Regierung des Großherzogtums Hessen

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Siegelmarke Gr. Hessisches Staatsministerium

Die Regierung des Großherzogtums Hessen war die Exekutive des Großherzogtums Hessen von 1806 bis 1918.

Organisation

Von der Gründung des Großherzogtums bis zur Märzrevolution

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt bestand seit 1617 das Geheime Ratskollegium, das seit dem 18. Jahrhundert auch als Geheimes Ministerium auftrat als (dem Landgrafen nachgeordnete) Regierung. Daneben bestand der Lehenhof und die Rentkammer.

Mit den Organisationsedikten vom 12. Oktober 1803 wurde die Regierung des neuen Großherzogtums neu aufgestellt. Regierungschef war der Großherzog. Neu geschaffen wurden die Ministerialdepartments der Äußeren Angelegenheiten, des Inneren (dem auch die Justiz zugeordnet war) und der Finanzen. Die Ressortchefs und der Großherzog bildeten als Kollegium die Regierung. Daneben bestand das eigenständige Kriegsministerium.

Das Finanzdepartement übernahm die Aufgabe der Rentkammer. Für ein eigenständiges Außenministerium bestand in der Landgrafschaft kein Bedarf, da die Außenpolitik sich überwiegend in den Gremien des HRR abspielte und damit Chefsache war.[1]

Die Verfassung von 1820 regelte in Artikel 4, dass der Großherzog in Sich alle Rechte der Staatsgewalt vereint und ausübt. Details zur Regierungsorganisation wurden nicht gemacht. Durch gemeinsamen Beschluss beider Kammern der Landstände des Großherzogtums Hessen war eine Ministeranklage vor dem Oberappellationsgericht Darmstadt möglich.[2]

Die Regierung war nicht dem Landtag, sondern dem Großherzog verantwortlich.

Mit Verordnung vom 28. Mai 1821 wurde die Regierung (nun als „Staats-Ministerium“ oder „Gesamt-Ministerium“ bezeichnet) von einem Präsidenten der vereinten Ministerien geleitet. Darunter wurden drei eigenständige Ministerien eingerichtet: Das Ministerium des Inneren und der Justiz, das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten und das Finanzministerium. Das Kriegsministerium war weiterhin organisatorisch getrennt und blieb dies auch bis zum Ende.

Karl du Bos du Thil führte ab 1829 nicht mehr den Titel eines Präsidenten der vereinten Ministerien sondern den des Dirigierenden Staatsministers.

Die Märzregierung

Am 14. März 1848 führte die Märzrevolution zur Ernennung des Märzministeriums. Organisatorisch war wesentlich, dass das Innen- und das Justizressort getrennt wurden. Neu geschaffen wurde das Ministerium des Großherzoglichen Hauses, das Heinrich von Gagern in Personalunion übernahm. Der Titel des Dirigierenden Staatsministers wurde am 9. September 1848 in Präsident des Gesamt-Ministeriums geändert. Auch wurde das Kollegialitätsprinzip wieder gestärkt, indem ein gemeinsamer Vortrag beim Großherzog bei wesentlichen Sachfragen eingeführt wurde.

Von der Reaktionsära bis zur Novemberrevolution

1852 wurde die Bezeichnung Ministerpräsident für den Vorsitzenden des Gesamt-Ministeriums eingeführt. Die Reichsgründung führte 1870/71 zu einem starken Bedeutungsverlust des Außenministeriums. Mit Verordnung vom 22. August 1874 wurde daher festgelegt, dass der Ministerpräsident gleichzeitig Minister des Äußeren und des Großherzoglichen Hauses ist.

Die Verordnung vom 12. März 1879 legte fest, dass das Staatsministerium, geleitet durch den Präsidenten des Staatsministeriums, auch das Innen- und Justizressort umfassen sollte. Daneben bestand nur noch das Finanzministerium als eigenes Ministerium fort. 1910 wurde das Innenministerium wieder selbstständig.

Mit der Novemberrevolution endete die Geschichte der Regierung des Großherzogtums Hessen. Seine Aufgabe übernahm (nach den Revolutionswirren) die Regierung des Volksstaates Hessen.

Amtsbezeichnungen

Die Minister trugen vielfach zunächst den Titel eines Direktors ihres Ressorts. Um sie herauszuheben, konnte der Großherzog ihnen den Titel eines Präsidenten oder gar eines Ministers des Ressorts verliehen. Dies waren lediglich Titel; die Kompetenzen der Minister waren von der jeweiligen Titulatur unabhängig. In den Ministerlisten sind daher die Minister unabhängig von ihrer jeweiligen Titulatur aufgeführt.

Soziale Herkunft der Minister

Mit Ausnahme der Kriegsminister, die alle hohe Offiziere waren, entstammten die Minister des Zivilkabinettes weitaus überwiegend der Beamtenschaft. Die Literatur spricht daher von einer Beamtenregierung. Typisch für den Lebenslauf waren die Herkunft aus einer Beamtenfamilie, das Studium der Rechtswissenschaften und eine Beamtenkarriere, die mit der Rolle als Staatsrat und zuletzt Minister gekrönt wurde. Nur ein relativ kleiner Teil der Minister stammte aus dem Adel. Und die adligen Minister hatten ebenfalls eine Beamtenkarriere hinter sich und wurden nicht primär des Adels wegen als Minister berufen. Eine Reihe der Minister wurde aufgrund der erworbenen Verdienste nobilitiert.

Eine Ausnahme stellten die Märzminister dar. Hier überwog der Anteil der Adligen und es fehlte die Verwaltungserfahrung.

Auch sind die Minister vorher üblicherweise nicht als Politiker (z.B. in den Landständen) in Erscheinung getreten. Georg Kempf stellt diesbezüglich eine Ausnahme dar, stand jedoch mit seinen politischen Positionen konträr zur Landtagsmehrheit.

Ab etwa 1900 rückten mit Feodor Gnauth und Wilhelm Küchler erstmals Kommunalpolitiker in die Ministerrolle auf.

Insgesamt gab es während der fast 100 Jahre zwischen 1820 und 1918 lediglich 37 Minister. Grund hierfür ist, dass die Amtszeiten der Minister relativ lang waren und die Minister vielfach mehrere Ressorts verantworteten.

Der Staatsrat

Juli 1823 wurde der Staatsrat errichtet. Ihm gehörten die Prinzen des Großherzoglichen Hauses, die Minister, die Geheimen Staatsräte und andere Staatsräte an. Der Staatsrat beriet Gesetzesvorhaben und organisatorische Fragen und behandelte Konflikte zwischen Justiz und Verwaltung. Den Vorsitz führte ein Minister bzw. der Präsident des Staatsrates. 1875 wurde die Institution des Staatsrates aufgehoben.

Präsidenten des Staatsrates:

Präsidenten des Gesamt-Ministeriums

Amtsinhaber Amtszeit Anmerkungen
Friedrich August Freiherr von Lichtenberg 1805–1819 de facto Regierungschef[3]
Karl von Grolman 1821–29 Erster Präsident der vereinten Ministerien seit dem Inkrafttreten der Verfassung
Karl du Thil 1829–48 Das „du Thil’sche System“ der jahrzehntelangen Herrschaft des dirigierenden Staatsministers prägte die Politik seiner Zeit konservativ.
Heinrich von Gagern 1848 Während der Märzrevolution für drei Monate Ministerpräsident, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
Carl Wilhelm Zimmermann 1848 Im Sommer 1848 für wenige Wochen im Amt
Heinrich Karl Jaup 1848–50 Mitglied des Siebzehnerausschusses und der Frankfurter Nationalversammlung
Reinhard Carl Friedrich von Dalwigk 1852–71 Unter Ludwig III., 1871 auf Druck Preußens entlassen
Friedrich von Lindelof 1871–72 Unter Ludwig III.
Karl Wilhelm Hofmann 1872–76 Unter Ludwig III.
Philipp Freiherr Rinck gen. v. Starck 1876–79 Unter Ludwig III., nach dessen Tod 1877 unter Ludwig IV.
Jakob Finger 1884–98 Unter Ludwig IV., nach dessen Tod 1892 unter Ernst Ludwig
Carl Rothe 1898–1906 Unter Ernst Ludwig
Christian Wilhelm Carl Ewald 1906–18 Unter Ernst Ludwig, bis zur Novemberrevolution

Einzelne Ministerien

Innenministerium

Siegelmarke Grossherzoglich Hessische Ministerium des Innern

Das Innenministerium war die Oberbehörde für die Provinzregierungen der drei Provinzen Oberhessen, Starkenburg und Rheinhessen sowie die Kreisämter. Das Innenministerium war für die Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, die Kirchen, die Wohltätigkeitsorganisationen und die öffentliche Gesundheitspflege verantwortlich. Ab 1875 kam die Verantwortung für das Gendarmeriecorps, 1877 für die Berg- und Eichungsbehörden und 1879 die Oberrechnungskammer hinzu.

Das Innenministerium hatte seinen Sitz am Mathildenplatz in Darmstadt.

Finanzministerium

Siegelmarke Grossherzoglich Hessische Ministerium der Finanzen

Justizministerium

Vor 1848 war das Justizministerium Teil des Innenministeriums.

Ministerium für auswärtige Angelegenheiten

Ministerium des Großherzoglichen Hauses

Das Ministerium des Großherzoglichen Hauses wurde 1848 im Rahmen der Märzrevolution geschaffen und wurde überwiegend vom Präsidenten des Staatsministeriums mitgeleitet.

Kriegsministerium

Das Kriegsministerium des Großherzogtums Hessen hatte in mehrfacher Weise eine Sonderrolle inne. Zum einen war es organisatorisch vom Gesamt-Ministerium getrennt. Der Minister berichtete direkt an den Großherzog. Zum anderen waren die Minister durchgehend hohe Offiziere und Adlige und nicht Beamte, wie in den anderen Ressorts. Mit der Gründung des Kaiserreichs entfiel das Ressort zum 1. Januar 1872, nachdem es aufgrund der Militärverträge mit Preußen von 1868 Kompetenzen verloren hatte.

Das Ministerium wurde zunächst als Oberkriegskolleg, ab dem 4. Juli 1821 als Kriegs-Ministerialdepartment und ab dem 14. Mai 1823 als Kriegsministerium bezeichnet.

Das Kriegsministerium war in drei Sektionen unterteilt:

  1. Die erste Sektion beschäftigte sich mit rein militärischen Fragen: Formation, Dienst und Übung der Truppe, Offizierspersonalien, Rapportwesen, Militärbildungsanstalten und Militärordenssachen
  2. Die zweite Sektion war verantwortlich für die Militärpolizei und -Disziplin, Militär-Strafgesetzgebung, Militärgerichte, -Straftanstalten, Desertationsprozesse, Militär-Witwen und Waisenanstalten, das Invalideninstitut, Militär-Kirchen und Schulwesen
  3. Die dritte Sektion kümmerte sich um die Kriegskasse, stellte den Etat auf, verwaltete das Militärbauwesen und nahm die Rechnungsprüfung vor.

Jede Sektion hatte einen Sektionschef.[4]

Literatur

  • Eckhart G. Franz: Hessen-Darmstadt 1820-1935. In: Klaus Schwabe (Hrsg): Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten: 1815 - 1933. 1983. ISBN 3-7646-1830-2, S. 103–112 und S. 295–303.
  • Dagobert Karenberg: Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt und Ludewig I. (1790–1830), 1964
  • Ferdinand Koob: INNENMINISTERIUM. (PDF; 492 KB) Bestand G 11. In: Repertorien Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen), 11. September 2008, abgerufen am 15. September 2016.
  • Heinrich Karl Wilhelm Berghaus: Deutschland seit hundert Jahren: Geschichte der Gebietseintheilung und der politischen Verfassung des Vaterlandes, Band 2, 1861, S. 299, online

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karenberg: Die Entwicklung der Verwaltung ..., S. 24-30
  2. Gesetz vom 5. Juli 1821 die die Verantwortlichkeit der Minister und der obersten Staatsbeamten betreffend; Reg.Blatt 1821, S. 387 - 388, online
  3. „Lichtenberg, Friedrich August Freiherr von“. Hessische Biografie. (Stand: 1. März 2013). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  4. Karenberg: Die Entwicklung der Verwaltung ..., S. 129-130