Virtuelles Alpenobservatorium

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Logo VAO

Das Virtuelle Alpenobservatorium (VAO)[1] ist ein Netzwerk von europäischen Höhenforschungsstationen in den Alpen und alpenähnlichen Gebirgen in acht Ländern (Deutschland, Frankreich, Georgien, Italien, Norwegen, Österreich, Schweiz und Slowenien), die sich zusammengeschlossen haben, um wissenschaftliche Fragestellungen im System Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre- und Kryosphäre und Gesundheit gemeinsam und grenzübergreifend zu bearbeiten. Das Netzwerk wurde am 19. April 2012 in der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf der Zugspitze offiziell gegründet und ist seither stetig gewachsen.

Thematische Forschungsschwerpunkte des VAO sind: (i) Atmosphärische und klimatische Variabilität, (ii) Klimatische Auswirkungen auf die Alpine Umwelt, Gefahren und Risiken (iii) Alpiner Wasserhaushalt und (iv) Umwelt und die menschliche Gesundheit. In einem weiteren Bereich werden die Weiterentwicklung von Infrastruktur und die Entwicklung neuartiger Technologien für Klima- und Umweltforschung vorangetrieben.

Beteiligte Höhenforschungsstationen und Observatorien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Umweltforschungsstation Schneefernerhaus, Deutschland[2]
  • Observatoire des Sciences de l’Univers de Grenoble, Frankreich[3]
  • Kharadze Abastumani Astrophysical Observatory, Georgien[4]
  • Eurac research, Italien[5]
  • Andøya Space Center, Norwegen[6]
  • Sonnblick Observatorium, Österreich[7]
  • High Altitude Research Stations Jungfraujoch and Gornergrat International Foundation, Schweiz[8]
  • Center for Atmospheric Research, Slowenien[9]

Motivation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Alpenregion zählt zu den Regionen der Erde, die vom Klimawandel in ganz besonderer Weise betroffen sind. So ist hier die Temperatur seit dem Jahr 1900 um etwa +2,0 °C angestiegen, während im europäischen Durchschnitt mit +1,2 °C nur ein etwa halb so starker Anstieg verzeichnet wird. Im globalen Mittel liegt die Erwärmung bei etwa +0,8 °C. Es steht zu erwarten, dass die vergleichsweise starke Erwärmung, wie wir sie gegenwärtig im Alpenraum erleben, nicht ohne Folgen für die verschiedenen Bereiche des alpinen Umweltsystems bleibt[10]: Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre und Kryosphäre bilden ein komplexes System von miteinander verbundenen Prozessen. Veränderungen in einem Bereich wirken sich auch auf alle anderen Sphären aus. Die Frage, wie diese Kopplung funktioniert, ist zentraler Gegenstand aktueller Forschung. Ein umfassendes Verständnis des komplexen alpinen Umweltsystems setzt Forschung voraus, die insbesondere interdisziplinär ausgelegt sein muss: Ein Ziel des VAO ist es daher, Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker aus nahezu allen eingangs genannten Bereichen der Umweltforschung zusammenzubringen. Dies ermöglicht die Untersuchung umweltrelevanter Themen aus unterschiedlichen Perspektiven, schafft Synergien und erlaubt die Formulierung umfassenderer Lösungsansätze als dies sonst möglich wäre.

Herausforderungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die besondere Sensibilität der Alpenregion auf den Wandel des Klimas ist Herausforderung und Chance zugleich. Die Herausforderung besteht zunächst in der Aufgabe einer nachhaltigen, messtechnischen Erfassung geophysikalischer Schlüsselgrößen des alpinen Umweltsystems, wie sie zur Beantwortung aktueller, wissenschaftlicher Fragestellungen erforderlich sind.

Messungen in diesen Bereichen müssen häufig an verschiedenen Orten des Alpenraums, nach vergleichbaren Standards, mit hinreichender Präzision und ggf. auch synchronisiert erfolgen, denn belastbare und qualitätsgesicherte Beobachtungen bilden die Grundlage eines soliden naturwissenschaftlichen Verständnisses.

Die zweite Stufe der Herausforderung liegt in der wissenschaftlichen Interpretation der gewonnenen Messdaten. Deren Abgleich mit unserem bisherigen Verständnis des alpinen Umweltsystems deckt Widersprüche und Unzulänglichkeiten auf und ermöglicht so Erkenntnisgewinn. Eine moderne informationstechnische Infrastruktur, das sogenannte Alpine and Environmental Data Analysis Center (AlpEnDAC)[11] stellt sicher, dass die an den verschiedenen Orten gewonnenen Messdaten nach international etablierten Standards einfach und komfortabel innerhalb des VAO zugänglich sind und ausgetauscht werden können, egal, an welchem Ort sich die jeweiligen Wissenschaftler oder Ingenieure befinden („data-on-demand“). Zudem wird der Zugang zu Daten ermöglicht, die an anderer Stelle verfügbar sind (z. B. satellitenbasierte Messungen).

Daneben sollen im VAO aber auch Dienstleistungen entwickelt und betrieben werden, die nach „außen“ gerichtet sind und Beiträge leisten etwa zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen („societal benefit areas“). Hier liegt die dritte Herausforderung.

Politische und gesellschaftliche Einbettung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das VAO ist Teil der Alpenkonvention[12], in der sich die Vertragsparteien dazu verpflichtet haben, Forschungen und systematische Beobachtungen in enger Zusammenarbeit zu fördern und zu harmonisieren, die für eine bessere Kenntnis der Wechselbeziehungen zwischen Raum, Wirtschaft und Umwelt in den Alpen und zur Abschätzung zukünftiger Entwicklungen dienlich sind.

