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Chinesischer Flussdelfin

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Chinesischer Flussdelfin
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Superordo: Laurasiatheria
Vorlage:Ordo: Wale (Cetacea)
Vorlage:Subordo: Zahnwale (Odontoceti)
Vorlage:Familia: Lipotidae
Vorlage:Genus: Lipotes
Vorlage:Species: Chinesischer Flussdelfin
Wissenschaftlicher Name
Lipotes vexillifer
Miller, 1918

Der Chinesische Flussdelfin (Lipotes vexillifer), auch als Jangtse-Delfin oder Baiji (白鱀 Pinyin: bāijì) bekannt, ist ein ausschließlich im Jangtse beheimateter Flussdelfin. Er gilt als eines der seltensten Säugetiere der Welt und ist vielleicht bereits ausgestorben.

Merkmale

Der Chinesische Flussdelfin wird bis zu 250 Zentimeter lang und bis zu 160 Kilogramm schwer. Dabei bleiben die Männchen wahrscheinlich mit etwa 220 Zentimetern etwas kleiner als die Weibchen. Er ist oberseits blassgrau bis -bläulich und unterseits weiß gefärbt. Auch die Fluke und die Flipper tragen oberseits eine graue und unterseits eine weiße Färbung. Auf dem Rücken trägt er eine kleine, dreieckige Rückenfinne mit abgestumpfter Spitze.

Seine fast schnabelartige Schnauze ist deutlich vom Kopf abgesetzt und zur Spitze leicht aufwärts gebogen. Sie ist sehr schmal und trägt pro Kieferhälfte zwischen 30 und 35 gleichartig geformte, kegelförmige Zähne. Die Stirn ist steil abfallend und die Augen sind verkümmert, aber nicht funktionslos.

Verbreitung

Datei:Chinadelfin verbreitung.PNG
Verbreitung des Chinesischen Flussdelfins

Ursprünglich glaubte man, dass der Chinesische Flussdelfin auf den Dongting-See beschränkt sei, ehe man in den 1970ern erkannte, dass er auf einer Länge von 1900 km von der Mündung des Jangtse aufwärts zu finden war. Etwa alle vier Kilometer konnte ein Flussdelfin gefunden werden. Bei Hochwasser drangen die Tiere auch in Nebenarme des Flusses und Seen vor. Aus dem Dongting-See verschwand der Wal, nachdem sich in ihm sehr große Mengen Sediment durch die landwirtschaftliche Nutzung ansammelten. Danach wurde er nur noch im breiten, langsam fließenden Mittelteil des Jangtse gesichtet.

Lebensweise

Über die Lebensweise ist wenig bekannt. Wegen der verkümmerten Augen sind Chinesische Flussdelfine auf Echo-Ortung beim Beutefang angewiesen. Ihre Nahrung sind ausschließlich Fische, die sie auf nur zwanzig Sekunden währenden Tauchgängen erbeuten. Das Spektrum der Beutefische ist sehr groß, die Hauptbeute stellen dabei längliche Welse dar, die sie am Gewässerboden jagen.

Der Chinesische Flußdelfin lebt heute vor allem als Einzelgänger. Früher war er eher in Paaren oder Kleingruppen von drei bis sechs Tieren anzutreffen, gelegentlich wurden auch Gruppen bis zu zehn Tieren gesichtet. Die meiste Zeit hält sich der Flußdelfin knapp unter der Wasseroberfläche auf, in dem Fall ist seine Rückenflosse sichtbar. Beim Auftauchen kommt zuerst der Kopf zum Vorschein und das Tier taucht mit einer buckelförmigen Krümmung wieder ab. Die Fluke taucht dabei nicht auf.

Über das Fortpflanzungverhalten der Chinesischen Flußdelfine ist so gut wie nichts bekannt. Die Jungtiere kommen mit weniger als 95 Zentimeter Körperlänge und 10 Kilogramm Körpergewicht auf die Welt.

Systematik und Etymologie

Nach Fossilfunden besiedelte der Flußdelfin den Jangtse vor etwa 20.000 Jahren aus dem Pazifik. Er ist der einzige Vertreter der Gattung Lipotes und zugleich der Familie der Lipotidae. Bis vor wenigen Jahren wurde er gemeinsam mit dem Gangesdelfin, dem La-Plata-Delfin und dem Amazonasdelfin in einer Familie Flussdelfine (Platanistidae) eingeordnet. Die Ähnlichkeiten zwischen diesen Arten sind jedoch nicht auf eine Verwandtschaft, sondern auf eine unabhängige, konvergente Anpassung an das Leben im Süßwasser großer Flußsysteme zurückzuführen.

