Miesmuscheln

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Miesmuscheln

Gemeine Miesmuschel (Mytilus edulis)

Systematik
Klasse: Muscheln (Bivalvia)
Unterklasse: Autolamellibranchiata
Teilklasse: Pteriomorphia
Ordnung: Mytilida
Überfamilie: Mytiloidea
Familie: Miesmuscheln
Wissenschaftlicher Name
Mytilidae
Rafinesque, 1815

Die Miesmuscheln (Mytilidae) (andere Bezeichnung Pfahlmuscheln) sind nach der aktuellen Systematik der Muscheln eine Familie der Ordnung Mytilida. Diese wird zur Infraklasse Pteriomorphia innerhalb der Autolamellibranchiata gestellt. Es handelt sich um eine hauptsächlich in den Gezeiten- und Schelfbereichen der Meere lebende Muschelgruppe, kleinere Gruppen leben aber auch hoch spezialisiert symbiontisch mit chemoautotrophen Bakterien in der Tiefsee an hydrothermalen Quellen und Methanaustritten am Meeresboden. Die ältesten Miesmuscheln (Mytilidae) sind aus dem Devon bekannt.

Die Gemeine Miesmuschel ist neben der Auster eine der wichtigsten Speisemuscheln.

Die Gehäuse der Mytilidae sind immer gleichklappig. Die Form der Gehäuse war ursprünglich wohl oval, ist in den meisten Gruppen jedoch charakteristischerweise stark verlängert, und der Wirbel ist nach vorne verlagert. Die Schale besteht aus einer inneren Lage mit aragonitisch, perlmuttrigen Mikrostrukturen, einer mittleren Lage mit kalzitischen, prismatischen Mikrostrukturen und einer äußeren organischen Lage (Periostracum), die bei manchen Formen bartartig verlängert ist. Das Schloss ist weitgehend reduziert, das Ligament liegt außen und hinter dem Wirbel. Alle Vertreter sind durch die Verkleinerung des vorderen Schließmuskels meist mehr oder weniger deutlich anisomyar (= Schließmuskeln sind nicht gleichförmig). Die meisten Formen besitzen einen Byssus.

Geographische Verbreitung und Lebensweise

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Die Mytilidae leben mehrheitlich in den Gezeitenbereichen der heutigen Meere oder in den Bereichen, die meerwärts an den Gezeitenbereich anschließen (flaches und tieferes Subtidal). Sie sind meist an das Substrat mit Hilfe des organischen Byssus angeheftet und können Kolonien bilden. Andere leben halb oder ganz eingegraben im Sediment oder sind sekundär bohrend geworden (Lithophaga). Arten der Unterfamilie Bathymodiolinae sind in die Tiefsee vorgedrungen und leben in Symbiose mit chemosynthetischen Bakterien an hydrothermalen Quellen und Cold Seeps (z. B. Methanquellen). Wiederum andere Formen leben auf Walstürzen[1] oder abgesunkenen, größeren Baumstämmen im tieferen Wasser oder der Tiefsee. Manche Arten von Miesmuscheln können sehr alt werden. So ist für Crenomytilus grayanus ein Alter bis zu 126 Jahren nachgewiesen worden.[2]

Vorbild in der Bionik

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Im Lebensbereich der Miesmuscheln herrscht in der Regel eine starke Strömung. Um in diesen Regionen überleben zu können und nicht ins Meer hinausgespült zu werden, besitzen Miesmuscheln eine Art „Superkleber“. Mithilfe dieses Klebers kann die Muschel sich beinahe an allen Oberflächen festkleben. An ihrem Fuß scheidet sie Fäden aus, die aus einem Proteinkleber bestehen. Der wichtigste Bestandteil dieses Proteinklebers ist die Aminosäure 3,4-Dihydroxyphenylalanin, kurz „Dopa“.[3] Unter den im Wasser herrschenden Bedingungen reagieren die Dopa-Gruppen in mehreren Schritten zu einer Polymermatrix, einem stark vernetzten System aus Makromolekülen. Mit Hilfe dieses Systems und des chemischen Aufbaus dieser Polymermatrix können Miesmuscheln sehr stabile Verbindungen knüpfen. Ein solcher Kleber ist für die Forschung deshalb interessant, weil er in feuchten Regionen sehr gut klebt und deshalb auch z. B. unter Wasser eingesetzt werden kann, aber auch aufgrund seiner Eigenschaft, organische Stoffe mit anorganischen zu verbinden, was man sich z. B. in der Dentalmedizin oder der Chirurgie zunutze machen könnte.[4][5][6]

