Ségurant, le Chevalier au Dragon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ségurant und der enthauptete Drache, Abbildung aus einem Wappenbuch der Tafelrunde Ende des 15. Jhdt.

Ségurant, le Chevalier au Dragon ist ein französischer Roman, der im 13. Jahrhundert entstanden ist und den Artusromanen zuzuordnen ist. Er war lange nicht als vollständiges Manuskript verfügbar, 2023 wurde durch den Paläographen Emanuele Arioli eine rekonstruierte Fassung veröffentlicht.

Entstehung des Romans[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die älteste bekannte Version dieses Romans wurde zwischen 1240 und 1273 in Italien in französischer Sprache verfasst. Mehrere Fortsetzungen und Umschreibungen entstanden zwischen dem Ende des 13. und dem Ende des 15. Jahrhunderts. Auch die Manuskripte stammen aus mehreren Jahrhunderten und wurden in Frankreich, Italien und Flandern hergestellt; einige sind sehr schlicht, andere reich illustriert.[1] Diese sehr erfolgreiche Romansammlung war in Italien, Frankreich, Großbritannien und Spanien weit verbreitet.[1]

Der Protagonist[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Armorial de la Table ronde: Bibliothèque de l'Arsenal, ms. 4976, folio 6r. Eine kurze Biografie des Helden und sein Wappen.

Die Figur Ségurant wird im Spätmittelalter in den Wappenbüchern der Tafelrunde erwähnt, in denen die Hofritter von König Artus aufgelistet werden, beispielsweise auf dem Folio 2 von Ms. 4976, der auch in der in der Arsenal-Bibliothek aufbewahrt wird.[2] Auf Folio 6r dieses Armorials wird „Ségurant le Brun, Sohn von Hector le Brun“ als sehr groß, fast ein Riese, beschrieben. Sein Haar war von einem ins Schwarze gehenden Braun. Er hatte ein freundliches Gesicht und einen wohlproportionierten Körper. Er hatte ein sanftes und friedliches Temperament und war eher ein Einzelgänger. Seine Kraft war überwältigend und sein Appetit dementsprechend groß: Er aß wie zehn! Es wird beschrieben, wie er kurz vor seinem Ritterschlag einen „hässlichen und entsetzlichen“ Drachen tötete. Sein Wappen zeigt entsprechend einen schwarzen Drachen mit einer grünen Zunge auf einem goldenen Feld.[3]

Ségurants Geschichte greift viele Orte und Figuren aus den Artussagen auf und orientiert sich besonders an den mittelalterlichen Romanen Lancelot-Gral-Zyklus und Prosa-Tristan.[4]

Sein Name kann mit dem lateinischen Wort „securus“ [beschützt, sicher] in Verbindung gebracht werden, aber auch mit germanischen und nordischen Namen wie Sigurd oder Siegfried, Drachentötern, mit denen Ségurant laut Emanuele Arioli auch in Verbindung steht.[1]

Die Abenteuer von Ségurant[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der von Emanuele Arioli gefundene Roman beschreibt die Abenteuer von Segurant dem Braunen[4], dem Sohn von Hektor dem Jüngeren, der auf der Insel Non Sachante geboren wurde, einer wilden Insel, auf der sein Großvater, Galehaut der Braune, und dessen Bruder, Hektor der Braune, auf der Flucht vor Vortigern, dem Usurpator des Throns des mythischen Reichs Loegrie, Schiffbruch erlitten hatten.

Miniatur, die Morgane zeigt, die ihre Zauber über das Tal ohne Rückkehr verbreitet, aus Lancelot-Graal, ca. 1494, Bibliothèque Mazarine.

Der junge Segurant bewies sich zunächst bei einer Löwenjagd und verließ dann seine Heimatinsel, nachdem er von seinem Großvater zum Ritter geschlagen worden war, um seinen Onkel Galehaut herauszufordern, gegen den er in einem Tjost siegte.[4] Sein Ruhm erreichte auch den Hof von König Artus, der ihm zu Ehren ein Turnier in Winchester veranstaltete,[4] bei dem alle Ritter der Tafelrunde seine Heldentaten bewundern konnten.[5] Doch die Fee Morgane fürchtete, dass der Ritter sie daran hindern könnte, den Thron von Loegrie zu erobern,[5] und ließ während des Turniers einen Drachen erscheinen, der niemand anderes war als der Teufel selbst,[5] dessen Verfolgung der Held aufnahm, ohne das Turnier zu beenden.[6] Seine Jagd führte in zu vielen Abenteuern, die in verschiedenen Versionen erzählt werden, um schließlich den Drachen zu töten.[5]

