Privates Veräußerungsgeschäft

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Privates Veräußerungsgeschäft steht für die Veräußerung eines zum Privatvermögen gehörenden Vermögensgegenstandes. Ob aus der Veräußerung steuerliche Folgen zu ziehen sind, hängt davon ab, ob ein Veräußerungsgewinn erzielt worden ist und wie viel Zeit seit der Anschaffung des Vermögensgegenstandes verstrichen ist. Veräußerungsgewinne fallen insbesondere bei knappen Gütern wie Grundstücken, Immobilien, Kunstwerken, Antiquitäten sowie bei Wertpapieren an, die erhebliche Preissteigerungen erfahren können. Der Versuch, solche Preissteigerungen gewinnbringend auszunutzen, ist eine wirtschaftliche Tätigkeit und kann zur Spekulationssteuer führen. Als Abgrenzungskriterium gegenüber nicht primär wirtschaftlich motivierten Privatgeschäften dient oft eine minimale Haltezeit, die Veräußerungsfrist (früher und umgangssprachlich Spekulationsfrist); bei Immobilien wird auch auf die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken abgestellt.

Situation in Deutschland

Aktuell

Der Begriff Privates Veräußerungsgeschäft stammt aus dem Einkommensteuerrecht. Wird ein zum Privatvermögen gehörendes Wirtschaftsgut veräußert, ist der Vorgang steuerlich grundsätzlich nicht relevant. Der Begriff des privaten Veräußerungsgeschäftes durchbricht gemäß § 23 EStG diesen Grundsatz. Während man allgemein auch die Veräußerung von Kapitalanlagen als private Veräußerungsgeschäfte bezeichnen könnte, hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, diese Veräußerungen den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen, so dass private Veräußerungsgeschäfte im steuerrechtlichen Sinn nur Gegenstände, die keine Kapitalanlagen sind, betreffen. Für den Anwendungsbereich der privaten Veräußerungsgeschäfte verbleiben folgende Grundfälle:

  • Veräußerung eines Grundstücks, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre betrug
  • Veräußerung eines Wirtschaftsgutes, das nicht dem täglichen Gebrauch diente, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr betrug (betrifft z. B. Edelmetalle und Kunst)
  • Veräußerung eines Wirtschaftsguts, aus dessen Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt wurden, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre betrug.

Ein privates Veräußerungsgeschäft kann nur vorliegen, wenn das veräußerte Wirtschaftsgut nicht einer anderen Einkunftsart (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständige Tätigkeit) zuzurechnen ist (Subsidiaritätsgrundsatz).

Veräußerungsgewinn

Der Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften wird als Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungskosten oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits ermittelt. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 S. 4 EStG). Zu § 23 Abs. 3 Satz 4 ist die Meinung vertreten worden, diese Regelung missachte den sich aus Art. 3 Grundgesetz ergebenden Gleichheitsgrundsatz, da hierdurch zuvor zulässige Steuerminderungen rückgängig gemacht würden. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Zur Begründung führte er an, dass wenn sich nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch die in Anspruch genommenen AfA-Beträge mindern, so sei diese Regelung folgerichtige Ausprägung der durch § 23 Abs. 1 EStG angeordneten Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte, die – abweichend von der Systematik der Überschusseinkünfte im Übrigen – ebenso wie die Gewinneinkünfte Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern erfasse.[1] Die Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn der in einem Kalenderjahr realisierte Gesamtgewinn weniger als 600 Euro (bis VZ 2007 waren es 512 Euro) beträgt. Wird diese Freigrenze überschritten, muss der gesamte Gewinn versteuert werden.

Veräußerungsverlust

Eine Verrechnung mit Verlusten aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften ist möglich. Bis 2013 konnten Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften aus der Zeit vor Einführung der Abgeltungsteuer (Verlustentstehung bis 2008) mit Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen verrechnet werden. Eine Verrechnung der Verluste mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten ist jedoch im Übrigen ausgeschlossen. Die nicht verrechenbaren Verluste werden gesondert festgestellt und können in das vorangegangene Jahr zurück- und das folgende Jahr vorgetragen werden. Bei einem entsprechenden Verlustrück- bzw. -vortrag ist die Verrechnung wiederum nur mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften möglich.