Derzeit gibt es vier neuere in Details konkurrierende Systeme der Überfamilie Mytiloidea: Bieler & Mikkelsen (2006), Bouchet & Rocroi (2011), Carter (2011) und das System im World Register of Marine Species. Seither sind noch einige wissenschaftliche Arbeiten über einzelne Unterfamilien hinzugekommen.

Nach dem System von Bieler & Mikkelsen (2006) sind die Mytilidae die einzige Familie der Überfamilie Mytiloidea, die wiederum die einzige Überfamilie innerhalb der Ordnung Mytilida ist. Bouchet & Rocroi (2011) und das World Register of Marine Species[7] folgen im Wesentlichen diesem System. Die einzige Familie wird in mehrere Unterfamilien unterteilt. Dagegen unterteilen Carter et al. (2011) die Überfamilie Mytiloidea in drei Familien: Crenellidae, Mytilidae und Septiferidae. Crenellidae und Septiferidae sind im System von Bouchet & Rocroi Unterfamilien der Familie Mytilidae. Das System der Mytilidae ist noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Daher sind die meisten Gattungen bisher noch keiner Unterfamilie zugeordnet worden. Auch in der Bewertung einiger Taxa (Gültigkeit und/oder hierarchische Ebene) herrscht noch Uneinigkeit. Daher werden sich in naher Zukunft sicher zahlreiche Änderungen im System ergeben. Auch die ausschließlich fossilen Gattungen sind noch nicht vollständig erfasst.

  • Michael Amler, Rudolf Fischer & Nicole Rogalla: Muscheln. Haeckel-Bücherei, Band 5. Enke Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-13-118391-8.
  • Philippe Bouchet & Jean-Pierre Rocroi Rüdiger Bieler Joseph G. Carter Eugene V. Coan: Nomenclator of Bivalve Families with a Classification of Bivalve Families. Malacologia, 52(2): 1-184, 2010 doi:10.4002/040.052.0201
  • Rüdiger Bieler & Paula M. Mikkelsen: Bivalvia - a look at the Branches. Zoological Journal of the Linnean Society, 148: 223-235, London 2006.
  • Joseph G. Carter, Cristian R. Altaba, Laurie C. Anderson, Rafael Araujo, Alexander S. Biakov, Arthur E. Bogan, David C. Campbell, Matthew Campbell, Chen Jin-hua, John C. W. Cope, Graciela Delvene, Henk H. Dijkstra, Fang Zong-jie, Ronald N. Gardner, Vera A. Gavrilova, Irina A. Goncharova, Peter J. Harries, Joseph H. Hartman, Michael Hautmann, Walter R. Hoeh, Jorgen Hylleberg, Jiang Bao-yu, Paul Johnston, Lisa Kirkendale, Karl Kleemann, Jens Koppka, Jiří Kříž, Deusana Machado, Nikolaus Malchus, Ana Márquez-Aliaga, Jean-Pierre Masse, Christopher A. McRoberts, Peter U. Middelfart, Simon Mitchell, Lidiya A. Nevesskaja, Sacit Özer, John Pojeta, Jr., Inga V. Polubotko, Jose Maria Pons, Sergey Popov, Teresa Sánchez, André F. Sartori, Robert W. Scott, Irina I. Sey, Javier H. Signorelli, Vladimir V. Silantiev, Peter W. Skelton, Thomas Steuber, J. Bruce Waterhouse, G. Lynn Wingard, Thomas Yancey: A Synoptical Classification of the Bivalvia (Mollusca). Kansas University Paleontological Contributions, 4: 1-47, Lawrence, Kansas, USA 2011, ISSN 1946-0279 PDF

