Polyhexanid

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. August 2016 um 17:37 Uhr durch 178.11.186.87 (Diskussion) (→‎Handelsnamen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Strukturformel von Polihexanid
Allgemeines
Name Polyhexanid
Andere Namen
  • Polihexanid (INN)
  • Poly(iminocarbonylimidoyl- iminocarbonylimidoylimino-1,6-hexandiyl)-hydrochlorid
  • Polyhexamethylenbiguanid (PHMB)
CAS-Nummer
Monomer ?
Summenformel der Wiederholeinheit C8H17N5
Molare Masse der Wiederholeinheit 183,25 g·mol−1
ATC-Code

D08AC05

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiseptikum

Wirkmechanismus

unspezifisch; selektive Wirkung gegenüber sauren Lipiden bakterieller Zellmembranen

Eigenschaften
Löslichkeit

löslich in Wasser, Ethanol (96-%ig) und 2-Propanol

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Polyhexanid (PHMB) ist ein Antiseptikum zur Wundbehandlung. In Orthopädie und Unfallchirurgie gilt es als das am häufigsten eingesetzte Präparat.[2] Auch wird es bei schlecht heilenden, chronischen Wunden (z. B. Verbrennungswunden 2. Grades) sowie für Lavagen eingesetzt. In der Anwendung als Antiseptikum konkurriert es mit Substanzen wie Povidon-Iod, Wasserstoffperoxid, Chlorhexidin, Ethacridinlactat und Octenidin. Seit einigen Jahren wird Polyhexanid auch in Wundauflagen zur Dekontamination bei kritisch kolonisierten und infizierten Wunden verwendet.[3]

Allgemeine Verwendung

Polyhexanid ist ferner Bestandteil von Flächendesinfektionsreinigern, Schwimmbadreinigern und Kontaktlinsen-Reinigungsprodukten (beispielsweise in einer Konzentration von 0,0001 – 0,0002 % enthalten). In Kosmetika wird Polyhexanid in zunehmendem Maße als Konservierungsmittel eingesetzt.

Polyhexanid hat ein breites Wirkungsspektrum, u. a. auch gegen den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA). Die Wundheilung wird durch Polyhexanid wenig beeinträchtigt. In der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie ist der Rohstoff Polyhexanid seit 1959 bekannt und eingeführt. Dort findet er Verwendung zur Reinigung und Desinfektion von Brauereianlagen und als Desinfektions- und Antiflockenmittel für Schwimmbadewasser (kein Chlorgeruch).

Medizinische Aspekte

1995 wurde Polyhexanid als Konzentrat zur Zubereitung antiseptischer Wundspüllösungen im Gesundheitsmarkt eingeführt. Haupteinsatzgebiet waren zunächst große chirurgische Wunden. Bald wurden die in der Krankenhausapotheke hergestellten Lösungen auch zur Behandlung von infizierten chronischen Wunden eingesetzt. Polyhexanid zeichnet sich gegenüber anderen mikrobioziden Substanzen durch eine besonders große therapeutische Breite aus. Polyhexanid ist geruchlos, farblos und hypoallergen, brennt nicht in der Wunde und verursacht laut aktueller Literatur keine Wundheilungsstörungen. Polyhexanid schädigt und tötet Bakterien bereits in sehr geringen Konzentrationen, indem es sich an die Zellwand von Bakterien bindet. Daher ist die minimale Hemm-Konzentration (MHK) klein. Für Staphylococcus aureus wird die therapeutische Breite mit 25.000 angegeben (zum Vergleich: PVP-Jod 500, Octenidin 3,2 und Chlorhexidin 0,9). Konzentrationsabhängig schafft Polyhexanid so die Voraussetzung, dass die Wundheilung ermöglicht wird (Beseitigung der bakteriellen Besiedelung). Polyhexanid wird weder bei intakter Haut noch bei Anwendung in Wunden resorbiert.

