Swanetien

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Mai 2016 um 14:12 Uhr durch Minos (Diskussion | Beiträge) (→‎Kultur und Volksreligion: Verlinkung geändert; verwies auf diese Seite, offenbar ist die Sprache gemeint die einen eigenen Artikel hat). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Koordinaten: 43° 4′ 10″ N, 42° 34′ 10″ O

Historische Region Niederswanetien in Georgien
Historische Region Oberswanetien in Georgien
Waldgebiete in Oberswanetien
Swanetischer Wehrturm

Swanetien (georgisch სვანეთი/Swaneti) ist eine historische Region Georgiens im Großen Kaukasus, die heute auf die Regionen Mingrelien und Oberswanetien und Ratscha-Letschchumi und Niederswanetien aufgeteilt ist. Die bedeutendste Stadt in Swanetien ist Mestia.

Geographie

Man unterscheidet zwischen Oberswanetien (georgisch Semo Swaneti) und Niederswanetien (Kwemo Swaneti). Diese beiden Regionen werden durch das Swanetische Gebirge getrennt. In Oberswanetien leben heute ca. 45.000 Menschen. Es liegt im Tal des Enguri. Seine Bergdörfer gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Niederswanetien liegt dagegen im Tal des Zcheniszqali.

Der höchste Berg in Swanetien ist der Uschba.

Geschichte

Die Swanen werden sowohl von den Griechen als auch von den Römern erwähnt. Im 4. Jahrhundert v. Chr. beschreibt der griechische Chronist Xenophon die Swanen. Vermutlich zogen sie im 3. Jahrhundert v. Chr. von den Ebenen zu den abliegenden Bergregionen. Von dem griechischen Geographen Strabon (63 v. Chr.–23 n. Chr.) wurden die Swanen als kriegerisches Volk beschrieben.

Das Fürstentum Swanetien gliederte sich etwa im 12. Jahrhundert dem georgischen Königreich an. Im 15. Jahrhundert entstanden dann das Fürstentum Dadeschkeliani-Swanetien im westlichen Oberswanetien, das Fürstentum Niederswanetien (nach der Fürstenfamilie, die gleichzeitig auch über Mingrelien und im Mittelalter auch in Gurien herrschte, auch als Dadiani-Swanetien bezeichnet) und das Freie Swanetien im östlichen Oberswanetien, das keinen Monarchen besaß. Swanetien war im gesamten Mittelalter trotz seiner abgeschiedenen Lage mit den georgischen Reichen verbunden. Allein in Oberswanetien wurden im Mittelalter über 100 georgisch-orthodoxe Kirchen gebaut, die meisten in der Hochzeit der Kirchenbaukunst zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert.[1]

Zwischen 1857 und 1859 wurde Niederswanetien vom Russischen Reich annektiert. 1846 folgte Oberswanetien. 1864 bereiste der deutsche Naturforscher Gustav Radde die Region.

Kultur und Volksreligion

Für die Swanen ist der Tod lediglich durch eine „dünne Wand“ vom Leben getrennt. Sie glauben, dass Ihre verstorbenen Angehörigen sich um das Seelenheil der noch Lebenden kümmern. Deshalb kümmern sich die Lebenden auch um das Seelenheil der Verstorbenen. Diese Wand-Metapher lässt sich besonders gut an den swanischen Sakralbauten ablesen. Auf den Innenwänden vieler swanischer Kirchen sind – wie in der orthodoxen Kirche üblich – Heilige zu sehen, wohingegen auf der Außenseite weltliche Persönlichkeiten wie etwa Könige abgebildet sind. Gottesdienste werden in Swaneti zumeist außen an der Kirche abgehalten und nicht in ihr. Der Raum innerhalb der Kirche ist den Seelen der Verstorbenen vorbehalten. Der Höhepunkt der Erinnerung an die Verstorbenen und die Ehrung ihrer Seelen ist das jährlich stattfindende Lipanali-Fest.[2] Ist ein Mensch außerhalb seines Hauses verstorben, so irrt dessen Seele frei umher und muss eingefangen und zurückgeholt werden. Zu den Beerdigungsritualen gehört in diesem Fall, dass am Ort seines Todes bis zum Morgengrauen die dreisaitige Fidel tschuniri gespielt wird, wodurch die Seele anschließend mit der Prozession ins Haus zurückkehrt.

Die Swanen haben eine Vorstellung vom Schicksal, wonach ein Säugling eine unsichtbare Schrift auf die Stirn erhält, die festlegt, wann und auf welche Art er sterben wird. Stirbt der Säugling sehr früh, heißt es, er sei „ohne Schrift auf der Stirn“ verstorben. Schicksalszeichen kommen auf verschiedene Weise in der kaukasischen Volksdichtung vor.[3]

Charakteristisch für die swanetische Kultur sind Kreistänze mit mythologischem Hintergrund, die häufig von Jagd und Fruchtbarkeit handeln. In Swanetien haben sich mehr als anderswo in Georgien vorchristliche Vorstellungen erhalten. Nur hier wird noch die tschangi gespielt, eine aus dem iranischen Hochland stammende Winkelharfe, die im Mittelalter weit verbreitet war.[4]

Literatur

  • Wolfgang Korall: Swanetien - Abschied von der Zeit. Kraft, Würzburg 1991, ISBN 3-8083-2005-2.
  • Brigitta Schrade: Schatzkammer Swanetien: Das Restaurierungsprogramm von Stichting Horizon 1997–2006 in Georgien (mit Fotos von Rolf Schrade) / Art treasury of Svaneti: The restoration programme of Stichting Horizon in Georgia (with photos by Rolf Schrade). Stichting Horizon, Rolf Schrade, Naarden/Niederlande, Mahlow bei Berlin 2008.
  • Benno Pludra: Wie ich nach Swanetien reisen wollte. Kinderbuchverlag, Berlin 1974.
  • Werner Rietdorf: Kaukasusreise. Westkaukasus. Swanetien. Elbrusregion. Verlag Simon, Pullach 1990, ISBN 3-7972-0168-0.

Weblinks

Traditioneller Tanz
Commons: Swanetien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kevin Tuite: Lightning, Sacrifice, and Possession in the Traditional Religions of the Caucasus (Continued from Anthropos 99. 2004: 143–159.) In: Anthropos, Bd. 99, Heft 2, 2004, S. 481–497, hier S. 489
  2. Elguja Dadunashvili: Volksreligiöse Praktiken bei den Swanen. In: G2W Ökumenisches Forum für Glauben, Religion und Gesellschaft in Ost und West. Nr. 6, Zürich 2011, S. 24–26
  3. Amiran Arabuli: Schicksalsmetaphern in der georgischen Volksdichtung und Literatur. Ethnographische Notizen aus der Zeit vor dem 21. Jahrhundert. In: Anthropos, Bd. 98, Heft 1, 2003, S. 152–157, hier S. 155
  4. Joseph Jordania: Georgia. In: Thimothy Rice, James Porter, Chris Goertzen (Hrsg.): Garland Encyclopedia of World Music. Volume 8: Europe. Routledge, New York/London 2000, S. 839