Seckel Löb Wormser

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Grab von Seckel Löb Wormser auf dem jüdischen Friedhof in Michelstadt
Wormsers Wohnhaus in der Erbacher Straße 12 in Michelstadt

Rabbi Jizchok Arje, auch Isac Löw Matthes Wormser, (* 1768 in Michelstadt im Odenwald; † 13. September 1847[1][2] [3] ebenda; umgangssprachlich Seckel Löb Wormser, genannt der Wunderrabbi von Michelstadt und Baal Schem von Michelstadt) war Rabbiner und Gelehrter.

Zitat

„Wohl kaum ein Jude hat sich dem Gedächtnis der Odenwälder so nachhaltig eingeprägt wie Seckel (d. i. Isaak) Löb Wormser, der von 1768 bis 1846 (korr. 1847[4]) lebte und um dessen Person sich zahlreiche Legenden ranken.'“

Klaus-Peter Walter[5]

Leben

Seine Talmud-Ausbildung erhielt Seckel Löb Wormser in Frankfurt am Main in der Jeschiwa von Nathan Adler.[6] Er lebte chassidisch und streng vegetarisch, was beides später zu „beträchtlichen“ Spannungen in seiner Gemeinde geführt haben soll. Dort begann er sich unter anderem dem Studium der Kabbala, später u. a. der deutschen Philosophen, speziell Schellings, und auch der lateinischen Sprache (was für orthodoxe Juden zu dieser Zeit unüblich war) zu widmen. Um 1790 heiratete er und unterhielt in Folge eine Jeschiwa, in der er bis 1822 als amtlicher Bezirksrabbiner wirkte, in der Anfangszeit noch inoffiziell. Das offizielle Gesuch um das Rabbinat an die Grafschaft Erbach-Fürstenau stammt vom 24. Juni 1823.[4] Seine erste Frau Adelheid verstarb 1808, wonach er vorübergehend nach Mannheim ging.

Rabbi Seckel Löb Wormser hatte aus zwei Ehen zusammen 15 Kinder:

Seckel Löb Wormser (* 1768 Michelstadt (Odenwald); † 13. September 1847 Michelstadt (Odenwald))

1. Ehe: Adelheid Reiss (* 1760 Frankfurt; ∞ 1790; † 1808 Michelstadt Odenwald)

  • Jakob Hirsch Wormser (* 1794 Michelstadt (Odenwald); † 1838); ∞ Bohnle Grünbaum
    • Adelheid Wormser (* 17. Dezember 1817 Michelstadt (Odenwald)); ∞ Emanuel Morgenthau
    • Matthäus Wormser (* 1822 Michelstadt (Odenwald))
    • Feistel Wormser (* 29. Februar 1824 Michelstadt (Odenwald))
  • Gnendel Wormser (* 1800 Michelstadt (Odenwald); † 1878); ∞ Eliyahu/Elias Strauss (* Michelstadt (Odenwald))
    • Schmuel/Samuel Straus (* 2. Oktober 1843 Michelstadt (Odenwald); † 25. Januar 1904 Karlsruhe); ∞ Isabella Feuchtwanger (* 13. Juni 1853 München; † 5. April 1893 Karlsruhe)
      • Gertrude Straus
      • Isaak Straus
      • Gabor Straus
      • Judith Straus
      • Fanny Straus
      • Albert Straus
      • Elias Straus
      • Adelheid Straus
      • Raphael Straus

2. Ehe: Johanna Benzinger (* 1789 Mannheim; † 1852)

  • Jaidel Wormser (* 9. Oktober 1817 Michelstadt (Odenwald))
  • Michael Wormser (* 1819 Michelstadt (Odenwald))
  • Meier Wormser (* 1822 Michelstadt (Odenwald))
  • Simon Wormser (* 18. Januar 1824 Michelstadt (Odenwald))
  • Wolf Raphael Wormser (* 9. Mai 1825 Michelstadt (Odenwald); März 1892 Michelstadt (Odenwald))
  • Isaac Wormser (* 19. Mai 1826 Michelstadt (Odenwald); † 17. Januar 1894 Cleveland, Ohio); ∞ Hannah Emrich (* 1827; 1850 nach USA; † 1911 Cleveland, Ohio)
    • Moses Wormser
    • Leopold Wormser
    • Bertha Wormser
    • Esther Wormser
    • Adaline Wormser
    • Amelia M. Wormser
  • Abraham Wormser (* 14. September 1829 Michelstadt (Odenwald); † New York)

Legendenbildung

In der Bevölkerung ging ihm durch Berichte seiner „Wundertaten“ ein Ruf als Beherrscher okkulter Mächte voraus, der zu der Bezeichnung Baal Schem von Michelstadt (wohl in Anlehnung an Baal Schem Tow) führte und noch im Ersten Weltkrieg Soldaten unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten vor ihrem Transport zur Front dazu veranlasst hat, an seinem Grab auf dem jüdischen Friedhof in Michelstadt zu beten. Es wird überliefert, dass all jene aus dem Krieg zurückgekehrt seien. Den Besitz „übernatürlicher Kräfte“ stritt er stets ab, doch half er Rat- und Hilfesuchenden zuweilen auch mit Amuletten. Die Quellen berichten so etwa von seinem außergewöhnlichen Erfolg bei der Behandlung von Mondsüchtigkeit. Seine angeblichen Wundertaten blieben in Südhessen lange in Erinnerung.