Andere Varianten ergänzten die Geschichte des Ritters durch das Eingreifen Marganas: alle warteten auf die Rückkehr des Helden, bis eine Gesandte Morganas Artur davon überzeugte, dass Segurant nur eine Fata Morgana und ein Geschöpf der Zauberin Sibylle sei.[5] Als Arturs Hof erfuhr, dass zweihundert Ritter von der Insel Non Sachant nach dem Helden suchten, überzeugte eine neue Gesandte Morganas die Ritter der Tafelrunde davon, dass es sich um Zauberer handelte und hielt sie so davon ab, sich dieser Suche anzuschließen.[7] Ségurant wurde daraufhin in einem Zauberwesen verwandelt und in die Welt der Illusionen verbannt.[7]

Obwohl die Geschichte in der Legendenwelt von König Artus spielt, sucht der Held im Gegensatz zu anderen Artus-Helden nicht nach dem Gral und er zeigt auch kein Interesse an den Regeln der höfischen Liebe, was ihn zu einem untypischen, weltlichen Helden machte.[6][8] Der Roman zeichnet sich auch durch eine komische Dimension aus, die die spätere Entwicklung des Genres hin zur Parodie ankündigt, deren Höhepunkt dann Don Quixote von Miguel de Cervantes darstellte.[6][8]

Vergessen und Wiederentdeckung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Abenteuer von Ségurant hatten eine gewisse Berühmtheit, bevor sie in Vergessenheit gerieten, was die verschiedenen Versionen belegen, die bis zum 15. Jahrhundert im Umlauf waren. Erst Jahrhunderte später wurde die Figur Ségurant in einer Sammlung der französischen Prophéties de Merlin aus den Jahren 1272–1273, einer Reihe von politischen Prophezeiungen, die zwischen verschiedenen Episoden der Artuslegende eingestreut sind,[9] wiederentdeckt. Merlins Prophezeiungen wurden von verschiedenen Autoren verfasst und dem Zauberer Merlin zugeschrieben, sie zirkulierten in ganz Europa und waren ein enormer Erfolg. Mitte des 16. Jahrhunderts wurden sie jedoch im Rahmen der Gegenreformation durch die Katholische Kirche auf dem Konzil von Trient auf den Index gesetzt: Studien und Interpretationen wurden untersagt.[10][11] So gab es keine Neuauflagen oder Bearbeitungen und auch die Inhalte gerieten in Vergessenheit.

Nachdem 2010 Fragmente des Romans in einem Manuskript der Prophezeiungen Merlins in der Pariser Bibliothèque de l’Arsenal gefunden wurden,[12] führte der italienisch-französische Mediävist Emanuele Arioli eine Suche in Bibliotheken und Archive in ganz Europa durch, um die verbliebenen Fragmente der Abenteuer von Ségurant le Brun,[4] dem Drachenritter,[1] aufzuspüren. In zehn Jahren sammelte er achtundzwanzig Manuskripte in Frankreich, Italien, Deutschland, Belgien, der Schweiz und den USA, die es ihm ermöglichten, diesen vergessenen Roman zu rekonstruieren.[1]

Nachdem Emanuele Arioli den von ihm entdeckten Roman in modernes Französisch übertragen und im Verlag Belles Lettres publiziert hatte, adaptierte er ihn zusammen mit dem Zeichner Emiliano Tanzillo auch als Comic für den Verlag Dargaud.[13] Er veröffentlichte außerdem ein illustriertes Kinderbuch bei Seuil Jeunesse.[14]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Übertragung in modernes Französisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgabe in Altfranzösisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Emanuele Arioli: Ségurant ou Le chevalier au dragon. Classiques français du Moyen Âge Auflage. Band I. Honoré Champion, 2019, ISBN 978-2-7453-5053-4, EA19a, S. 404 (französisch).
  • Emanuele Arioli: Ségurant ou le chevalier au dragon. Classiques français du Moyen Âge Auflage. Band II. Honoré Champion, 2019, ISBN 978-2-7453-5055-8, EA19b, S. 289 (französisch).

Adaptationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Emanuele Arioli, Comics: Emiliano Tanzillo: Le chevalier au dragon. Dargaud, 2023, ISBN 978-2-505-12016-2, S. 104 (französisch, dargaud.com).
  • Emanuele Arioli, Illustrationen:Tanzillo und Alekos: Ségurant, le chevalier au dragon. Seuil jeunesse, 2023, ISBN 979-1-02351877-1 (französisch).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Emanuele Arioli: Ségurant ou le Chevalier au dragon : étude d’un roman arthurien retrouvé (XIII – XV siècles). Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge Auflage. Honoré Champion, Paris 2019, ISBN 2-7453-5137-0, EA19c, S. 538 (französisch, researchgate.net).
  • Emanuele Arioli: Ségurant ou le Chevalier au Dragon. Histoire litteraire de la France Auflage. Académie des inscriptions et belles-lettres, Paris 2016, ISBN 978-2-87754-337-8 (französisch)..
  • Nathalie Koble: Les prophéties de Merlin en prose. Nouvelle bibliothèque du Moyen Âge Auflage. Honoré Champion, 2009, ISBN 978-2-7453-1829-9 (französisch)..
  • Emanuele Arioli: Arthur en Europe à la fin du Moyen Âge – Approches comparées (1270–1530). Hrsg.: Christine Ferlampin-Ache. Garnier, Paris 2020, ISBN 978-2-406-09871-3, Un héros aux mille visages, Ségurant le Brun, Sicurano lo Bruno, Segurades el Brun, Severause le Brewse…, S. 71–87 (französisch)..
  • Emanuele Arioli: 300 Years of Robinsonades. Hrsg.: Emmanuele Peraldo. Cambridge Scholars Publishing, 2020, ISBN 978-1-5275-4724-7, A Medieval Robinsonade – Ségurant or the Knight of the Dragon, S. 31–41 (englisch).
  • Nathalie Koble: Le Romanesque aux XIV et XV siècles. Hrsg.: Danielle Bohler. Eidôlon Auflage. Presses Universitaires de Bordeaux, 2020, ISBN 979-1-03000527-1, Un nouveau Ségurant Le Brun en prose ? – Le Manuscrit de Paris, Arsenal, Ms 5229, un roman arthurien monté de toutes pièces, S. 69–94 (französisch)..
  • Emanuele Arioli: Créateurs, créations, créatures au Moyen Âge. Hrsg.: Florian Besson, Julie Pilorget et Viviane Griveau-Genest. Sorbonne Université Presses, Paris 2019, ISBN 979-1-02310652-7, EA19d, Comment recréer un roman qui n’existe plus ? – Le cas de Ségurant ou le Chevalier au Dragon, S. 285–293 (französisch)..

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Emanuele Arioli: Ségurant ou le Chevalier au dragon : étude d’un roman arthurien retrouvé (XIIIe–XVe). Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge Auflage. Honoré Champion, Paris 2019, ISBN 2-7453-5137-0, EA19c, S. 530 (französisch, researchgate.net).
  2. Armorial de la Table ronde (Ms-4976). (französisch, bnf.fr)..
  3. Armorial (Ms-4976), présentation de Ségurant le brun. S. 13; (französisch).
  4. a b c d e Emanuele Arioli: Créateurs, créations, créatures au Moyen Âge. Hrsg.: Florian Besson, Julie Pilorget et Viviane Griveau-Genest. Sorbonne Université Presses, Paris 2019, ISBN 979-1-02310652-7, EA19d, Comment recréer un roman qui n’existe plus ? - Le cas de Ségurant ou le Chevalier au Dragon, S. 286 (französisch).
  5. a b c d e Emanuele Arioli: Créateurs, créations, créatures au Moyen Âge. Hrsg.: Florian Besson, Julie Pilorget et Viviane Griveau-Genest. Sorbonne Université Presses, Paris 2019, ISBN 979-1-02310652-7, EA19d, Comment recréer un roman qui n’existe plus ? - Le cas de Ségurant ou le Chevalier au Dragon, S. 287 (französisch).
  6. a b c Justine Dockx: Ségurant ou le Chevalier au Dragon, découverte d’une œuvre et d’un héros singuliers. In: Acta fabula. Juni 2020, abgerufen am 2. Februar 2024 (französisch).
  7. a b Emanuele Arioli: Créateurs, créations, créatures au Moyen Âge. Hrsg.: Florian Besson, Julie Pilorget et Viviane Griveau-Genest. Sorbonne Université Presses, Paris 2019, ISBN 979-1-02310652-7, EA19d, Comment recréer un roman qui n’existe plus ? - Le cas de Ségurant ou le Chevalier au Dragon, S. 288 (französisch).
  8. a b Le Cours de l’histoire. In: France-Culture. 9. Oktober 2023, abgerufen am 2. Februar 2024 (französisch).
  9. Les Prophéties de Merlin. BnFc, abgerufen am 2. Februar 2024 (französisch).
  10. De libris prohibitis. Regula IX. Sacro Sancta Concilia. phil.labbe, tome 14, p. 954. Concile de Trente
  11. Index librorum prohibit a patribus Concilii tridentini. Edit. Sotomaior, 1667. In Myrdhinn, S. 340.
  12. Ms. 5229 de la Bibliothèque de l’Arsenal. (französisch, bnf.fr).
  13. Le Chevalier au Dragon. In: Éditions Dargaud. Abgerufen am 2. Februar 2024 (französisch).
  14. Bande dessinée – L’énigme genevoise d’un chevalier de la Table ronde. In: Tribune de Genève. 10. Oktober 2023, abgerufen am 2. Februar 2024 (französisch).