Rechtsentwicklung

Vor 1999 betrug die Spekulationsfrist lediglich sechs Monate für Wertpapiere und zwei Jahre für Immobilien. Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I, S. 402) wurde die Frist für Grundstücke auf zehn Jahre und für Wertpapiere auf ein Jahr verlängert. Das galt bei Immobilien auch für Fälle, in denen die Zwei-Jahres-Frist bereits abgelaufen war. Hierin sieht das Bundesverfassungsgericht eine unzulässige Rückwirkung.[2] Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren, insbesondere Aktien, unterlagen ab 2002 dem Halbeinkünfteverfahren.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte mit Entscheidung vom 9. März 2004 die Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 für verfassungswidrig, wegen einer Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Diese liege darin, dass nach der gesetzlichen Regelung für diese Steuer Daten nur sehr unzureichend erfasst und geprüft werden können, sodass sich die Finanzverwaltung ohne jede Kontrollmöglichkeit auf die bloße Steuererklärung verlasse. Dies führe im Ergebnis dazu, dass der Staat nur auf die redlich erklärten Gewinne zugreifen wolle, nicht aber auf alle Steuerpflichtigen, was einer „Freiwilligensteuer“ gleichkomme (sogenanntes strukturelles Vollzugsdefizit, umgangssprachlich und in der politischen Diskussion auch als „Dummensteuer“ bezeichnet).

Unter anderem um dieses Problem zu lösen, führte der Gesetzgeber das Kontenabrufverfahren (auch zur Gefahren-/Terrorabwehr nach dem 11. September 2001 und auch für strafrechtliche Zwecke) und die Jahresbescheinigung (§ 24c EStG a.F.) ein. Mittels Kontenabrufverfahren können die Finanzbehörden feststellen, welche Konten der Steuerpflichtige hat. Mit der Jahresbescheinigung bescheinigen die Banken den Kunden die entstandenen Gewinne/Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Mit Einführung der Abgeltungsteuer im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 sind private Veräußerungsgewinne seit 1. Januar 2009 im Bereich der Kapitalanlagen generell und auch bei einer Haltedauer von mehr als einem Jahr steuerpflichtig.

Folgende Tabelle verdeutlicht die unterschiedliche Behandlung von Wertpapieren in der Vergangenheit (HEV=Halbeinkünfteverfahren; WP-VK=Wertpapierverkauf):

ab WP-VK steuerpfl. Verlustanrechnung HEV Berücksichtigung im Steuer-„Topf“
vor 1999 bis 6 Monate Rücktrag: 1 Jahr, Vortrag: unbegrenzt nein Zunächst Entnahme steuerfreier Bestand FIFO, dann Entnahme stpfl. Bestand proportional! (alles muss also zum jeweiligen genauen Veräußerungstermin gerechnet werden und der Korb aktualisiert vorgetragen werden)
1999 bis 12 Monate Rücktrag: 1 Jahr, Vortrag: unbegrenzt nein
2002 ja
2004 ja nun auch Entnahme stpfl. Bestand als FIFO
2009 für Neufälle: immer, Abgeltungsteuer kein Rücktrag, Vortrag: unbegrenzt, Altverluste verrechenbar bis 2013 nein Veräußerungsverluste werden sofort gegen Veräußerungsgewinne aufgerechnet.

Die Abkehr von der Durchschnittsbewertung der steuerpflichtigen Positionen bis 2003 und Hinwendung zum FIFO-Verfahren ab 2004 (first in, first out = die älteste Position wird zuerst abgebaut) ist die einfache Erfüllung der Gegenforderung der Banken, die ab 2005 die Veräußerungsgewinne der Depotinhaber ermitteln müssen.

In der Schweiz

In der Schweiz unterliegen steuerpflichtige Personen bzgl. privater Veräußerungsgewinne in einigen Kantonen der Grundstückgewinnsteuer[3] (s. auch Steuerrecht (Schweiz)). In Deutschland sind steuerpflichtige Personen auch bzgl. ihres Einkommens aus Veräußerungsgewinnen aus Geschäften in oder über die Schweiz weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Die Schweizer Banken sind aber nicht verpflichtet, ein den deutschen Gesetzen entsprechendes Reporting auszustellen, wenngleich einige Schweizer Banken dies als Service für deutsche Kapitalanleger bieten.

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise

  1. BFH vom 21. September 2005 - IX B 90/05, BFH/NV 2006, 55
  2. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010, Az. 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, Volltext.
  3. z.B. Steuergesetz des Kantons Solothurn von 1985, mit Ergänzungen