Einzelnachweise

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  1. Y. Fujiwara, M. Kawato, T. Yamamoto et al. (2007): Three-year investigations into sperm whale-fall ecosystems in Japan. Marine Ecology, Vol. 28, Iss. 1, March 2007, p 219-232 doi:10.1111/j.1439-0485.2007.00150.x
  2. N. I. Selin, P. A. Dulenina: The Growth and Lifespan of the Mussel Crenomytilus grayanus (Bivalvia: Mytilidae) in the Tatar Strait (Sea of Japan) in Connection with the Conditions of Life at the Northern Border of the Species Range. Russian Journal of Marine Biology, 38 (4): 318–324, 2012 doi:10.1134/S1063074012040074
  3. Klebende Muschelproteine haften weitgehend unabhängig von der Anzahl ihre bindenden Bestandteile. Möglichkeit neuartiger Klebstoffe. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 4. November 2008.
  4. Scinexx.de: Klebstoff von der Miesmuschel abgeschaut. Fraunhofer-Gesellschaft, 22. Oktober 2007.
  5. Ingo Lackerbauer: Bionische Superkleber. (Memento vom 29. Dezember 2015 im Internet Archive) 24. Dezember 2014.
  6. Kongchang Wei, Berna Senturk, Martin T. Matter, Xi Wu, Inge K. Herrmann, Markus Rottmar, Claudio Toncelli: Mussel-Inspired Injectable Hydrogel Adhesive Formed under Mild Conditions Features Near-Native Tissue Properties. American Chemical Society (ACS) Applied Materials & Interfaces 11(51): 47707-47719, 2019 doi:10.1021/acsami.9b16465
  7. World Register of Marine Species: Mytilidae
  8. Konstantin A. Lutaenko: Bivalve mollusks in Ulsan Bay (Korea). Korean Journal of Malacology, 30(1): 57-77, 2014 PDF
  9. a b c Justine Thubaut, Nicolas Puillandre, Baptiste Faure, Corinne Cruaud, Sarah Samadi: The contrasted evolutionary fates of deep-sea chemosynthetic mussels (Bivalvia, Bathymodiolinae). Ecology and Evolution, 3(14): 4748–4766, 2013doi:10.1002/ece3.749
  10. a b c d e f Berenice Trovant, J.M. (Lobo) Orensanz, Daniel E. Ruzzante, Wolfgang Stotz, Néstor G. Basso: Scorched mussels (Bivalvia: Mytilidae: Brachidontinae) from the temperate coasts of South America: Phylogenetic relationships, trans-Pacific connections and the footprints of Quaternary glaciations. Molecular Phylogenetics and Evolution, 82: 60–74, 2015 doi:10.1016/j.ympev.2014.10.002
  11. a b c Masato Owada, Bert W. Hoeksema: Molecular phylogeny and shell microstructure of Fungiacava eilatensis Goreau et al. 1968, boring into mush-room corals (Scleractinia: Fungiidae), in relation to other mussels (Bivalvia: Mytilidae). Contributions to Zoology, 80 (3) 169-178, 2011 doi:10.1163/18759866-08003001
  12. Brian Mortona, Grete E. Dinesen: The biology and functional morphology of Modiolarca subpicta (Bivalvia: Mytilidae: Musculinae), epizoically symbiotic with Ascidiella aspersa (Urochordata: Ascidiacea), from the Kattegat, northern Jutland, Denmark. Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom, 91(8): 1637-1649, 2010 doi:10.1017/S0025315410001980
  13. World Register of Marine Species: Modiolarca Gray, 1843
  14. Kurt W. Ockelmann, Grete E. Dinesen: Systematic relationship of the genus Adula and its descent from a Mytilus-like ancestor (Bivalvia, Mytilidae, Mytilinae). Steenstrupia, 30 (2): 141–152, 2009 PDF (Memento des Originals vom 23. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/zoologi.snm.ku.dk
  15. a b Richard L. Squires, Louella Saul: New Late Cretaceous Mytilid and Tellinoidean Bivalves from California. The Veliger, 48(3): 121–135 2006 PDF
  16. Bruce R. Wilson: A new generic name for a burrowing mytilid (Mollusca: Bivalvia: Mytilidae). Molluscan Research 26 (2): 89-97, 2006.
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