Theodor Haecker

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Theodor Haecker (auch: Häcker; * 4. Juni 1879 in Eberbach (Mulfingen); † 9. April 1945 in Ustersbach) war ein deutscher Schriftsteller, Kulturkritiker und Übersetzer.

Theodor Haecker zählt zu den sprachmächtigsten Vertretern des katholischen Existentialismus und zu den radikalsten Kulturkritikern in der Weimarer Republik und im Dritten Reich; das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon rechnet ihn „zu den bedeutendsten katholischen Schriftstellern zwischen den beiden Weltkriegen“.

Leben

Haecker wuchs in Esslingen am Neckar auf, wo er zunächst als Mitarbeiter des Schreiber-Verlages arbeitete, bis er 1905 zum Studium nach München umzog, wo er bis 1944 lebte. 1941 wurde er Hauptschriftleiter des Schreiber-Verlags. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Haecker zunächst als Übersetzer bekannt: er übertrug die Eklogen Vergils, Werke und Tagebücher von Søren Kierkegaard sowie des englischen Kardinals John Henry Newman.

Unter Newmans Einfluss konvertierte Haecker 1921 zum Katholizismus und veröffentlichte seitdem v.a. katholisch geprägte kulturkritische Essays in den Zeitschriften Der Brenner und Hochland. Aus derselben Haltung gingen auch seine kulturphilosophischen Bücher hervor, unter denen Vergil. Vater des Abendlands 1931 am bekanntesten wurde.

Haeckers entschieden christliche Haltung, die ihn keine Kompromisse mit dem aufkommenden Nationalsozialismus eingehen ließ, und seine klaren Absagen an die faschistische 'Kulturerneuerung' führten zu einem Rede- und Publikationsverbot, mit dem er seit 1936 belegt wurde. Während dieses verordneten Schweigens schrieb Haecker 1939 bis 1945 die Aufzeichnungen der Tag- und Nachtbücher nieder, die 1947 postum veröffentlicht wurden [1]. Haeckers Notizen zählen zu den bedeutendsten Zeugnissen der inneren Emigration deutscher Intellektueller in der Nazi-Zeit.

Nachdem seine Wohnung in München bei einem Bombenangriff zerstört worden war, verbrachte er seine letzten Lebensmonate in Ustersbach, wo er am 9. April 1945 wegen fehlendem Insulin verstarb und beerdigt wurde. Haecker war verheiratet und hinterließ drei Kinder[2].

Zitate

„… denn ich bin auf dem Wege gewesen, langsam aber hartnäckig, und mit Hilfe von oben – in alle Nacht leuchtete doch immer ein Licht, das nicht von dieser Welt ist.“ (Theodor Haecker, Vorrede zu Satire und Polemik, Innsbruck 1922, S. 16)

„Der Weg des Heils kann nicht sein die Zusammenschweißung einer Masse, sondern eher ihre Zertrümmerung.“ (Theodor Haecker, Tag- und Nachtbücher, München 1949, S. 185)

Von Sophie Scholl ist eine eindrucksvolle Schilderung der persönlichen Ausstrahlung Haeckers überliefert. Sie schrieb nach einer Lesung an ihren Verlobten Fritz Hartnagel: „Seine Worte fallen langsam wie Tropfen, die man schon vorher sich ansammeln sieht, und die in diese Erwartung hinein mit ganz besonderem Gewicht fallen. Er hat ein sehr stilles Gesicht, einen Blick, als sähe er nach innen. Es hat mich noch niemand so mit seinem Antlitz überzeugt wie er.“ (Sophie Scholl an Fritz Hartnagel, 7. Februar 1943)

„Euer Ruhm ist ohne Glanz. Er leuchtet nicht. Man spricht von euch, weil ihr die besten Maschinen habt - und seid. In diesem Staunen der Welt ist kein Funke von Liebe. Und nur Liebe gibt Glanz. Ihr haltet euch für auserwählt, weil ihr die besten Maschinen, Kriegsmaschinen baut und sie am besten bedient.“ (Theodor Haecker: An die Deutschen. 1941)

Wirkung und Würdigung

Theodor Haecker war eine prophetische Stimme des Widerstandes gegen den Ungeist der deutschen „Herrgottreligion“. Er war ein Mentor von Hans und Sophie Scholl vom Widerstandskreis Weiße Rose. Mehrmals trug er dort aus seinen Werken und Notate aus seinen Tag- und Nachtbüchern vor.

