Rechts Abbiegen für Radfahrer frei

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Verkehrsampel mit Zusatzleuchtzeichen »Rechtsabbiegen für Radfahrer frei« in Bordeaux

Rechts abbiegen für Radfahrer frei ist ein Verkehrsschild oder Lichtzeichen und bezeichnet die Erlaubnis für Radfahrer, auch dann rechts abzubiegen, wenn die Verkehrsampel rot zeigt. Die deutsche Straßenverkehrsordnung (StVO) kennt bislang nur den Grünpfeil, der für alle Fahrzeuge gilt. Fahrradspezifische Anordnungsmöglichkeiten gibt es innerhalb der EU aber bereits in den Niederlanden und Frankreich.

Hintergrund

Aufgrund des Rechtsfahrgebots werden Radspuren in der Regel am rechten Fahrbahnrand angelegt. Radfahrer mit dem Wunsch, rechts abzubiegen, befinden sich damit in der Regel rechts der Kraftfahrzeugspur. Beim Abbiegen kreuzen sie damit ausschließlich Fußgängerströme. Dem parallel zur Fahrtrichtung passierenden Fußverkehr hat der Radfahrer damit Vortritt zu gewähren. Kraftfahrzeugströme werden aber nicht tangiert. Dies gilt ganz ähnlich aber auch, wenn der Radfahrer die Verkehrsampel in der Rotphase passiert. In diesem Fall kreuzt er den im rechten Winkel passierenden Fußverkehr statt des parallelen. Es gibt dabei nicht mehr Konflikte als beim Regelfall (Abbiegen bei Grün).

In Deutschland ist das Rechtsabbiegen bei Rot Radfahrern grundsätzlich dann erlaubt, wenn sie sich dabei ganz auf Radwegen bewegen, diese rechts an den KFZ-Ampeln vorbeiführen und eine etwaige Fahrradampel bzw. deren Haltelinie sich erst jenseits der Abbiegekurve befindet; einander kreuzende Fuß- und Radverkehre gelten als bedingt verträglich.[1]

In den Niederlanden, wo fast alle großen und mittleren Straßen Radwege haben, ist dieses Abbiegen grundsätzlich auch auf einem Radweg verboten. In Frankreich gab es bis vor Kurzem nur sehr wenige Radwege. Die Gesetzgeber in den Niederlanden und in Frankreich haben deshalb entschieden, dass die Kommunen den Radfahrern das Rechtsabbiegen auch bei rotem Verkehrslicht erlauben dürfen. 2012 wurde diese Möglichkeit versuchsweise auch in Brüssel eingeführt[2].

Regelung in den Niederlanden

In den Niederlanden heißt die Regelung »rechtsaf voor fietsers vrij« (rechts abbiegen für Radfahrer frei) und wurde 1990 mit der Novellierung des niederländischen Verkehrsgesetzes in § 3 Art. 68 Satz 5 Wegenverkeerswet[3] festgeschrieben. Die Kommunen können seither Schilder oder Lichtzeichen mit weißer Aufschrift auf blauem Grund aufstellen.

Regelung in Frankreich

In Frankreich wird die Regelung als »Tourne à droite cycliste« bezeichnet. Nach zweijähriger Pilotphase in den Städten Bordeaux, Nantes und Straßburg wurde die neue Regelung am 12. Januar 2012 offiziell[4]. Seither können französische Kommunen blinkende Verkehrslichter (siehe Abbildung) anbringen oder ein Verkehrszeichen anordnen, das ein gelbes Fahrrad auf einem Vorfahrt-gewähren-Schild zeigt[5]. Die französische Rechtslage erlaubt auch das Geradeausfahren bei Rot, wenn ein entsprechendes Verkehrszeichen angeordnet ist. Diese Regelung wird hauptsächlich bei T-Kreuzungen an der kreuzungsfreien Seite Anwendung finden, wo Radfahrer nur Fußgängerüberwege queren. Im Pariser »Plan Vélo« (Radverkehrsstrategie) ist vorgesehen, dass in den Pariser Quartieren, d.h. im Nebenstraßennetz, die angesprochenen Regelungen zum Standard werden sollen.[6]

Regelung in Belgien

Nach einer kurzen und erfolgreichen Pilotphase in Brüssel wurde in Belgien am 25. September 2012 offiziell die französische Regelung übernommen, mit denselben Schildern, die in Belgien als Panneaux B22 und B23 bezeichnet werden.[7] [8]

Pilotprojekt in der Schweiz

Seit Mitte Juni 2013 läuft in Basel ein Pilotversuch für das Rechtsabbiegen bei Rot an Lichtsignalanlagen. Ein kleines quadratisches Schild mit einem gelben Fahrradsignet auf schwarzem Grund und einem Rechtspfeil darunter zeigt Radfahrern an den entsprechenden Verkehrsampeln, dass sie bei rot abbiegen dürfen. Anfang 2015 hat das Basler Amt für Mobilität aufgrund des Erfolgs in der Pilotphase beim Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt, den Pilotversuch auszudehnen. Nachdem das ASTRA dafür grünes Licht erteilt hat, wird der Pilotversuch um acht zusätzliche Kreuzungen erweitert und bis Dezember 2016 fortgeführt. Gleichzeitig hat das Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt beim Bund eine Änderung des Schweizerischen Straßenverkehrsgesetzes beantragt, die es den Kantonen ermöglichen soll, das Rechtsabbiegen bei Rot für Radfahrer einzuführen[9].

