Pfeilschwanzkrebse

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Pfeilschwanzkrebse

Pfeilschwanzkrebs (als Beifang im Golf von Bengalen gefischt)

Systematik
Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa)
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Kieferklauenträger (Chelicerata)
Klasse: Merostomata
Ordnung: Xiphosura
Familie: Pfeilschwanzkrebse
Wissenschaftlicher Name
Limulidae
Leach, 1819
Arten
Unterseite eines Pfeilschwanzkrebses
Schwimmender Pfeilschwanzkrebs

Die Pfeilschwanzkrebse (Limulidae) (auch Molukkenkrebse, Hufeisenkrebse)[1] bilden die einzige rezente Familie innerhalb der Ordnung der Schwertschwänze (Xiphosura). Die Schwertschwänze sind eine basale Gruppe der Kieferklauenträger, möglicherweise die Schwestergruppe aller (rezent) landlebenden Spinnentiere (alle außer den Asselspinnen). Ihre Stellung innerhalb der ausgestorbenen, nur fossil erhaltenen Gruppen wird weiterhin kontrovers diskutiert. Ihre Vereinigung mit den (ausgestorbenen) Seeskorpionen (Eurypterida) in einem Merostomata genannten Taxon galt jahrzehntelang als die Standardhypothese, wird jedoch heute als unwahrscheinlich betrachtet.

Beschreibung

Der Körper der Xiphosuren ist untergliedert in das hufeisenförmige Prosoma und das kleinere Opisthosoma. Letzteres ist seinerseits untergliedert in Mesosoma aus sieben verschmolzenen Segmenten sowie dem aus drei Segmenten bestehenden Metasoma, das in den namensgebenden spitzen, beweglichen Schwanzstachel endet. Vorder- und Hinterkörper sind durch ein Gelenk verbunden, das im Gegensatz zu den Spinnentieren nicht der Verbindung zwischen Pro- und Opisthosoma entspricht. Das erste und Teile des zweiten Opisthosomasegments sind dem Vorderkörper angegliedert. Die Cuticula ist dick, fest und frei von Kalkeinlagerungen.[2]

Laufen Pfeilschwanzkrebse, so werden die Beine alternierend bewegt. Während des Schwimmens, mit der Ventralseite nach oben, schlagen die Beine synchron. Der Schwanzstachel dient als Hilfe beim Umdrehen, wenn die Tiere auf dem Rücken liegen, sowie als Steuer. Das Prosoma besitzt fünf aus je sechs Segmenten bestehende Beinpaare, die der Fortbewegung dienen. Die ersten vier Paare tragen eine Schere, das fünfte hat basal Borsten. Nur das fünfte Beinpaar besitzt einen blattförmigen Epipodit, der als Flabellum bezeichnet wird. Er dient in erster Linie der Lenkung des Wasserstroms in den Kiemenraum, hat aber wahrscheinlich auch eine sensorische Funktion. Die Scheren des ersten und zweiten Beinpaares der erwachsenen Männchen sind im Vergleich zu jenen der Weibchen vergrößert und dienen als Klammerorgane während der Paarung. Hinter dem fünften Beinpaar befindet sich ein Paar kleiner, beweglicher Anhänge, die Chilaria. Diese gehen vermutlich auf ein weiteres, rückgebildetes Beinpaar zurück; viele fossile Arten besaßen an dieser Stelle ein weiteres Beinpaar. Vor den Beinen befinden sich die dreigliedrigen, klauenartigen Cheliceren, die als Mundwerkzeuge dienen. An den Coxen der Beine befinden sich nach innen gerichtete, gestachelte Endite (Coxalladen), die Nahrungsteile vom Mundvorraum zum Mund befördern. Dieser liegt zwischen den Coxen der Beinpaare und somit in der Mitte der Ventralseite des Vorderkörpers. Der Hinterkörper besteht bei Ansicht von oben aus einer großen, hinten oft bestachelten Rückenplatte, einer kleinen Rückenplatte (Tergum oder Thoracetron), die aus drei verschmolzenen Segmenten besteht und dem Schwanzstachel. Er besitzt sechs Paare plattenförmiger Extremitäten. Die erste davon, Operculum genannt, trägt die paarigen Geschlechtsöffnungen. An den Segmenten drei bis sieben des Opisthosoma befinden sich an den Außenästen der Extremitäten insgesamt fünf Paare Buchkiemen, die aus bis zu 150 dicht übereinander liegenden Lamellen bestehen. Der dreigliedrige Telepodit an diesen Extremitäten dient der Reinigung der Kiemen.[2]