Der Name Lipotes leitet sich von dem griechischen Wort 'leipos' ab, welches mit 'zurückgeblieben' oder 'übriggeblieben' übersetzt werden kann und sich auf das sehr begrenzte Verbreitungsgebiet der Art bezieht. vexillifer leitet sich von den Silben 'vexillum' für 'Fahne' und 'fer' für tragen ab, bedeutet also 'fahnentragend'.

Bestand und Bedrohung

Die erste Beschreibung der Tiere stammt aus der Naturenzyklopädie Erya aus der Han-Dynastie. Biologen schätzen, dass zu dieser Zeit noch etwa 5.000 Flußdelfine im Jangtse lebten. 1978 wurde zur Erforschung der Tiere das Süßwaserdelfin-Forschungszentrum (淡水海豚研究中心) der chinesischen Akademie der Wissenschaften gegründet

Heute ist der Chinesische Flußdelfin der seltenste Wal und gleichzeitig auch eines der seltensten Säugetiere der Welt. Vor allem die chinesische Industrialisierung hat dem Bestand dieser Tiere sehr zugesetzt. Die Verschmutzung des Jangtse, der übermäßige Schiffsverkehr sowie häufiges Verfangen in Fischernetzen haben die Art an den Rand des Aussterbens gebracht. Viele dokumentierte Todesfälle werden der Leinen- und Hakenfischerei auf Störe zugeschrieben, hinzu kamen häufige Kollisionen mit Motorbooten, deren Anzahl sich auf den Jangtse sich massiv vermehrt hat.

Obwohl der Delfin bereits 1979 als gefährdete Art erkannt und 1983 unter strengsten Schutz gestellt wurde, veränderten sich die für das Tier bedohlichen Umstände nicht. 1986 wurden bei einer Zählung noch 300 Baijis festgestellt, 1998 nur noch sieben.

  • 1979: Offizielle Feststellung des Gefährdungsgrades durch die Volksrepublik China
  • 1983: Strenger Schutz und Jagdverbot
  • 1986: Population bei etwa 300 Tieren
  • 1990: Population bei etwa 200 Tieren
  • 1997: Population unter 50 Tieren (23 wurden gefunden)
  • 1998: nur 7 Tiere wurden gefunden

Es ist sehr schwer, die aktuelle Anzahl der Tiere abzuschätzen. Den Bau des Drei-Schluchten-Damms dürfte die Art kaum überleben, da sie die Populationen endgültig voneinander trennt. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass sich der Baiji nicht mehr vermehrt und dass die letzten Überlebenden dieser Spezies in Kürze ohne Nachkommen aussterben werden.

In Gefangenschaft wurden bislang erst zwei Tiere gehalten. Dabei handelte es sich um das männliche Tier Qiqi, welches von einem Fischer verletzt wurde und danach von 1980 bis 2002 im Wuhan Institute of Hydrobiology gehalten wurde sowie ein weiteres Tier, welches ein Jahr lang (1996 bis 1997) im Shishou Semi-natural Baiji Dolphin Sanctuary lebte und dann verstarb. 1998 wurde außerdem ein Weibchen nahe Shanghai gefunden, dies verweigerte allerdings die Nahrung und starb einen Monat später.

Literatur

  • M. Carwardine: Wale und Delfine. Delius Klasing, 1996 (hochwertiger Führer)
  • M. Carwardine: Delfine - Biologie, Verbreitung, Beobachtung in freier Wldbahn. Naturbuch Verlag, 1996 (informativer Bildband)
  • Ralf Kiefner: Wale und Delfine weltweit. Jahr Top Special Verlag, 2002 (Führer der Zeitschrift "tauchen", sehr detailliert)
  • R. R. Reeves, B. S. Stewart, P. J. Clapham, J. A. Powell: See Mammals of the World - a complete Guide to Whales, Dolphins, Seals, Sea Lions and Sea Cows. A&C Black, 2002, ISBN 0-7136-6334-0 (Führer mit zahlreichen Bildern)
  • Gérard Soury: Das große Buch der Delfine. Deliuzs Klasing, 1997, (detailreicher Bildband)
  • M. Würtz, N. Repetto: Underwater world: Dolphins and Whales. White Star Guides, 2003, ISBN 88-8095-943-3 (Bestimmungsbuch)
  • Douglas Adams, Mark Carwardine: Die Letzten ihrer Art. Heyne 1992 ISBN 3453061152

Weblinks