Die große Beliebtheit und Anteilnahme bei seinem Tod bezeugt folgender Bericht:

„In welch allgemeiner Verehrung und Liebe er hier und in der Umgegend gestanden war, bewies sein Leichenbegängnis, bei welchem eine gewiss sehr seltene Teilnahme betätigt wurde, denn über achthundert verschiedener Konfessionen Angehörige schlossen sich dem Leichenzuge an. Schon abends vorher und mit kommendem Tagesanbruch sah man von allen Seiten, zum Teil aus beträchtlicher Ferne, Freunde und Verehrer des Verstorbenen in Menge herbeiströmen.
Weiterhin folgten neben hochrangigen Mitgliedern der israelitischen Gemeinde zwei hiesige evangelische Geistliche, die Geistlichen von Erbach, viele auswärtige israelitische Lehrer und die Lehrer der hiesigen Real- und Stadtschulen. Auch Seine Erlaucht, der regierende Graf zu Erbach-Fürstenau hatten die Gnade, Seine Achtung dem Verblichenen durch eine Deputation zu bezeugen, welcher sich nun der Landrat des Bezirks, der hiesige Beigeordnete und Gemeinderäte anschlossen.“

Artikel in der Allgemeinen Zeitung des Judentums vom 18. Oktober 1847[4]

Ehrungen

Gedenktafel am Haus Erbacherstr. 12 in Michelstadt, wo S. L. Wormser von 1826 bis zum Tod im Jahr 1847 gelebt hat.

Im Jahr 1908 wurde der Rabbiner durch eine Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus geehrt.

Nach ihm benannt ist auch die alte Birnensorte Seckel-Löbs-Birne, die mit Auswanderern den Weg über den Atlantik fand und dort in den USA heute noch als Seckelpear bekannt ist.[7]

Seine Grabstätte wurde von Nazis geschändet und nach dem Weltkrieg u.a. von Nachkommen zum Teil renoviert. Der ursprüngliche Grabstein ist verloren. Davon existieren Fotografien. Das Grab wird immer noch vielfach besucht.

Literatur

  • Literatur von und über Seckel Löb Wormser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Michael Wormser: Das Leben und Wirken des in Michelstadt verstorbenen Rabbinen Seckel Löb Wormser, 1853 (unvollständig erhaltene Biographie seines Sohnes)
  • Arthur Kahn: Ein ungelöstes Rätsel, eine Erzählung nach einer Wahren Begebenheit in 8 Fortsetzungen in den Sabbath-Stunden, der Illustrierten Feuilleton-Beilage zur ‚Jüdischen Presse‘, Heft 1–8, Berlin, 1902
  • Judäus (d. i. Dr. Herz Ehrmann): Kulturgeschichtliche ErzählungDer Baal Schem von Michelstadt, ³1922
  • Mathilde Meier: Die Geschichten des Wunderrabbi von Michelstadt, Neuthor, Michelstadt 1982, ISBN 3-88758-009-5.
  • Zu Wormser allgemein vgl. das Stichwort von Gershom Scholem in der Encyclopaedia Judaica Band 16, a.a.O. Sp. 197/198
  • Karl Erich Grözinger: Seckel Löw Wormser – der Ba'al Schem von Michelstadt – Zum 150sten Tage seines Todes, in: Aschkenas 10/2000, H. 1, S. 157–175
  • Karl Erich Grözinger: Der Ba’al Schem von Michelstadt und die Frankfurter Kabbalisten, in: Menora, Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte, 1996, S. 324–340.
  • Karl Erich Grözinger: Zwischen Wunder und Wissenschaft – der Ba’al Schem von Michelstadt, in: Frankfurter Jüdische Nachrichten, Nr. 94/95,1997, Okt.
  • Karl Erich Grözinger: Der Ba'al Schem von Michelstadt. Ein deutsch-jüdisches Heiligenleben zwischen Legende und Wirklichkeit. Mit einem Neuabdruck der Legenden aus der Hand von Judaeus und Arthur Kahn., Campus, Frankfurt am Main 2010. ISBN 978-3-593-39282-0

Weblinks

Commons: Seckel Löb Wormser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Tod von Rabbi Isaak Löb (Seckel Löb) Wormser (1847) Alemannia Judaica
  2. http://www.geni.com/people/Seckel-L%C3%B6b-Wormser/6000000007399553872
  3. http://archive.org/stream/ellenwormserf001#page/n0/mode/2up
  4. a b c Informationen der Alemannia Judaica zu Rabbi Seckel Löb Wormser
  5. Erster Satz des Vorwortes von Klaus-Peter Walter, Herausgeber von Ein ungelöstes Rätsel, Arthur Khan, Deutsche Geschichte(n), Band 9, Neuthor-Verlag Michelstadt, 1993, ISBN 3-88758-054-0
  6. Encyclopaedia Judaica, Band 2, Jerusalem 1971, Sp. 284/285
  7. Deutsche Geschichte(n), Band 9, Neuthor-Verlag, Michelstadt 1993, ISBN 3-88758-054-0, S. 3, Anm. 1