Zwangstaufe

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Eine Zwangstaufe ist eine Taufe gegen den Willen des Täuflings. In der christlichen Theologie wird die Gültigkeit von Zwangstaufen fast durchgängig bestritten. Trotzdem kam es im Verlauf der Christentumsgeschichte aus macht- oder kirchenpolitischen Interessen verschiedentlich zu Zwangstaufen.

Von einer Zwangstaufe zu unterscheiden ist die Kindertaufe. Sie ist innerhalb der christlichen Konfessionen und zwischen ihnen teilweise theologisch umstritten und wird von manchen freikirchlichen Gruppen wie den Taufgesinnten als Zwang gesehen, da sie ohne ausdrückliche Willenserklärung des Täuflings vollzogen wird.

Geschichte

Nachdem das Christentum - infolge der so genannten konstantinischen Wende - gefördert und Ende des 4. Jahrhunderts Staatsreligion des Römischen Reiches geworden war, verwandte es alsbald Zwangsmittel, um Nichtchristen zu christianisieren.

Trotz der Erfahrungen während der Christenverfolgungen aus der Zeit des frühen Christentums kannte die christliche Heidenmission schon früh das Instrument der Zwangstaufe, um einen rascheren Erfolg zu sichern. Wenn ein Volks- oder Stammesführer durch friedliche oder gewaltsame Mittel für das Christentum gewonnen worden war, wurde nicht selten die Taufe von allen Mitgliedern seines Volkes oder Stammes erwartet.

Bekannt ist das Instrument unter anderem aus der Germanenmission und aus den Sachsenkriegen Karls des Großen, welche aber nicht ohne schwere Kritik und Widerstand stattfand, bspw. vom späteren Abt Alkuin[1]. Nach dem Decretum Gratiani wurde sie 1150 verboten. Der Verzicht auf dieses Mittel bedeutete für den Deutschen Orden eine Rechtfertigung, seine heidnischen Gegner trotz des Gottesfriedens immer wieder zu überfallen. Auch gegenüber Juden wurde die Zwangstaufe oft eingesetzt, insbesondere in der Folge des Alhambra-Edikts 1492 der „Katholische Königen“ Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von Aragon. In Lateinamerika wurden keine Zwangstaufen durchgeführt. Auf dem Gebiet Paraguays beispielsweise, wo nicht Conquistadores, sondern Jesuiten die Missionierung übernahmen, war die Zwangstaufe kaum vorzufinden.

Zeitgenössischer Bericht über die Zwangstaufe eines Baptistenkindes (1853)

Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland und in Österreich Zwangstaufen durchgeführt. Eltern, die wegen ihrer weltanschaulichen Überzeugung ihre Kinder nicht taufen lassen wollten, zum Beispiel Baptisten und Atheisten, wurden unter Androhung empfindlicher Strafen dazu gezwungen, in die Taufe ihrer Kinder einzuwilligen. Verweigerten sie dennoch ihre Zustimmung, ließen die staatskirchlichen Behörden die Kinder amtlich zur Taufe vorführen. Die Eltern hatten nicht nur dieses Verfahren zu bezahlen, sondern wurden darüber hinaus noch mit Gefängnis- und/oder Geldstrafen belegt. Zu den Zwangstaufen im Großherzogtum Oldenburg heißt es bei Rolf Schäfer[2]:

„[…] fand der Kampf um die Tauflehre nicht mit Hilfe von Argumenten statt - zumal die Baptisten theologisch nicht ernst genommen wurden -, sondern mit den Machtinstrumenten der bürgerlichen Ordnung. Deshalb wurden die Neugeborenen vor 1848 zwangsweise getauft.“

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wilfried Hartmann: Karl der Große, Stuttgart, 2010, S. 162 f.
  2. Rolf Schäfer u.a. (Hrsg.): Oldenburgische Kirchengeschichte, Oldenburg 1999, ISBN 3-89598-624-0, S. 405