Schon im ersten Flugblatt der „Weißen Rose“ vom 27. Juni 1942 wurde ein richtungweisender Anspruch bekundet. Es heißt dort: „... verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine, ehe es zu spät ist...“ Dieser Duktus dürfte auf Theodor Haecker zurückgehen; Hans Scholl kannte wohl Haeckers Notat „An die Deutschen 1941“: „Euer Ruhm ist ohne Glanz. Er leuchtet nicht. Man spricht von euch, weil ihr die besten Maschinen habt − und seid. In diesem Staunen der Welt ist kein Funke von Liebe. Und nur Liebe gibt Glanz. Ihr haltet euch für auserwählt, weil ihr die besten Maschinen, Kriegsmaschinen baut und sie am besten bedient. (...) Christlich ist nur ein Weg: Umkehr...“

Die starke motivische Ähnlichkeit zwischen Notaten Haeckers und den Flugblättern zeigt sich weiterhin in der Empörung über das Böse und in der Forderung nach Umkehr. Im dritten Flugblatt heißt es: „Unser heutiger ‚Staat’ aber ist die Diktatur des Bösen. (...) Denn mit jedem Tag, da ihr noch zögert, da ihr dieser Ausgeburt der Hölle nicht widersteht, wächst eure Schuld gleich einer parabolischen Kurve höher und immer höher.“ Offenkundig ist auch der apokalyptische Duktus des vierten Flugblatts: „Wer aber heute noch an der realen Existenz der dämonischen Mächte zweifelt, hat den metaphysischen Hintergrund dieses Krieges bei weitem nicht begriffen.“ Explizit spricht das vierte Flugblatt von den Propheten, die „das Volk zur Umkehr mahnten.“

Haeckers Bücher wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mehrfach neu aufgelegt und gerade die Tag- und Nachtbücher weithin bekannt; so machte Heinrich Böll das darin enthaltene Zitat „Wo warst Du, Adam“ zum Titel seines gleichnamigen Romans. Dennoch zählt Haecker heute zu den beinahe vergessenen Autoren. Zu seinem Andenken stiftete die Stadt Esslingen am Neckar 1995 den Theodor-Haecker-Preis.

Am Wohnhaus seiner Kindheit in Esslingen brachten seine Freunde eine Tafel an mit der Inschrift: „Theodor Haecker, ein dezidierter Christ, ein genuiner Denker, ein Meister des Wortes.“ Am Eingang des Friedhofs in Ustersbach (bei Augsburg), wo Haecker begraben ist, findet sich diese Würdigung durch T. S. Eliot: „Er war ein wahrhaft großer Mensch, Gelehrter, Denker und Dichter zugleich.“ Theodor-Haecker-Straßen gibt es in Köln, Mulfingen und Ustersbach. In seinem Wirkungsort München erinnert nichts mehr an Theodor Haecker. In Laupheim bei Ulm steht ein von einem Privatmann errichteter „Theodor Häcker Brunnen“ des Bildhauers Gerold Jäggle (Ertingen) mit einer Büste des Schriftstellers.

Werke

  • Satire und Polemik. Der Geist des Menschen und die Wahrheit, 1922
  • Christentum und Kultur, München 1927
  • Virgil, Vater des Abendlandes, 1931
  • Was ist der Mensch?, 1933
  • Schöpfer und Schöpfung, Leipzig 1934
  • Der Christ und Geschichte, Leipzig 1935
  • Schönheit. Ein Versuch, 1936
  • An die Deutschen, 1941
  • Die Versuchungen Christi, Berlin 1946
  • Der Buckel Kierkegaards, Zürich 1947
  • Tag- und Nachtbücher. 1939-1945, München 1949
  • Opuscula (Sammelband), München 1949
  • Metaphysik des Fühlens. Eine nachgelaßene Schrift, 1950

Literatur

  • Eugen Blessing: Theodor Haecker. Gestalt und Werk. Glock & Lutz, Nürnberg 1959
  • Eugen Blessing: Haecker, Theodor. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 425–427 (Digitalisat).
  • Karin Masser: Theodor Haecker. Literatur in theologischer Fragestellung. Peter Lang, Frankfurt 1986 ISBN 3-8204-8747-6
  • Hinrich Siefken (Bearb.): Theodor Haecker 1879–1945. (= Marbacher Magazin; 49). Deutsche Schillergesellschaft, Marbach 1989. Mit Haecker-Bibliographie von Eva Dambacher.
  • Michael Langer: Theodor Haecker 1879–1945. in: Emerich Coreth u.a. (Hgg.): Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Bd. 3, Graz 1990, S. 216-225
  • Friedrich Wilhelm Bautz: Theodor Haecker. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2, Bautz, Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8, Sp. 433–434.
  • Bernhard Hanssler (Hrsg.): Theodor Haecker. Leben und Werk. Texte, Briefe, Erinnerungen, Würdigungen. (= Esslinger Studien; 15). Stadtarchiv Esslingen, Esslingen 1995
  • Jürgen Klöckler: Abendland – Alpenland – Alemannien. Frankreich und die Neugliederungsdiskussion in Südwestdeutschland 1945-1947. Oldenbourg, München 1998, ISBN 3-486-56345-9, S. 129
  • Gebhard Fürst (Hrsg.): Theodor Haecker 1879–1945. Verteidigung des Bildes vom Menschen. Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart 2001, ISBN 3-926297-82-4

Weblinks

Anmerkungen

  1. seitdem häufige Neuauflagen; zuletzt 1959 ohne ISBN, 1989 ISBN 3-85218-054-6
  2. Jürgen Klöckler: Abendland – Alpenland – Alemannien. Frankreich und die Neugliederungsdiskussion in Südwestdeutschland 1945-1947. Oldenbourg, München 1998, ISBN 3-486-56345-9, S. 129