Im Vergleich zu Octenidin und PVP-Jod ist der Wirkeintritt verzögert, sodass bei erforderlicher schneller Wirkung Polyhexanid zurückhaltend eingesetzt wird.[4]

Indikation

Für folgende Indikationen liegen positive klinische Erfahrungen vor:

  • Hüftendoprothesenimplantation: intraoperative Spülung unmittelbar vor Implantationen bei Verzicht auf perioperative Chemoprophylaxe.
  • Verbrennung II. Grades: feuchte Abdeckung
  • Superinfiziertes Ulcus cruris: feuchte Abdeckung
  • Große Weichteilverletzungen: Débridement, Spülung und feuchte Abdeckung
  • Infizierte Wunden und Weichteilphlegmone: Spül-Saug-Drainage

Auch für eine Behandlung in der Mundhöhle ist das Mittel seit zwei Jahren in Deutschland zugelassen.[5][6][7][8][9]

Unerwünschte Wirkungen

Polyhexanid beschleunigt, wie auch Octenidin, den Zelltod von Knorpelzellen. Es darf deshalb nicht im Innenohr bzw. in Nähe des Trommelfells angewendet werden. Bei Eingriffen an septischem Knorpelgewebe wird dringend empfohlen, auf dafür geeignete Antiseptika auszuweichen – oder notfalls die Einwirkdauer des Präparates auf den Gelenkknorpel auf weniger als 15 Minuten zu beschränken.[2][10] Im Jahr 2011 stufte das Committee for Risk Assessment der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Polyhexamethylenbiguanid (PHMB, Polihexanid) als kanzerogenen Stoff der Stufe 2 (Carc. 2) ein. Ab einer Konzentration von 1 % müssen Polihexanid-haltige Produkte mit „Carc.2“ gekennzeichnet werden und ab einem Gehalt von 0,1 % ein Vermerk im Sicherheitsdatenblatt vorgenommen werden.[11]

Handelsnamen

In alphabetischer Reihenfolge sind dies unter anderem: Decontaman (D), DracoFoam PHMB, DracoWundgel PHMB, Hemosept (D), Lavanid (D), Lavapirox Fluid (D, CH) Lavasept (D, CH), pharmaCUR (D), ProntoCare-Vet (D), Prontoderm (D), ProntoMan (D), Prontomed (D), ProntoLind (D), Prontosan (D, B), Prontovag (D), Rebosan (D), Serasept (D) und Suprasorb X+PHMB (D).

Literatur

  • Gustavo F. De Paula, Germano I. Netto, Luiz Henrique C. Mattoso: Physical and Chemical Characterization of Poly(hexamethylene biguanide) Hydrochloride. In: Polymers. 3, 2011, S. 928–941, doi:10.3390/polym3020928.

Einzelnachweise

  1. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  2. a b Reports from Charite University Hospital & School of Medicine Add New Data to Research in Apoptosis.(Report). In: Medical Devices & Surgical Technology Week. 2012. HighBeam Research. (May 19, 2012). online
  3. A. Kramer, G. Daeschlein, G. Kammerlander, et al.: Konsensusempfehlung zur Auswahl von Wirkstoffen für die Wundantiseptik (2005).
  4. Research from T. Koburger and colleagues provide new insights into biguanides. In: Biotech Week. 2010. HighBeam Research. (May 19, 2012). online
  5. Konsensusempfehlungen zur Auswahl von Wirkstoffen für die Wundantiseptik, A. Kramer, G. Kammerlander, W. Sellmer, T. Eberlein et al., ZfW Juni 2004.
  6. Consensus document: PHMB and its potential contribution to wound management, S. Barret et al., 2010.
  7. Polihexanide: A Safe and Highly Effective Biocide, K.Kaehn, In: Skin Pharmacol Physiol. 2010, 23, 7–16.
  8. Wallhäusers Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung, Thieme Verlag 2008.
  9. Wundmanagement, ein illustrierter Leitfaden für Ärzte und Apotheker, Probst W, Vasel- Biergans A, 2. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2010.
  10. Study Findings from E. Rohner et al Broaden Understanding of Connective Tissue Cells.(Report). In: Life Science Weekly. 2011. HighBeam Research. (May 19, 2012). online
  11. http://www.rechtsdepesche.de/verlag/heftarchiv/rdg-2015-03/