Entwicklung in Deutschland

Im Mai 2014 bildete in Göttingen die Oberbürgermeisterkandidatin der Piratenpartei, Katharina Simon, auf Wahlkampfplakaten rote Ampeln mit modifizierten Grünpfeilen für Radfahrer und Fußgänger ab. Es wurde angeregt, neue Verkehrsschilder in Göttingen zu testen und bundesweit einzuführen. Neben beschilderten Freigaben für nächtliche Kernstunden schlug Simon für den Radverkehr auch eine Freigabe für das Rechtsabbiegen vor.[10]

Im April 2015 beantragte die SPD-Fraktion im Stadtrat von München, die Stadt solle sich im Deutschen Städtetag und im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur dafür einsetzen, dass der Grünpfeil (StVO Zeichen 720) entsprechend dem Pilotprojekt in Basel speziell für Radfahrer eingeführt werde.[11]

Im Juni 2015 tauchten in Osnabrück Aufkleber an Ampeln auf, die einen Grünpfeil für Fahrräder zeigten, von Unbekannten angebracht worden waren und von der Polizei aus Gründen der Verkehrssicherheit wieder entfernt wurden.[12]

Im Juli 2015 stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf einen Antrag, der daraufhin in den Ausschuss für Wirtschaft, Ordnung und Verkehr überwiesen wurde. Das Bezirksamt solle sich beim Senat von Berlin für die Schaffung einer entsprechenden Möglichkeit für Radfahrende einsetzen, „analog dem grünen Pfeil“.[13]

Am 25. September 2015 wurde ein an den Münchner SPD-Antrag eng angelehnter und von der Fraktion der Piraten eingebrachter Antrag im Stadtrat von Göttingen mehrheitlich abgelehnt.[14] Vier Tage später wurde in München nach einer positiven Stellungnahme der Verwaltung[15] der SPD-Antrag befürwortet und die Stadt damit beauftragt, im Städtetag die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Die Anträge von München und Göttingen wurden Ende September als Grundlage für eine Anfrage der Piraten-Fraktion an die Verwaltung in Köln verwendet.[16] Am 27. Oktober 2015 wurde daraufhin ein von sieben Fraktionen eingebrachter Antrag im Kölner Verkehrsausschuss einstimmig beschlossen, ein Pilotprojekt in die Wege zu leiten.[17]

Einzelnachweise

  1. Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Straßenentwurf: Empfehlungen für Radverkehrsanlagen Ausgabe 2010 (ERA 2010), Seite 45.
  2. Zeitungsartikel vom 1. Juni 2012 – Pilotprojekt in Brüssel (französisch)
  3. Wegenverkeerswet – Straßenverkehrsordnung der Niederlande (niederländisch)
  4. Pressemitteilung des französischen Verkehrsministeriums (französisch)
  5. Mitteilung zur französischen Regelung auf dem Fahrradportal des Bundesverkehrsministeriums (BMVBS) (deutsch)
  6. Zeitungsartikel vom 14. April 2015 – Liberation.fr (französisch)
  7. Grünes Licht für Rechtsabbiegen bei Rot (französisch)
  8. Antragsvorschlag für belgische Kommunen (französisch)
  9. Mitteilung zum schweizerischen Pilotprojekt auf dem Fahrradportal des Bundesverkehrsministeriums (BMVBS) (deutsch)
  10. Piratenpartei Göttingen, Wahlkampfplakat K. Simon, Mai 2014
  11. MünchenSPD: Abbiegepfeil für Fahrradfahrer, 21. April 2015
  12. Neue Osnabrücker Zeitung vom 17. Juni 2015
  13. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Charlottenburg-Wilmersdorf: Rechtsabbiegen für Radfahrende erleichtern, 9. Juli 2015
  14. 35. öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Rates der Stadt Göttingen, 25. September 2015: Antrag der Piraten-Ratsfraktion betr. "Fahrrad-Grünpfeile"
  15. Kreisverwaltungsreferat München: Sitzungsvorlage 29. September 2105: Seite 19
  16. express.de, 28. September 2015: Köln: Kommt der grüne Pfeil für Radfahrer?
  17. Ratsinformationssystem Köln: Sitzung 27.10.2015 Verkehrsausschuss