Weingartner Liederhandschrift

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. November 2015 um 22:30 Uhr durch HHill (Diskussion | Beiträge) (→‎Literatur: lf). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Eine Seite der Weingartner Liederhandschrift

Die Weingartner Liederhandschrift, seltener Stuttgarter Liederhandschrift, in der Germanistik kurz auch Handschrift B genannt, ist eine Sammlung von Minnelyrik aus dem frühen 14. Jahrhundert. Ausnahmen sind ein Sangspruch von Walther von der Vogelweide, Fragmente einer Marienklage (die in Handschrift C Gottfried von Straßburg zugeschrieben wird, jedoch nicht von diesem stammt), die Minnelehre des Johann von Konstanz und ein späterer Eintrag von zehn Zeilen auf Seite 310. Sie wurde wahrscheinlich zwischen 1310 und 1320 in Konstanz angefertigt. Die Handschrift B versammelt alle bedeutenden Lyriker des Hochmittelalters, die zwischen 1170/80 und 1230/40 gewirkt haben.

Die Weingartner Handschrift gilt neben den anderen beiden oberdeutschen Liederhandschriften, der Großen und der Kleinen Heidelberger Liederhandschrift als Hauptquelle unserer Kenntnis der Blütezeit des Minnesangs.

Provenienz

Die Handschrift war möglicherweise ursprünglich Teil der Dombibliothek Konstanz. Als Vorbesitzer der Liederhandschrift wird der Konstanzer Bürgermeister Marx Schulthais genannt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde sie der oberschwäbischen Abtei Weingarten geschenkt. Johann Jakob Bodmer nahm 1780 in das Manuskript Einsicht, 1781 teilte Leonhart Meister zuerst einige Stellen des Texts mit. Heute befindet sich die Handschrift in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart unter der Signatur HB XIII 1.

Beschreibung

Die Handschrift enthält 33 Textblöcke in gotischer Minuskel auf I + 157 Blatt Pergament und wurde von fünf Händen geschrieben. Das Buch ist mit 15 x 11,5 cm sehr kleinformatig. Das Werk wurde von späterer Hand paginiert. Die letzten sieben Seiten und einige Seiten im Corpus sind leer. Die Texte sind auf vorlinierten Blättern ohne Spaltengliederung strophenweise eingetragen (Ausnahme ist hier die Marienklage, S. 229–238). Die Vers-Enden wurden nicht berücksichtigt, nur teilweise durch Reimpunkte markiert.

Es sind 31 Dichtersammlungen, von denen bei 25 nur Autorennamen angegeben und 6 tatsächlich identifizierbar sind. Bei den genannten Autorennamen handelt es sich um mittelhochdeutsche Versdichter vom Ende des 12. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts. Die Sammlung ist in einer hierarchischen Ordnung aufgebaut (Beginn bei Kaiser Heinrich), die sich später zu einer anderen Ordnung formiert.

Erster Teil (S. 1–170)

Der erste Teil enthält 25 Dichtersammlungen. Die Strophenanfänge sind in rot-blauem Initialwechsel markiert und laufen zum Teil in Schnörkeln aus. Dazu gibt es 25 ganz- und halbseitige Abbildungen der Dichter, die jedoch weniger individuelle Miniaturen (Porträts) als vielmehr typisierte Darstellungen ihres Berufsstandes sind.

Der namentlich nicht bekannte Maler der Dichterporträts wird manchmal in der Fachwelt als Meister der Weingartner Liederhandschrift bezeichnet.

Zweiter Teil

Nach sieben leeren Seiten beginnt auf Seite 178 der zweite Teil und endet auf Seite 251. Dieser Teil ist nur teilweise ausgeschmückt. Miniaturen fehlen ganz, stattdessen sind Seiten freigelassen.

Dritter Teil

Der dritte Teil beginnt auf Seite 253. Hier finden sich neue, nur rote Verzierungen der Initialen und einiger weiterer Buchstaben. Die Seiten 306–309 und 311–312 sind leer. Im oberen seitlichen Rand der einzelnen Sammlungen finden sich von späterer Hand hinzugefügt gelegentlich Namen der Autoren.

Autoren

Die Handschrift führt folgende Autoren auf:

  1. Kaiser Heinrich
  2. Rudolf von Fenis
  3. Friedrich von Hausen
  4. Burggraf von Rietenburg
  5. Meinloh von Sevelingen
  6. Otto von Botenlauben
  7. Bligger von Steinach
  8. Dietmar von Aist
  9. Hartmann von Aue
  10. Albrecht von Johansdorf
  11. Heinrich von Rugge
  12. Heinrich von Veldeke
  13. Reinmar von Hagenau
  1. Ulrich von Gutenburg
  2. Bergner von Horheim
  3. Heinrich von Morungen
  4. Ulrich von Munegur
  5. Hartwig von Raute
  6. Ulrich von Singenberg
  7. Wahsmuot von Kunzich
  8. Hiltbolt von Schwangau
  9. Wilhelm von Heinzenberg
  10. Leuthold von Seven
  11. Rubin
  12. Walther von der Vogelweide
  13. Wolfram von Eschenbach (ohne Bild und Namensnennung)

Literatur

  • Franz Pfeiffer (Hrsg.): Weingartner Liederhandschrift. 1843 (Digitalisat in der Google-Buchsuche; desgleichen bei der University of Michigan)
  • Georg Wilhelm Zapf: Reisen in einige Klöster Schwabens, durch den Schwarzwald und in die Schweiz. Erlangen, 1786, S. 13 (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
  • Carmen Kämmerer: Die Weingartner Liederhandschrift in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. In: Bibliotheksdienst. Band 44, Nr. 6, 2010, ISSN 0006-1972, ZDB-ID 501896-1, S. 553–564 (online [abgerufen am 26. November 2015]).
  • Ulrich Kuder: HB XIII 1. In: Christine Sauer (Bearb.): Die gotischen Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. 1. Vom späten 12. bis zum frühen 14. Jahrhundert. Hiersemann, Stuttgart 1996 (Denkmäler der Buchkunst 12) (Katalog der illuminierten Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3) ISBN 3-7772-9603-1 (online).
  • Maria Sophia Buhl und Lotte Kurras (Bearb.): Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Reihe 2, Bd. 4, Teil 2. Codices physici, medici, mathematici etc. (HB XI 1 – 56). Poetae (HB XII 1 – 23). Poetae Germanici (HB XIII 1 – 11). Vitae sanctorum (HB XIV 1 – 28). Harrassowitz, Wiesbaden 1969, S. 79 (online).

Weblinks

Commons: Weingartner Liederhandschrift – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien