Verstellpropeller

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Verstellpropeller

Verstellpropeller sind Propeller, bei denen der Einstellwinkel der Propellerblätter variabel ist, wodurch der Anstellwinkel der Blätter an verschiedene Betriebssituationen angepasst werden kann. Verstellpropeller kommen als Luftschrauben und als Schiffspropeller zum Einsatz.

Luftfahrt

Airbus A400M beim Rollen angetrieben nur von den inneren Triebwerken, äußere Propeller in Segelstellung

Der Verstellpropeller der Luftfahrt ist eine Luftschraube, deren Blatt-Steigung (Pitch) am Boden oder während des Fluges verstellt werden kann.

Verstellpropeller in der Luftfahrt gehen auf Entwicklungen der 1930er Jahre zurück, als aufgrund der zunehmenden Geschwindigkeitsspanne bei Flugzeugen der Festpropeller zunehmend in seiner Leistungsfähigkeit zu begrenzt erschien. Die zunächst verwendeten am Boden verstellbaren Propeller befriedigten nicht, da nur eine Anpassung an den Startplatz oder an den Belastungszustand möglich war. Durch Propeller, die auch im Fluge verstellbar waren, gelang es, während des Starts und auch beim Reiseflug den Propeller an die Umgebungsbedingungen anzupassen. Der große Vorteil des Verstellpropellers ist die Möglichkeit der Anpassung der Luftschraubensteigung an die tatsächliche Geschwindigkeit, vergleichbar mit einem stufenlosen Getriebe in einem Automobil (CVT-Getriebe). Wer einmal versucht hat, im fünften Gang anzufahren, weiß, wie schwer es Propellermaschinen vor der Ära der Verstellpropeller beim Starten hatten. Darum hatte man, verglichen mit einem Auto, den dritten Gang bei Flugzeugen gewählt und die geringe Endgeschwindigkeit in Kauf genommen.

Segelstellung an einer An-140 (Bild Mitte)

Durch die Einführung der Verstellpropeller haben die Leistungsdaten der Flugzeuge einen großen Fortschritt erlebt: Eine Boeing 247 mit Verstellpropeller brauchte bei gleicher Motorleistung 20 % weniger Startstrecke, hatte eine um 22 % bessere Steigleistung und eine 5,5 % höhere Reisegeschwindigkeit. Außerdem erhöhte sich bei mehrmotorigen Flugzeugen die Sicherheit, da bei einem ausgefallenen Motor der entsprechende Propeller in Segelstellung (feathered mode) gebracht werden konnte. Dadurch drehte sich der Motor nicht mehr zwangsweise weiter, was zuvor zum Brechen der Kurbelwelle aus dem Motorgehäuse führen konnte, und der Luftwiderstand wurde deutlich kleiner – die verbliebenen Motoren benötigten weniger Leistung, um das Flugzeug in der Luft zu halten. Auch bei Reisemotorseglern können Verstellpropeller mit Segelstellung verwendet werden, um im motorlosen Flug einen geringeren Luftwiderstand zu erreichen.

Grundsätzlich kommt eine automatische oder manuelle Verstellung in Betracht. Auch kann der Verstellpropeller eine stufenlose Änderung der Steigung oder auch nur bestimmte Stufen ermöglichen. Die höchste Stufe der Entwicklung der Verstellpropeller ist der Festdrehzahlpropeller (Constant Speed Propeller), bei dem die Motordrehzahl konstant bleibt und die Schubkraft nur durch die Verstellung der Propellerblätter geregelt wird. Das bietet den Vorteil, im Bedarfsfall sofort die volle Motorleistung zur Verfügung zu haben, ohne dass erst Massen beschleunigt werden müssen, außerdem ist eine Schubumkehr möglich, sowie eine Segelstellung, welche bei Triebwerksstillstand den geringstmöglichen Luftwiderstand bietet. Dies geht so weit, dass bei Modellflugzeugen beim 3D-Fliegen in der Luft angehalten und kurzzeitig rückwärts geflogen werden kann.

Vorteil

Mehr Schubkraft beim Start und Steigflug, geringere Belastung der Maschine, daraus resultierend deutlich weniger Treibstoffverbrauch. Auch die Möglichkeit der Segelstellung bei defekter Maschine und des Rückwärtsschubes (zum Abbremsen bei der Landung und Rangieren am Flugfeld) machen modernen Flugbetrieb mit Propellermaschinen erst möglich.

Nachteil

Zusätzlicher Wartungs- und Kontrollaufwand, letztlich werden aber unter den Propellerflugzeugen nur noch langsame Klein- bzw. Schulungsflugzeuge und nostalgische Maschinen ohne Verstellpropeller betrieben. Selbst höher motorisierte Varianten der Standardflugzeuge Cessna 172 und Piper PA-28 besitzen Verstellpropeller, neuerdings sogar einzelne Ultraleichtflugzeuge (beispielsweise Flight Design).

