Rotation (Rundfunk)

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Mit Rotation wird im Hörfunk und Musikfernsehen die Intensität bezeichnet, mit der einzelne Musiktitel pro Zeiteinheit wiederholt gespielt werden.

Allgemeines

Die im Radio und Fernsehen gespielten Musiktitel werden nicht spontan gesendet, sondern sind auf einer vorher angefertigten Playlist für eine bestimmte Sendezeit enthalten. Diese Playlist entspricht dem Sendeformat des Senders und beinhaltet jene Musikstücke, die zu diesem Format gehören. Bei Schlagersendern enthält sie entsprechend Schlager, bei Oldiesendern mithin Oldies, beim Hitparaden-Radio die aktuellen Hits.

Die Beobachtung, dass bestimmte Musiktitel bei einem Sender täglich häufiger wiederholtes Airplay erhalten als andere, ist nicht auf die Vergesslichkeit oder Trägheit der Redakteure zurückzuführen. Dahinter steckt das methodische Ziel, bestimmte Musiktitel gegenüber anderen Titeln zu bevorzugen. Die Häufigkeit, mit welcher ein Musiktitel wiederholt wird, ist ebenfalls in der Playlist vorgegeben. Je öfter ein Musiktitel gespielt wird, je höher also die Rotation ist, umso kleiner ist die Playlist.[1] Im Rahmen des Marketings nehmen Plattenlabels Einfluss auf die Radio- und Fernsehstationen mit dem Ziel, dass eine Neuveröffentlichung möglichst in die Playlist gelangt, bestenfalls auch in die Rotation kommt.[2]

Arten

Ist ein Musiktitel nur einmal in einer Playlist enthalten, gehört er nicht zur Rotation. Die „C-Rotation“ („low rotation“) beginnt ab einer ersten Wiederholung desselben Songs, während die „A-Rotation“ („heavy rotation“) ab 7 Wiederholungen pro Woche beginnt. Bei chart-orientierten Sendern liegt die A-Rotation bei etwa 30 Wiederholungen pro Woche.[3] Dazwischen gibt es die „B-Rotation“ („medium rotation“). In den USA liegt diesen Arten eine höhere Häufigkeit zugrunde. Neuveröffentlichungen beginnen hier mit „low rotation“, also 5-15 Mal pro Woche, nach maximal 2 Wochen wird der Musiktitel auf „medium rotation“ angehoben (10-25 Mal), danach steigt er in die „heavy rotation“ mit etwa 50 Wiederholungen pro Woche auf.[4] Das Abspielen der Titel aus der Playlist erfolgt heute computergesteuert über Selektoren-Programme, die die vorgegebenen Rotationsfrequenzen berücksichtigen.

Geschichte

Erstmals bewusst wurde die Rotation in den Playlists des Hitparaden-Radios der USA mit einem begrenzten Playlist-Konzept eingesetzt.[5] Der Radiostations-Besitzer Todd Storz gilt als der erste, der seine Radiosender mit dem Top40-Format versah und die Rotation einführte. Als ersten Radiosender erwarb er im April 1949 KOWH in Omaha, der ab 1952 die Top10-Hitparade präsentierte.[6] Storz hatte beobachtet, wie in Restaurants und Kneipen von den Gästen die Jukeboxen bedient wurden. Sie tendierten dazu, von den meist 40 Platten immer dieselben abzuspielen. Das war der Kern der „music rotation“, wonach die populärsten Songs auch mehr gespielt werden sollten als andere.[7] Ab Mai 1953 übernahmen auch andere Stationen dieses Hitparaden-Konzept, so dass der Ausdruck „Top40-Radio“ für ein Radioformat stand, bei dem die Hitparade im Countdown-Prinzip mit dem Nummer-eins-Hit am Schluss gespielt wird. Im August 1954 hatte KOWH in Omaha durch dieses Konzept einen Marktanteil von 48 % aller Radiohörer. Die Rotation bei einer Top40-Station bestand darin, insbesondere die Top10 intensiv zu wiederholen.

Im Payola-Betrugsskandal ergaben die Anhörungen im Jahre 1958, dass die weitverbreitete Rotation des Top40-Radios mit der Macht der Radio-Disc-Jockeys zusammenhing.[8] So hatte Disc Jockey Alan Freed das Lied Maybelline (aufgenommen am 21. Mai 1955) von Chuck Berry in „heavy rotation“ gesendet und dadurch zur Popularisierung eines Songs beigetragen, bei dem Freed als Mitkomponist registriert war.[9] Freed hatte den Song bei der Radiostation WINS (New York) im Juli 1955 alle zwei Stunden während seiner Sendung gespielt.[10]

Seit etwa 1990 haben in Deutschland sowohl die privaten Radiosender als auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Unterhaltungsmusikformate (U-Musik oder Popmusik) grundlegend neu strukturiert. Mit dem Ziel einer stärkeren Bindung der erwünschten werberelevanten Zielgruppe – Jugendliche und junge Erwachsene – wurde die musikalische Bandbreite (Genre, Zeitraum) reduziert, der Titelstock (regelmäßig gespielte Stücke) verkleinert und die Rotation der bekanntesten Titel erhöht. Damit setzten sie die seit den 1960er-Jahren sichtbare Entwicklung fort, die Rundfunkprogramme immer gleichförmiger aufzubauen, zum Beispiel U- und E-Musik sowie Informationssendungen in jeweils verschiedene Spartensender auszulagern. Während die Hörer früher (wie heute noch Fernsehzuschauer) gezielt einzelne Sendungen auswählten und bewusst konsumierten, sind die Popmusikformate heutzutage auf kontinuierliche, bruchlose Begleitung bei allen möglichen Aktivitäten des täglichen Lebens ausgerichtet.

Stücke mit hohem Wiedererkennungswert, die in den aktuellen Musikcharts enthalten sind, werden bevorzugt und in schneller Wiederholung gespielt, um eine gleichmäßige Durchhörbarkeit zu gewährleisten. Gezielt produzierte Hits, zumeist mit geringem Wortanteil, lassen sich dabei schneller und einfacher konsumieren; Minderheitengenres wie zum Beispiel Heavy Metal oder Jazz werden demgegenüber benachteiligt. Der Anteil von „aktuellen Hits“ (nicht älter als drei Monate), Recurrents (älter) und Oldies (ca. 5 Jahre oder älter) liegt in engen Grenzen fest; darüber hinaus sind auch Tempo, Stil und Stimmung, Sprache etc. (Kreativdaten) des gesamten Titelstocks kategorisiert und werden für die Programmplanung der Musikredakteure herangezogen. Es ist beispielsweise üblich geworden, nach Wortsegmenten (Nachrichten, Ansage, Werbung) gezielt so genannte Opener zu spielen, das sind Stücke mit schnellem Einsatz ohne Vorspiel.

Dynamik der Rotation

In der Playlist werden die für ein Airplay in Frage kommenden Musiktitel erfasst und einige Titel danach eingestuft, wie oft sie pro Tag eingesetzt werden dürfen.[11] Der verantwortliche Redakteur hat die Aufgabe, Neuerscheinungen auf Grundlage der Formatvorgaben zu prüfen und eventuell in die Rotation zu übernehmen. Um Titel bekannt zu machen, können sie über die C-Rotation, B-Rotation zur A-Rotation befördert werden. Diese Wiederholungen können Auswirkung auf die Hitparaden und umgekehrt haben. Ein aktueller Nummer-eins-Hit erhält demnach A-Rotation, solange er den ersten Rang innehat. Wird er vom ersten Rang verdrängt, wird er auf B- oder C-Rotation herabgestuft und gilt schließlich als „burnout“. Er wird aus der Rotation herausgenommen wie auch überspielte Titel, von denen eine große Anzahl von Hörern des Zuhörens müde ist.[12] Der Musiksender VIVA kategorisierte seine Playlisten nach aktuellen Hitparadenplatzierungen, wobei in der A-Liste die Top20-Hits mit 3-4 Wiederholungen pro Tag standen, während die B-Liste die Platzierungen 21-50 mit 2-3 Wiederholungen pro Tag enthielt; es folgte die C-Liste (Ränge 51-100 der Hitparade) mit maximal 2 Wiederholungen.[13]

Wirkung

Die Rotation ist Teil der Programmplanung des täglichen Radioprogramms.[14] Ziel der Rotation ist es, sicherzustellen, dass die populärsten Hits häufiger wiederholt werden als die weniger populären. Damit Neuveröffentlichungen beim Zuhörer überhaupt eine Chance haben, werden sie über einen Zeitraum von vier Wochen mit ca. 200 Wiederholungen „warmgespielt.“[15] Die wiederholte Sendung einzelner Musiktitel fördert den Wiedererkennungswert beim Hörer und begünstigt dadurch das mechanische Üben. Die gezielte Wiederholung fördert auch die Erinnerung beim Hörer. Sie führt aber ebenso zu einer Popularisierung bisher noch unbekannter Titel und kann deren Hitparaden- und Verkaufschancen enorm verbessern. Neuveröffentlichungen können durch eine hohe Rotation in die Hitparade gelangen.[16] Bereits bei einer „medium rotation“ wird die Hitparaden-Chance verbessert.[17] Als Nirvanas LP Nevermind im September 1991 erschien und bei MTV eine „heavy rotation“ erhielt, verkaufte die LP in den ersten drei Wochen seit Veröffentlichung 200.000 Exemplare und verdrängte im Januar 1992 Michael Jacksons Album Dangerous vom ersten Rang der LP-Charts.[18]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Holger Schramm, Musik im Radio, 2008, S. 156
  2. Tom Hutchinson/Paul Allen/Amy Macy, Record Label Marketing, 2012, o. S.
  3. Klaus Goldhammer, Musikquoten im europäischen Radiomarkt, 2005, S. 187
  4. Darrell W. King, The Business of Gospel Music, 2012, S. 152
  5. David MacFarland, Future Radio Programming Strategies, 2013, S. 65
  6. Richard W. Fatherley/David T. MacFarland, The Birth of Top40 Radio, 2013, S. 193
  7. Richard W. Fatherley/David T. MacFarland, a.a.O., S. 42
  8. John Broven, Record Makers and Breakers, 2009, S. 459
  9. Gabriel Rossman, Climbing the Charts, 2012, S. 26 f.
  10. Christopher Zara, Tortured Artists, 2012, S. 150
  11. Joachim-Felix Leonhard/Hans-Werner Ludwig, Medienwissenschaft Teil 3, 2002, S. 1978
  12. Joachim-Felix Leonhard/Hans-Werner Ludwig, a.a.O., S. 1992
  13. Marlis Jahnke, Der Weg zum Popstar, 1998, S. 129
  14. Holger Schramm, a.a.O., S. 174
  15. Klaus Goldhammer, a.a.O., S. 187
  16. David MacFarland, a.a.O., S. 163
  17. Marc Davison, All Area Access, 1997, S. 279
  18. Donald G. Godfrey/Frederic A. Leigh, Historical Dictionary of American Radio, 1998, S. 324