Den zwei oben an den Seiten des Rückenschilds sitzenden Komplex- bzw. Facettenaugen fehlen die Kristallkegel; sie sind somit einfacher gebaut als die der Mandibeltiere (Mandibulata). Mittig auf dem Prosoma liegen dorsal die sogenannten Medianaugen. Sie bestehen aus je einer Linse. Von außen nicht sichtbar liegt unterhalb der Medianaugen ein zweites reduziertes Augenpaar, die Endoparietalaugen. An der Basis der Oberlippe, dicht vor dem Gehirn befindet sich ein drittes Augenpaar. Während jenes bei den Larven noch gut entwickelt ist, verschmilzt es später mit dem Frontalorgan, das wohl den Chemorezeptor darstellt.[2]

Gonaden befinden sich im Prosoma und münden an den verschmolzenen Extremitäten des zweiten Segments des Opisthosoma, dem Genitaloperculum. Spermien der Xiphosuren zählen zu den ursprünglichsten der Arthropoden.[2]

Pfeilschwanzkrebse werden bis zu 85 cm lang. Ihre Färbung reicht von dunkel-rotbraun bis schwarzbraun.[2]

Lebensweise

Normalerweise leben Pfeilschwanzkrebse auf dem Meeresboden, können aber auch mit der Bauchseite nach oben schwimmen. Sie ernähren sich von Muscheln und anderen Weichtieren sowie Aas, das sie im Boden finden und mit der Chelicere oder den Beinen zum Mundvorraum führen. Alle bekannten Arten können sich einrollen und so vor Feinden schützen. Durch wiederholtes Zusammenrollen und Auseinanderklappen können die Tiere sich im weichen Sand eingraben. Zur Paarungszeit kommen sie nahe ans Ufer. Die charakteristischen Fährten von Pfeilschwanzkrebsen sind oft auch fossil leicht identifizierbar, da sich die Endglieder der ersten vier Laufbeinpaare von denen des fünften Beinpaares unterscheiden und zudem meist die Schleifspur des Schwanzstachels zu erkennen ist. Diese Spurenfossilien heißen Kouphichnium.

Verbreitung und Lebensraum

Pfeilschwanzkrebse kommen an den flachen Sandküsten tropischer Meere in Tiefen zwischen 10 und 40 Metern vor. Die Art Limulus polyphemus ist an der amerikanischen Atlantikküste verbreitet. Carcinoscorpoius rotundicauda sowie die beiden Arten Tachypleus gigas und Tachypleus tridentatus leben in Südostasien.

Fortpflanzung und Entwicklung

Die geschlechtsreifen Tiere sammeln sich im Frühsommer im Gezeitenbereich an den flachen Küsten ihrer Heimatmeere, wo sich die Männchen mit Hilfe ihrer entsprechend gestalteten Vorderbeine auf den Weibchen festkrallen. Diese legen ihre 200 bis 1000 Eier in eine flache Sandmulde, wo sie dann besamt und zugedeckt werden.[2]

Die erste freischwimmende Larve der Pfeilschwanzkrebse wird aufgrund ihrer Form als Trilobitenlarve bezeichnet. Sie besitzt bereits alle Segmente, jedoch nur 9 Paar Extremitäten. Die restlichen Beinpaare sowie den Schwanzstachel erhalten sie nach der ersten Larvenhäutung, geschlechtsreif werden die Tiere nach 9 bis 12 Jahren.[2]

Systematik

Die Pfeilschwanzkrebse sind seit dem Ordovizium bekannt und hatte vom Silur bis ins Jura ihre Blütezeit. Rezent ist die Familie nur noch mit vier Arten aus drei Gattungen vertreten.[3]

Fast identische Formen sind aus dem Mesozoikum bekannt, weshalb die Pfeilschwanzkrebse oft als lebende Fossilien bezeichneten werden.[2]

Neben den Pfeilschwanzkrebsen wurden auch die ausgestorbenen Seeskorpione (Eurypterida) häufig zu den Merostomata gestellt.[2] Neuere phylogenetische Analysen, anhand der kladistischen Methodik, lassen diese Position unwahrscheinlich erscheinen. Die meisten gemeinsamen Merkmale der fossilen Formen sind vermutlich Symplesiomorphien (gemeinsame Stammgruppen-Merkmale), die sich aus der aquatischen Lebensweise ergeben haben. Vermutlich waren die Seeskorpione daher tatsächlich näher mit den Spinnentieren verwandt.[4][5][6] Ihre Stellung zu weiteren, allesamt ausgestorbenen Gruppen wie den Chasmataspidida ist nicht völlig geklärt. Zudem existieren im Kambrium wohl zahlreiche Stammgruppenvertreter der Kieferklauenträger mit oberflächlich sehr ähnlich aussehendem Körperbau, deren genaue Verwandtschaft ungeklärt ist; vermutlich würde aber ihre Einbeziehung in die Xiphosura diese paraphyletisch machen. Die ältesten Pfeilschwanzkrebse im engeren Sinne, wie die Gattung Lunataspis[7] stammen damit wohl aus dem Ordovizium. Die Zusammenfassung der basalen Formen in einem Taxon Synziphosurina gilt heute ebenfalls als überholt. Die nähere Verwandtschaft der rezenten Formen, die Familie Limulidae, könnte aus dem Perm stammen.[8] Die rezenten Gattungen haben sich, der Methodik der molekularen Uhr zufolge, vielleicht schon in der frühen Kreide getrennt. Die ostasiatischen Gattungen sind miteinander näher verwandt als jeweils mit der amerikanischen Gattung Limulus.[9]

Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test

In den 1970er-Jahren wurde ein erster in vitro-Test zum Nachweis pyrogener Stoffe entwickelt. Für diesen Test wird dem Pfeilschwanzkrebs sein durch den Sauerstoff-Transporter Hämocyanin blau gefärbtes Blut abgenommen. Das Verfahren dient zum Nachweis von bakteriellen Endotoxinen (Lipopolysacchariden), die nach dem sterilisationsbedingten Zerfall von Bakterien aus den Zellwänden in oder auf dem Medium (Injectabilia, medizinische Geräte) entstehen. Das Blut der Pfeilschwänze "erkennt" Zerfallsstoffe der Bakterien (Endotoxin) und gerinnt bei Kontakt mit diesen zu einem Gel.

Der Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL-Test) misst die Gerinnung eines aus Blutzellen (Amöbozyten) des Pfeilschwanzkrebses gewonnenen Lysates, ausgelöst durch Endotoxin. Nach der Aktivierung der Faktoren C und B durch Lipopolysaccharid aktiviert ein Gerinnungsenzym die Koagulation, welche dann turbidimetrisch oder mit Hilfe einer Farbreaktion bewertet wird.

Teilweise werden Pfeilschwanzkrebse zur Lysatgewinnung getötet, was auf heftige Kritik stößt. Dies insbesondere, weil es möglich und vielerorts üblich ist, die Blutentnahme vorzunehmen, ohne die Tiere zu schädigen (Verluste von 15 % oder weniger).[10][11]

Einzelnachweise

  1. Helmut Mayr: Limulus - Der kleine, schielende Cyclop. Online-Begleitartikel zur Sonderausstellung "Von der Evolution vergessen? - Lebende Fossilien. Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Historische Geologie, Ludwig-Maximilians-Universität München, abgerufen am 6. November 2013.
  2. a b c d e f g h i Wilfried Westheide, Gunde Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-34695-8, S. 498–500.
  3. Kōichi Sekiguchi: Biology of Horseshoe Crabs. Science House, 1988, ISBN 978-4-915572-25-8.
  4. Jeffrey W. Shultz (2007): A phylogenetic analysis of the arachnid orders based on morphological characters. Zoological Journal of the Linnean Society 150: 221–265.
  5. Jason A. Dunlop (2010): Geological history and phylogeny of Chelicerata. Arthropod Structure & Development 39: 124–142. doi:10.1016/j.asd.2010.01.003
  6. Russell J. Garwood & Jason Dunlop (2014): Three-dimensional reconstruction and the phylogeny of extinct chelicerate orders. PeerJ 2:e641. doi:10.7717/peerj.641
  7. D.M. Rudkin, G.A. Young, G.S. Nowlan (2008): The oldest horseshoe crab: a new xiphosurid from Late Ordovician Konservat-Lagerstatten deposits, Manitoba, Canada. Palaeontology 51: 1–9 doi:10.1111/j.1475-4983.2007.00746.x
  8. James C. Lamsdell(2016): Horseshoe crab phylogeny and independent colonizations of fresh water: ecological invasion as a driver for morphological innovation. Palaeontology 59: 181–194. doi:10.1111/pala.12220
  9. Matthias Obst, Søren Faurby, Somchai Bussarawit, Peter Funch (2012): Molecular phylogeny of extant horseshoe crabs (Xiphosura, Limulidae) indicates Paleogene diversification of Asian species. Molecular Phylogenetics and Evolution 62: 21–26. doi:10.1016/j.ympev.2011.08.025
  10. Alexis C. Madrigal: The Blood Harvest. Each year, half a million horseshoe crabs are captured and bled alive to create an unparalleled biomedical technology. The Atlantic, 26. Februar 2014
  11. Nature on PBS Public Broadcasting Service: Crash. A Tale of Two Species. The Benefits of Blue Blood. 10. Juni 2008

Weblinks

Commons: Limulidae – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien