Wolfgang Dietrich (Politikwissenschaftler)

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Wolfgang Dietrich auf der REAL Tagung in Wien April 2006

Wolfgang Dietrich (* 13. September 1956 in Innsbruck[1]) ist ein österreichischer Friedensforscher und Politikwissenschaftler.

Leben

Wolfgang Dietrich wurde in Österreich und England ausgebildet, erhielt 1980 den Doktor in Geschichte und Germanistik an der Universität Innsbruck und 1984 den Doktor der Rechtswissenschaft an derselben Universität. 1990 wurde er zum Universitätsdozenten in Politikwissenschaft nach dem österreichischen UOG ernannt. Er ist habilitiert an der Fakultät für Soziologie und Politikwissenschaft der Universität Innsbruck und Gastprofessor an zahlreichen Universitäten auf allen Kontinenten. 2015 ernannte ihn seine Heimatuniversität Innsbruck zum Honorarprofessor und die Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer ARGE ALP zum Friedensbotschafter des Alpenraums.

Wolfgang Dietrich verbrachte den Großteil der 1980er Jahre in Zentralamerika. Von 1989 bis 1991 war er Vorstandssprecher der österreichischen Sektion von Amnesty International. Während der 1990er Jahre betrieb er Feldforschung in der Karibik, Indien, Ostafrika und Südostasien. Er war von 1995 bis 1998 Direktor der European Peace University und von 1995 bis 2007 akademischer Direktor des Österreichischen Lateinamerika-Instituts. Gegenwärtig ist er wissenschaftlicher Direktor des MA- Programms für Frieden, Entwicklung, Sicherheit und Internationale Konflikttransformation [2] sowie Chairholder des UNESCO Chair for Peace Studies[3] an der Universität Innsbruck und Mitglied der Österreichischen UNESCO Kommission[4].

Forschungsschwerpunkte

Wolfgang Dietrichs Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Geschichte der Friedensforschung, Frieden und Entwicklung, Frieden und Postmoderne, Kulturen der vielen Frieden, Frieden und Weltsystemtheorie, Friedenstheorie, Musik und Frieden, sowie, in den neusten Arbeiten, auf dem Beitrag der Humanistischen Psychologie zur Friedensforschung und Konflikttransformation.

Sein bekanntester und häufig rezipierter Beitrag zur Friedensforschung stellt das 1998 veröffentlichte Plädoyer für die vielen Frieden[5] dar. In diesem löst Wolfgang Dietrich den Gedanken des einen, homogenen und universellen Friedens in einer Pluralität der vielen Frieden auf und begründet damit einen Ansatz, welcher im Respekt vor der Andersartigkeit fußt, ohne allerdings daraus den Anspruch abzuleiten, diese Andersartigkeit in allen ihren Nuancen verstehen oder Ansichten teilen zu müssen. Frieden wird daher im Sinne der vielen Frieden als Substantiv mit Plural gedacht. Was Frieden bedeutet, variiert bei näherer Betrachtung von Kultur zu Kultur, und die Konnotationen und etymologischen Bedeutungen des Wortes „Frieden“ in unterschiedlichen Sprachen sind nicht identisch, sondern zeugen vielmehr von der Vielfalt der Vorstellungswelten und Wahrnehmungen der Gesellschaften, die diese Sprachen sprechen. Frieden bezeichnet somit kein Ankommen in einem paradiesischen Zustand am Ende aller Tage, sondern einen konkret gelebten und ausgestalteten sozialen Prozess.

Transrationale Frieden und elicitive Konflikttransformation

In seinen jüngeren Arbeiten unterscheidet Dietrich zwischen fünf unterschiedlichen Interpretationsfamilien von Frieden: der energetischen, der moralischen, der modernen, der post-modernen und der transrationalen. Unter Transrationalität versteht er die Verbindung zwischen dem rationalen Friedensverständnis der mechanistischen Moderne und all jener Bereiche menschlicher Beziehungen, die nicht dem Verstand folgen und doch relevant für die Gestaltung von Beziehungen und Konflikten sind. Als solche "Schichtungen" bezeichnet er die sexuell-familiäre, die emotional-gemeinschaftliche, die mental-gesellschaftliche und die spirituell-polizitäre. Auf dieser philosophischen Grundlage optiert er für elicitive, also von den Streitparteien in ihrem Kontext generierte Konflikttransformation. Die Konfliktarbeit besteht demnach vor allem darin, den Streitparteien einen Platz der Begegnung und einen Verhandlungsmodus zur Verfügung zu stellen, die es ihnen erlauben, selbständig neue Formen der Kommunikation und zusätzliche Handlungsoptionen wahrzunehmen. Der elicitive Ansatz, der sich aus den Prinzipien der Humanistischen Psychologie ableitet und über Autoren wie Paulo Freire und Adam Curle in die Friedens- und Konfliktforschung eingeflossen ist, unterscheidet sich grundlegend vom präskriptiven Zugang der idealistischen Konfliklösungsansätze, welche traditionell die Debatte in Europa dominieren. Dietrichs in diesem Kontext seit der Jahrtausendwende neuer Vorschlag wird an der Innsbrucker Schule der Friedensforschung[6] didaktisch umgesetzt und praktisch angewandt. In der Praxis wird er vor allem vom US-amerikanischen Friedensforscher John Paul Lederach und der Schule der multitrack diplomacy angewandt und vertreten.

Quellen

  1. Wolfgang Dietrich Personal and Professional, Universität Wien, abgerufen am 17. November 2011
  2. http://www.uibk.ac.at/peacestudies/
  3. http://www.uibk.ac.at/peacestudies/index
  4. Österreichische UNESCO-Kommission
  5. Plädoyer für die vielen Frieden
  6. http://www.uibk.ac.at/peacestudies/

Weblinks