordeuropas und übt mit ihren alten Registern und der Akustik der gotischen Kirche eine ungebrochene Faszination auf Orgelkenner weltweit aus. Gerühmt werden die vokalen Prinzipale mit ihrer feinen Ansprache, die farbigen Flöten und die grundtönigen Zungenregister, die die unterschiedlichsten Klangkombinationen ermöglichen. Über die Hälfte der Register stammt noch von Schnitger oder geht auf die Vorgängerorgel von de Mare zurück. Durch die verschiedenen Umbauten weist die Orgel einen gewachsenen Zustand mit Elementen aus unterschiedlichen Epochen auf.

Neben der Orgel der Martinikerk hat Schnitger auch noch Orgeln in der Groninger Lutherse Kerk und der Pelster-Gasthuiskerk gebaut, sodass die Stadt einst vier Schnitger-Orgeln besaß. Abgesehen von dem Instrument in der Lutherse Kerk sind die drei anderen Orgeln noch erhalten.

Disposition seit 1990

Die Orgel weist gegenwärtig folgende Disposition auf:

I Rückpositiv C–c3
Praestant 8′ S
Quintadena 16′ S
Gedekt 8′ S
Octaaf 4′ M
Roerfluit 4′ M
Gemshoorn 2′ S
Sifflet 11/3 M/T/R
Scherp IV–V S/T/R
Trompet 8′ T
Dulciaan 8′ M/S
II Hauptwerk C–c3
Praestant 16′ M/S
Bourdon 16′ O
Octaaf 8′ M
Salicionaal 8′ O
Holpijp 8′ M
Octaaf 4′ M
Nachthoorn 4′ O
Nasard 22/3 D
Octaaf 2′ M/S
Cornet V D O
Mixtuur III–IV O/D
Trompet 16′ O
Trompet 8′ S
III Oberwerk C–c3
Praestant 8′ T/S
Viola di Gamba 8′ T
Holfluit 8′ T
Octaaf 4′ T/S
Fluit 4′ T
Fluit 2′ T
Flageolet 1′ D
Clarinet 8′ T/O
Tremulant
Pedal C–d1
Praestant 8′ S
Bourdon 16′ M
Subbas 16′ O
Quint 102/3 O
Holpijp 8′ O/D
Octaaf 4′ M
Mixtuur vakant
Bazuin 16′ R
Trompet 8′ S
Trompet 4′ S
Cornet 2′ vakant
M = Andreas de Mare/Hendrick Hermann van Loon (1679)
S = Arp Schnitger (1699–1702)
T = Johann Wilhelm Timpe (1830)
O = Petrus van Oeckelen (1857)
D = Jan und Klaas Doornbos (1919–1946)
R = Gebr. Reil (1990/2011)

Technische Daten

  • 40 Register, 3 Manuale und Pedal
  • Traktur:
    • Tontraktur: Mechanisch
    • Registertraktur: Mechanisch
  • Windversorgung:
    • Winddruck: 76 mmWS
  • Stimmung:

Bolswarder Orgel

„Bolswarder“ Orgel

Neben der Schnitgerorgel hat die Der Aa-Kirche noch eine weitere Orgel, die aber nicht in Betrieb ist; das Pfeifeninnenwerk fehlt. Die „Bolswarder“ Orgel wurde um 1550 wahrscheinlich von Hermann Raphael Rodensteen für die Martinikerk von Bolsward gebaut und um 1635 in die Broerekerk desselben Ortes überführt und in diesem Zug stark erweitert. Als die Kirche 1877 profaniert wurde, kam das Orgelgehäuse wieder in die Martinikerk. Der Verbleib des Pfeifenwerks ist jedoch unklar. Als die Kirche Mitte des 20. Jahrhunderts renoviert wurde, verkaufte man die Orgel an die Hervormde Gemeinde in Groningen, wo sie in der Martinikerk aufgebaut werden sollte. Als die Der Aa-Kerk restauriert wurde, entdeckte man in der Mauer des südlichen Querschiffs Befestigungslöcher, wo im 15. Jh. eine kleine Orgel angebracht war. Bei der Suche nach einer passenden Orgel bot sich die „Bolswarder“ Orgel an, die nunmehr seit 1991 ihren Platz in der Der Aa-Kerk einnimmt. Es gibt Pläne, das Instrument auf den Zustand von 1635 zu rekonstruieren.[6]

Literatur

  • Cornelius H. Edskes, Harald Vogel: Arp Schnitger und sein Werk. Hauschild, Bremen 2009, ISBN 978-3-89757-326-0 (Bildband der Arp-Schnitger-Gesellschaft und der Stichting Groningen Orgelland).
  • Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7.
  • Jan R. Luth (Hrsg.): „Wereldberoemde klanken“. Het Schnitgerorgel in de Der Aa-kerk te Groningen en zijn voorgangers. Walburg Pers, Zutphen 2011, ISBN 978-90-5730-775-1 (Nederlandse Orgelmonografieën 11).

Diskografie

Weblinks

Commons: Schnitger-Orgel der Der Aa-kerk (Groningen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Fock: Arp Schnitger, S. 285.
  2. Geschichte der Orgel von Harald Vogel u.a. (englisch), gesehen 27. Februar 2012.
  3. a b orgelnieuws.nl (niederländisch), gesehen 27. Februar 2012.
  4. H.-W. Coordes: Groningen, Der Aa-kerk, gesehen 1. Oktober 2012.
  5. Reformatorisch Dagblad, 8. Oktober 2011: Gerestaureerde orgel Der Aa-kerk klinkt weer als een klok (niederl.), gesehen 10. Oktober 2011.
  6. Transeptorgel der Der Aa-Kerk, gesehen 27. Februar 2012.

Koordinaten: 53° 12′ 58,6″ N, 6° 33′ 43,7″ O