Seevölkerrecht

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Das Seevölkerrecht ist eine der ältesten Regelungsmaterien des Völkerrechts. Es enthält Vereinbarungen über die Freiheit der Hohen See, über das Anlaufen fremder Häfen, über Hilfeleistung in Seenot, über die Verschmutzung der Meere, über den Festlandsockel und über die Abgrenzung der den Küsten vorgelagerten Hoheitsgewässer. Es erstreckt sich aber nicht auf Binnengewässer (Flüsse oder Seen) im Inland.

Geschichte

Das moderne Seevölkerrecht fußt auf dem von Hugo Grotius 1609 erstmals vertretenen Gedanken des freien Meeres (mare liberum), das Zugang für alle bietet. Ihm gegenüber stand die 1635 von John Selden entwickelte Doktrin des mare clausum, demnach die See in Interessensphären verschiedener Staaten unter Ausschluss von Drittstaaten aufgeteilt war. Diese Ansicht konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Eine vermittelnde Stellung nahm 1703 Cornelis van Bynkershoek ein. Er ging davon aus, dass im Grundsatz Eigentum am Meer bestehen kann, und zwar so weit, wie die Macht des Staates reicht. Als Grenze sah er die Reichweite der Geschütze an. Die damalige Geschützreichweite entspricht der Drei-Meilen-Zone.

Die See spielt seit langem eine bedeutende Rolle als Transportweg für Handelsgüter. Auch heute noch, trotz Luftfahrt und Eisenbahnen, ist sie für viele Güter der einzig lukrative Transportweg. Darüber hinaus dienen die lange Zeit als unerschöpflich geltenden Fischbestände in vielen Staaten zur Nahrungsmittelversorgung und bilden einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Die Überfischung der Meere hat in vielen traditionell vom Fischfang lebenden Staaten zu wirtschaftlichen Problemen geführt.

Aufgrund neuer technischer Möglichkeiten gewinnt die See darüber hinaus als Lagerstätte für Rohstoffe an Bedeutung. Im Meeresboden lagern erhebliche Mengen an Erdöl, Gasen und Mineralien, deren Gewinnung heutzutage möglich ist. Außerdem machen moderne Schiffe und U-Boote eine erheblich bessere militärische Nutzung der Hohen See möglich.

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurden daher von den Küstenstaaten verstärkt Hoheitsansprüche über die Meeresressourcen geltend gemacht. Dazu kamen weit von heimatlichen Gewässern entfernt fischende Fangflotten, sowie die steigende Gefahr der Meeresverschmutzung.

All dies führte dazu, dass in den 1970er Jahren die seit dem 17. Jahrhundert geltende Ausdehnung der Hoheitsgewässer von drei Seemeilen (die Reichweite einer Kanonenkugel) auf 12 Seemeilen ausgeweitet wurde. Einzelne Staaten machten sogar bis zu 200 Seemeilen geltend – eine Forderung, die allerdings beständig bestritten wird.

Angesichts solcher Forderungen wuchs in der Staatengemeinschaft (und insbesondere bei den Binnenstaaten) die Besorgnis, dass der Grundsatz des mare liberum verdrängt werden könnte.

Seit 1949 wurde innerhalb der Vereinten Nationen über das Seerecht beraten. 1958 und 1960 kam es in Genf zu den ersten beiden UN-Seerechtskonferenzen. Nur die erste Konferenz erzielte mit den Genfer Seerechtskonventionen einen gewissen Erfolg. Daneben wurden mehrere Verträge zu einzelnen Themen, wie z. B. dem Verbot der Stationierung nuklearer Waffen auf dem Meeresboden (Meeresboden-Vertrag) 1972 geschlossen. 1973 wurde die Dritte UN-Seerechtskonferenz einberufen, die schließlich 1982 mit dem Abschluss des Seerechtsübereinkommen endete.

Nach seinem Inkrafttreten 1994 ist es in den meisten Staaten (auch in der Bundesrepublik Deutschland, nicht aber in den USA) geltendes Recht.

Seevölkerrechtliche Regelungen

Völkerrechtliche Zonen nach dem Seerechtsübereinkommen

Das moderne Seevölkerrecht wird vor allem durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ) bestimmt.

