Städtische Straßenbahn Spandau

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Von 1892 bis 1967 fuhr im heutigen Berliner Bezirk Spandau eine Straßenbahn. Das Ende der Spandauer Straßenbahn am 3. Oktober 1967 markierte auch vorerst das Ende der West-Berliner Straßenbahn.

Geschichte

Aufbau des Netzes

In der selbstständigen Stadt Spandau fuhr zunächst eine Pferdebahn. Eine erste Konzession beantragte der Kaufmann August Voigt am 25. Oktober 1885 für eine Pferdebahn von Pichelsdorf zum Lehrter Bahnhof (ab 1911 nach Eröffnung des höhergelegten neuen Bahnhofs Spandau West 800 Meter weiter westlich, Spandau Güterbahnhof, ab 1998 Berlin-Spandau) und weiter direkten Weges durch die Potsdamer Straße (heute Carl-Schurz-Straße) zur Kaserne Schönwalder Straße mit einem Abzweig über den Markt und Breite Straße zur Gewehrfabrik an der Hertefeldstraße. Diese Pläne kamen aber nicht zustande.

Als 1889 die Einwohnerzahl Spandaus die 40.000er-Marke überschritt, kam es zu neuen Versuchen, die Pferdebahn einzuführen. Deren Geschichte begann am 26. April 1892 mit der Gründung der privaten Gesellschaft „Spandauer Straßenbahn Simmel, Matzky & Müller“, die ihren Betrieb am 1. Juni aufnahm – mit der Pferdebahnlinie Bahnhof (heute S-Bahnhof Berlin-Stresow) – Fehrbelliner Tor (heute von der Buslinie M45 in großen Teilen bedient). Aus Rücksicht auf die engen Gassen in der Altstadt wurde eine Spurweite von einem Meter gewählt, die engere Kurven möglich machte.

Zwei Jahre später folgte eine Linie nach Pichelsdorf (heute Teil der Buslinien 136/236). Diese Linien wurden 1896 auf elektrischen Betrieb umgestellt. Dies geschah unter der Regie der „Deutschen Kleinbahn-Gesellschaft“ die 1894 die Spandauer Straßenbahn-Gesellschaft übernommen hatte. Zur gleichen Zeit wurde die Bahn bis zum Schützenhaus verlängert. 1899 übernahm die Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) den Betrieb. Die Fahrzeuge mit Stangenstromabnehmer wurden bereits 1895 geliefert.

Im November 1901 wurde das Netz vom Fehrbelliner Tor zum Stadtpark (heute Cautiusstraße) und Pfingsten 1904 vom Schützenhaus nach Hakenfelde ausgedehnt. Dazwischen wurden 1903 die Rayonbestimmungen für die Festungsstadt Spandau aufgehoben, was sowohl dem Wohnungsbau als auch der Industrieansiedlung zugutekam.

Um eine Verbindung mit der Berliner Straßenbahn zu sichern, wurde ab 1906 die Meterspur an die Berliner Normalspurweite von 1435 mm angepasst. Gleichzeitig wurde das Netz mit der Verbindung zum Spandauer Bock über Ruhleben erweitert. Vorerst musste auf die Berlin-Charlottenburger Straßenbahn umgestiegen werden. Dabei war wegen verschiedener hoher Straßenniveaus eine enge Treppe zu überwinden, was von Fahrgästen immer wieder kritisiert wurde. Erst 1917 konnte nach Umbauarbeiten an der bisherigen Umsteigestelle am Spandauer Bock der durchgehende Gemeinschaftsbetrieb mit Berlin aufgenommen werden.

Im Jahre 1905 wurde die Spandauer Straßenbahn kommunalisiert und damit städtisch. In dieser Zeit erfolgte die Verlängerung der Strecke vom Stadtpark zum Johannesstift.

Damit gab es in Spandau am 1. Oktober 1908 folgendes Liniennetz der Straßenbahn:

  • B Stresowplatz ↔ Spandauer Bock
  • F Bahnhof ↔ Fehrbelliner Tor
  • H Bahnhof ↔ Hakenfelde
  • J Bahnhof ↔ Johannesstift
  • P Bahnhof ↔ Pichelsdorf
  • S Bahnhof ↔ Schützenhaus
  • St Bahnhof ↔ Stadtpark

Die „Städtische“ übernahm die Betriebsrechte der Elektrischen Straßenbahn Spandau–Nonnendamm, die von vornherein in Normalspur angelegt wurde, im Jahre 1910. Erst 1914 wurde diese Bahn ganz in die Städtische Straßenbahn Spandau eingegliedert. Nach Gründung der Gemeinde Groß-Berlin am 1. Oktober 1920 wurde die Spandauer Straßenbahn am 8. Dezember von der damaligen Berliner Straßenbahn übernommen, die über die Berliner Straßenbahn-Betriebs-Gesellschaft (1923) schließlich 1929 in der BVG aufging.

Noch im Jahr 1920 gab es eine Verlängerung der Stichstrecke am Westbahnhof durch die Seegefelder Straße bis zur Nauener Straße. Damit war das Spandauer Straßenbahnnetz auf den Stand bis zu den 1960er Jahren gelangt.

In Spandau selbst gesellte sich ab 1923 die Kleinbahn Spandau–Hennigsdorf hinzu, die als Linie 120 bis 1945 betrieben wurde. Sie führte vom damaligen Westbahnhof (heute Berlin-Spandau) über Markt – Hafenplatz – Schönwalder Straße bis zum Johannesstift und von da über die Strecke der Osthavelländische Kreisbahn bis Hennigsdorf. Anfangs mit Benzoltriebwagen betrieben, wurde die Strecke 1929 auf elektrischen Betrieb – mit Scherenstromabnehmer – umgestellt. Dieser Verkehr ist 1945 für immer eingestellt worden.

Berliner Jahre

Nach den Wirren der Inflationszeit stabilisierte sich die Berliner Straßenbahn. In Spandau wurden am 26. Januar 1924 folgende Straßenbahnlinien gefahren:

  • 54 Mitte, Kupfergraben ↔ Hakenfelde (über Ruhleben)
  • 154 Mitte, Kupfergraben ↔ Johannesstift (über Ruhleben)
  • 64 Hohenschönhausen ↔ Siemensstadt, Grenzstraße bzw. Gartenfeld
  • 164 Lichterfelde Süd ↔ Siemensstadt bzw. Pichelsdorf (über Kaiserdamm)
  • 98 Köllnische Heide, Venusplatz ↔ Spandau, Markt bzw. Pichelsdorf (über Siemensstadt)

Im Jahre 1927 gab es eine weitere Verbindung zwischen Spandau und Charlottenburg. Die Lücke zwischen Heerstraße, Scholzplatz und Pichelsdorf wurde geschlossen. Dafür wurde die Linie 75 neu eingerichtet.

Am 1. Januar 1929 betrieb dann die BVG folgendes Liniennetz in Spandau:

  • 54 Weißenburger Str. Ecke Danziger Str. ↔ Hakenfelde
  • 55 Treptow, Bouchéstraße ↔ Spandau-West, Nauener Straße
  • 58 Bahnhof Neukölln, Saalestraße ↔ Spandau, Stadtpark
  • 64 (Gartenfeld) bzw. Siemensstadt/Verwaltung ↔ Mitte, Dönhoffplatz
  • 75 Mitte, Kupfergraben ↔ Hakenfelde
  • 120 S-Bahnhof Spandau-West ↔ Hennigsdorf
  • 154 S-Bahnhof Frankfurter Allee ↔ Johannesstift

Nach 1930 wurden in Spandau mehrere Erweiterungen geplant, von denen aber keine mehr ausgeführt wurde:

  • von Nauener Straße durch diese selbst, dann Brunsbütteler Damm bis Staaken
  • ebenfalls von der Ecke Seegefelder Straße durch die Zeppelinstraße bis Waldfriedhof In den Kisseln
  • von Pichelsdorf über Gatow nach Kladow mit der Option der Fortsetzung nach Potsdam
  • von Gartenfeld entlang der damals schlecht ausgebauten Bernauer Straße nach Tegel

Nachkriegsjahre und Stilllegung

Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten viele Kriegsschäden beseitigt werden, wie überall in Berlin. Auch wurde in Spandau vom Stangenstromabnehmer auf den Scherenstromabnehmer übergegangen, der eine vereinfachte Fahrleitung zuließ. Nur der Betriebshof in der Pichelsdorfer Straße wurde nicht mehr komplett wiederaufgebaut. Seine Aufgaben übernahm ab 1962 der Betriebshof Königin-Elisabeth-Straße in Charlottenburg. Auf dem Hofgelände errichtete die GAGFAH Eigentumswohnungen.

Bis 1962 blieb das Netz der Spandauer Straßenbahn intakt. Am 1. April 1959 bestand es aus folgenden Linien:

  • 54 Johannesstift – Nollendorfplatz
  • 55 Spandau, Nauener Straße – Zoo, Kurfürstendamm
  • 75 Hakenfelde – Zoo, Kantstraße

Als Ergänzung wurden am 2. Mai 1959 folgende zusätzliche Linien eingerichtet:

  • 53 Johannesstift – Nollendorfplatz
  • 76 Hakenfelde – Zoo, Kantstraße

Die erste Stilllegung gab es am 1. März 1962, als die Straßenbahn in der Seegefelder Straße eingestellt wurde. Diese wurde ersetzt durch die Buslinien 63 und 99. Die Linie 55 fuhr ab Juliusturm – ohne das Rathaus und den Markt zu berühren – nach Hakenfelde.