Schifffahrt

Propellerblatt
Montage der Propellerblätter
Schiffspropeller

Im Unterschied zum konventionellen Propeller mit fester Steigung, der heute meist aus einem Guss gefertigt wird, sind beim „Controllable Pitch Propeller“ oder Verstellpropeller die Propellerblätter drehbar an der Nabe befestigt. Damit lässt sich die Steigung (engl. pitch) stufenlos von Nullschub in Richtung Voraus oder Zurück verstellen. Verstellpropeller kommen bei Einheiten zum Einsatz, bei denen gute Manövrierbarkeit, Generatorbetrieb und/oder stark unterschiedliche Dauergeschwindigkeiten gefordert sind, z. B. Fähren, Passagierschiffe, Feeder.

Geschichte

Verstellpropeller existierten mindestens schon seit der Zeit um 1850. Ihre komplexe mechanische Bauausführung stand ihrem Erfolg aber lange im Weg. Das Prinzip des modernen Verstellpropellers ging auf den Wasserturbinenbau mit Verstellschaufeln in Kaplan-Bauweise zurück. Nachdem der Ingenieur Englesson der schwedischen Firma KaMeWa die Grundlagen zur technischen Umsetzung gelegt hatte, brachte das schweizerische Unternehmen Escher-Wyss 1934 den ersten Schiffsverstellpropeller moderner Bauart heraus. Die auf dem Zürichsee verkehrende Etzel war das erste damit ausgerüstete Schiff.[1] Das erste seegehende Schiff mit Verstellpropeller war die 1944 in Fahrt gesetzte Suecia der schwedischen Reederei Johnson, die mit einer Verstellpropelleranlage von KaMeWa ausgerüstet war.[2]

Vorteile

Der Antrieb kann bei laufendem Schiffsmotor von „voraus“ auf „zurück“ umgesteuert werden, was mit erheblicher Zeitersparnis verbunden ist, da die Maschine nicht mehr gestoppt, und auch nicht auf Mindestdrehzahl heruntergefahren werden muss. Damit ist die Manövrierbarkeit wesentlich verbessert.

Die Maschine wird bei Nullschub angelassen und auf Marschdrehzahl hochgefahren, sie wird beim Starten nicht noch zusätzlich durch das Antriebs-Drehmoment belastet. Das Fahrzeug nimmt nicht unmittelbar Fahrt auf, wenn die Maschine gestartet wird. Ein Durchdrehen der Welle und damit der Maschine durch Strömung (z. B. vorbeifahrende Schiffe im Hafen) wird durch den auf Nullschub stehenden Propeller verhindert. Schiffe mit Verstellpropeller besitzen kein Wendegetriebe, allenfalls ein Reduziergetriebe bei schnelldrehenden Motoren. Somit entfällt ein wesentlicher Schwachpunkt im Antriebssystem. Die Effizienz ist bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten günstiger als im Falle eines Festpropellers.

Nachteile

Ein Verstellpropeller ist mechanisch wesentlich aufwändiger und teurer in der Herstellung als ein Propeller mit fester Anordnung der Propellerflügel. Der Verstellmechanismus erfordert einen gewissen Wartungsaufwand und ist ein zusätzliches System, das ausfallen kann. Die Kraftübertragung ist in gewissem Maße geschwächt durch die Mehrteiligkeit von Propellerflügeln und separater Nabe. Die energetische Effizienz des Vortriebes ist zwar über weite Teile des Verstellbereiches gut, aber nicht so optimal wie die Effizienz eines Festpropellers, der in seinem Nenndrehmoment arbeitet.

Betrieb

Die Verstellung erfolgt bei großen Schiffspropellern hydraulisch, die nötigen Leitungen sind axial durch die Welle geführt. Kleine Anlagen können auch mechanisch verstellt werden. Der Motor wird unbelastet (Flügelstellung Null) auf seine Nenndrehzahl gefahren. Ist diese erreicht, kann der Propeller zum Manövrieren benutzt werden. Bei konstanter Drehzahl ist Generatorbetrieb möglich. Im Falle des sog. Kombinatorbetriebs folgt die Lastregelung den im weiten Bereich parallelen Drehzahl-/Steigungskennlinien.

Einzelnachweise

  1. Eugen Greiner: Konstruktion und Betrieb von Verstellpropellern. In: Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft. Band 47, 1953, ISSN 0374-1222, S. 151–166.
  2. The Motor Ship Reference Book. 19. Auflage. Temple Press, London 1950, S. 24.