Ein wichtiger Inhalt des SRÜ ist die Regelung der Hoheitsbefugnisse der Küstenstaaten. Ausgehend von der Küstenlinie legt das SRÜ verschiedene, teils sich überschneidende Zonen für die Ausübung der Hoheitsgewalt fest. Dabei nimmt mit der Entfernung von der Küste die Kontrolle des Küstenstaates ab. Streitigkeiten ergeben sich häufig bei Meerengen, wenn sich die Ansprüche auf das zu nutzende Gebiet überlagern.

Küstenmeer, Hoheitsgewässer (bis zu 12 sm, umgerechnet 22,2 km)

Das Küstenmeer, auch als Territorial- oder Hoheitsgewässer bezeichnet, ist das Gebiet, das sich bis maximal zwölf Seemeilen von der Basislinie (in der Regel die Niedrigwasserlinie, es sind aber auch gerade Basislinien möglich) erstreckt. Dem Staat stehen in seinem Küstenmeer sämtliche Hoheitsbefugnisse zur Verfügung.

Die Zwölf-Seemeilen-Zone wurde im Seerechtsübereinkommen der UN in Artikel 3 definiert. In den meisten Staaten löst die Zwölf-Seemeilen-Zone die früher übliche Drei-Meilen-Zone (3 sm = 5,56 km) ab.

Anschlusszone (bis zu 24 sm, umgerechnet 44,4 km)

In der an das Küstenmeer angrenzenden Anschlusszone, die von der Basislinie maximal 24 Seemeilen betragen darf, kann der Staat die erforderliche Kontrolle ausüben, um Verstöße gegen seine Zoll-, Gesundheits-, und Einreisevorschriften zu verhindern, oder Verstöße, die bereits in seinem Hoheitsgebiet oder Küstenmeer begangen wurden, zu ahnden.

Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ, bis zu 200 sm, umgerechnet 370,4 km)

In der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) kann der Staat bis zu einer Ausdehnung von 200 Seemeilen ausschließlich über die natürlichen Ressourcen, also Meeresbewohner und Bodenschätze, verfügen und wirtschaftliche Nutzungen steuern. Es bestehen darüber hinaus jedoch keine Rechte, die sich aus der Souveränität des Staates ergeben. Hoheitliche Befugnisse können daher nur im geringen Maße ausgeübt werden. Die häufigsten seevölkerrechtlichen Streitigkeiten beziehen sich auf die Nutzung der Wirtschaftszone.

Festlandsockel (mindestens 200 sm)

Der rechtliche Festlandsockel ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem geologischen Kontinentalschelf. Er erstreckt sich mindestens bis 200 sm von der Basislinie. Nach einer komplexen, im Seerechtsübereinkommen festgelegten Formel kann seine Grenze bis zu 350 sm von der Basislinie liegen, im Einzelfall noch darüber hinaus (100 sm von der 2500 m Wassertiefenlinie). Jenseits des Festlandsockels liegt der internationale Meeresboden. Der Abbau von Ressourcen des Meeresbodens ist allein dem Staat vorbehalten. Der Festlandsockel verändert den Status der über ihm liegenden Gewässer nicht.

Der internationale Meeresboden (das „Gebiet“) und die Hohe See

Den Meeresboden und den Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse bezeichnet das Seerechtsübereinkommen als „das Gebiet“ (engl. Area). „Das Gebiet“ besteht aus allem, was nicht Kontinentalschelf (Festlandsockel) ist. Es unterliegt keiner Souveränität. „Das Gebiet“ und seine Ressourcen sind „gemeinsames Erbe der Menschheit“ (Common Heritage of Mankind).[1] Sie unterliegen der Verwaltung durch die Internationale Meeresbodenbehörde.

Gerichtsbarkeit

Mit Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens wurde für die Anwendung des Völkerrechts auf See eine eigenständige Gerichtsbarkeit geschaffen, nämlich der Internationale Seegerichtshof mit Sitz in Hamburg. Er hat seine Arbeit im Jahr 1996 aufgenommen.

Literatur

Neueste Bücher auf Französisch (nicht ins Deutsche übersetzt):

  • Jean-Pierre Beurier & al. (Hrsg.): Droits maritimes 2009–2010. 2. Auflage, Dalloz-Sirey, Paris 2008, ISBN 978-2-247-07775-5.
  • Pierre Angelelli, Yves Moretti: Cours de droit maritime. Infomer, Rennes 2008, ISBN 978-2-913596-37-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Resolution 2749 (XXV) der UN-Generalversammlung von 1970