Das VAO ist ferner eines der Werkzeuge, um die Alpenstrategie[13] der EU umzusetzen. Die Strategie soll die politischen Themenbereiche Wirtschaftswachstum, Innovation; Mobilität und Umwelt sowie Energie abdecken. Hauptziel dieser Strategie ist es sicherzustellen, dass diese Region weiterhin einer der attraktivsten Räume in Europa bleibt, ihre Vorzüge besser nutzt und eine nachhaltige, innovative Entwicklung in einem europäischen Kontext anstößt. Eine der daraus entstehenden Aufgaben ist der Umgang mit dem Klimawandel und dessen Folgen. Hierzu liefert das VAO einen Teil des wissenschaftlichen Unterbaus.

Zudem unterstützt das VAO mit Georgien als assoziiertes Mitglied auch die Ziele der Östlichen Partnerschaft, einem Teilprojekt der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP): Im Rahmen einer Erklärung der Umweltminister der EU und der Östlichen Partnerschaft (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Republik Moldau und Ukraine) zu Umwelt und Klimawandel vom 18. Oktober 2016 wurde das gemeinsame Ziel formuliert, die Zusammenarbeit im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik zu intensivieren. Dazu trägt auch das VAO bei, das darüber hinaus offen für weitere östliche Partner ist.[14]

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Atmosphärische und klimatische Variabilität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Atmosphäre ist ein komplexes System. Sie ist charakterisiert durch eine Vielzahl von chemischen, dynamischen und strahlungsbedingten Prozessen. Unser Wissen um diese Prozesse ist noch immer unvollständig. Prognosen zur Klimaentwicklung sind daher immer noch relativ unsicher. Bessere Mess- und neue Analysetechniken sollen helfen diese Lücke zu schließen.

Klimatische Auswirkungen auf die Alpine Umwelt: Gefahren und Risiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Auswirkungen des Klimawandels im hochalpinen Raum auf Bio- und Geosphäre sollen erfasst werden. Darüber hinaus wird der Einfluss solarer Eruptionen auf die kosmische Strahlung im alpinen Raum untersucht.

Alpiner Wasserhaushalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ziel dieses Schwerpunktthemas ist es, verbesserte Kenntnisse des alpinen Wasserhaushalts zu erarbeiten, um anschließend Abschätzungen der zukünftigen Wasserverfügbarkeit geben zu können. Einen weiteren Schwerpunkt bildet dabei die Untersuchung der durch Schnee und Niederschlag deponierten Umweltradioaktivität im Alpenraum.

Umwelt und menschliche Gesundheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Persistente Schadstoffe, Partikel oder Pollen sowie meteorologische Größen wie Temperatur oder Feuchtigkeit können negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen im Alpenraum haben und zum Beispiel zu Allergien, Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Langzeitstudien, Analysen, Studien und Handlungsempfehlungen sind daher von großer Bedeutung.

Forschungs-Infrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umweltwissenschaften und insbesondere Forschung in Höhenlagen erfordern sehr spezifische technologische Lösungen. Im Fokus der Entwicklung stehen dabei neue Sensortechnologien oder Messplattformen (z. B. UAVs etc.), Hard- und Softwareinfrastrukturen, leistungsfähige Konzepte zur (Meta-)Datenspeicherung, -analyse und -visualisierung etc.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The Virtual Alpine Observatory (VAO). Abgerufen am 21. Juni 2018.
  2. Home - Schneefernerhaus. Abgerufen am 21. Juni 2018 (deutsch).
  3. l’OSUG, observatoire Terre Univers Environnement. Abgerufen am 21. Juni 2018 (französisch).
  4. OBSERVATORY ILIA STATE UNIVERSITY. In: ILIA STATE UNIVERSITY. (edu.ge [abgerufen am 21. Juni 2018]).
  5. EURAC research. Abgerufen am 21. Juni 2018 (englisch).
  6. Andoya Space Agency. In: ASC. 13. April 2016 (andoyaspace.no [abgerufen am 21. Juni 2018]).
  7. ZAMG - Sonnblick Observatorium: ZAMG - Sonnblick Observatorium. Abgerufen am 21. Juni 2018.
  8. Jungfraujoch und Gornergrat: Science at the Top of Europe. Abgerufen am 21. Juni 2018 (britisches Englisch).
  9. Otlica observatory - University of Nova Gorica. Abgerufen am 21. Juni 2018 (englisch).
  10. Regional climate change and adaptation — The Alps facing the challenge of changing water resources. In: European Environment Agency. (europa.eu [abgerufen am 21. Juni 2018]).
  11. Home | AlpEnDAC.eu. Abgerufen am 21. Juni 2018 (englisch).
  12. Alpine Convention - Die Konvention - Home. Abgerufen am 21. Juni 2018.
  13. To improve risk management and to a better manage climate chance including major natural risk prevention; recommended project: “Set up a Virtual Alpine Observatory which brings together Alpine research centers and helps to improve prognosis and common efforts in the research on climate change adaptation, concerning areas like atmosphere, Alpine environment and water balance.”
  14. “That environmental and climate challenges are transboundary interdependent by nature, and therefore require a holistic approach to address them. Given the geographic proximity of the EU and EaP countries and their shared environmental assets, strengthened transboundary cooperation and joint action on air, forests, land and soil, nature and biodiversity and water resources, including seas, are needed;” “The need for cooperation among and the active engagement of, governments, local administrations, civil society, the private sector and other stakeholders to address environmental and climate challenges;”