Seit dem 4. Juni 1963 endeten die Züge der Linien 53 und 54 bereits am Richard-Wagner-Platz. Die Direktverbindung Spandau – Zoo ging endgültig an die Autobus-Schnelllinie AS 1 über.

War ursprünglich geplant, die Linien von Berlin nach Spandau erst um 1970 stillzulegen, gab es bereits 1966 eine empfindliche Einschränkung. Die Linien 75 und 76 wurden auf die Buslinien A 92 und A 94 (heute M49) umgestellt. Den Ast nach Hakenfelde übernahm die Linie A 97 (heute 136).

1967 war das letzte Jahr der Straßenbahn in Spandau. Zuerst traf es am 2. Mai 1967 die Linien 53 und 54, die auf Autobusbetrieb umgestellt wurden (Linien A 54 und A 56, heute M45 und 236). Mit der Aufgabe der letzten verbliebenen Linie 55 am 2. Oktober war in ganz West-Berlin der Straßenbahnbetrieb eingestellt. Nachfolger der Tram wurde die Buslinie 55, die heute weitgehend durch die Verlängerung der U-Bahnlinie 7 abgedeckt wird.

Seit 1928 wird Spandau von der Berliner S-Bahn angefahren. Diese Verbindung war aber von 1980 bis 1998 eingestellt. Die U-Bahn erreichte Spandau 1980 (Siemensstadt) bzw. 1984 am Rathaus.

Erste Stimmen, wieder in Spandau die Straßenbahn einzuführen tauchten nach der Wende in der DDR auf. Im Jahr 1994 legte der Fahrgastverband ProBahn eine Broschüre auf, in der nachgewiesen wurde, dass ein Inselbetrieb einer Straßenbahn in Spandau zehn Prozent mehr Betriebskosten verursachen würde als der Busbetrieb aber das Doppelte an Fahrgästen zu erwarten wären.[1] Im Jahre 2013 gründete sich eine „Initiative Spandauer Tram“ (IST). Diese fordert, für die Hauptkorridore der Metrobusse in Spandau (136/236, M37 und M49 als Kernnetz) ein eigenes Spandauer Straßenbahnnetz wieder einzuführen.[2] Dieses könnte in den Folgejahren erweitert werden. Zudem wurden in der Wasserstadt schon Bauvorleistungen getroffen wie auf der Wasserstadtbrücke.

Fahrzeuge

Für den 1896 beginnenden elektrischen Straßenbahnbetrieb wurden zunächst 24 Triebwagen und sieben Beiwagen beschafft. Mit der Umspurung wurden zunächst 13 neue Triebwagen eingesetzt. Die bisherigen Triebwagen wurden nunmehr als Beiwagen verwendet.

Nach der Vereinigung mit der Berliner Straßenbahn kamen alle normalen Berliner Wagentypen auch nach Spandau.

Die modernsten Straßenbahnwagen West-Berlins kamen auf Spandauer Linien zum Einsatz – fast bis zum Ende.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren jedoch auch West-Berlins modernste Straßenbahnwagen in Spandau, nämlich die beiden Prototypen des Großraumwagen der Typen TED 52 und BED 52. Die Züge waren als Einrichtungsfahrzeuge nur begrenzt einsatzfähig, zunächst auf der Linie 75 von Zoo, Breitscheidplatz nach Hakenfelde. Mit dem Umbau des Breitscheidplatzes entfiel die Schleifenfahrt um die Gedächtniskirche, sodass ab dem 1. April 1959 der Einsatz auf die Linie 75E zwischen Savignyplatz und Hakenfelde beziehungsweise Spandau Markt beschränkt war. Nach der Stilllegung der Linien 75 und 76 am 24. Januar 1966 fuhren die Züge auf den Linien 53 und 54 zwischen Richard-Wagner-Platz und Hakenfelde beziehungsweise Johannesstift. Mit der Stilllegung beider Linien am 2. Mai 1967 wurden sie in Charlottenburg abgestellt, später zum Teil verschrottet oder an den Denkmalpflegeverein Berlin übergeben, nachdem die BVG sie jahrelang als Museumswagen aufbewahrt hatte.

Literatur

  • Sigurd Hilkenbach, Wolfgang Kramer: Die Straßenbahnen in Berlin. alba, Düsseldorf 1992, ISBN 3-87094-344-0, S. 47 f.
  • Wolfgang R. Reimann, Reinhard Schulz: Anhaltspunkte. Bernd Neddermeyer, Berlin 2006, ISBN 3-933254-68-X.
  • Hans Jürgen Kämpf: Die Straßenbahn in Spandau und um Spandau herum. Heimatkundliche Vereinigung Spandau 1954 e. V., Berlin 2008, ISBN 978-3-938648-01-8.

Einzelnachweise

  1. Joachim Kochsiek: Berlin wählt Straßenbahn. GVE-Verlag, 1995, ISBN 3-89218-028-8, S. 48 ff.
  2. bz-berlin.de