„Göttinger Revolution“ – Versionsunterschied

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Version vom 29. Oktober 2017, 19:31 Uhr

Als Göttinger Revolution werden politische Unruhen in Göttingen vom 8. bis 16. Januar 1831 bezeichnet, die das Ziel hatten, König Wilhelm IV. eine demokratische und liberale Verfassung abzutrotzen.

Geschichte

Ursachen

Nach der französischen Julirevolution von 1830 gab es auch in Deutschland den Ruf nach einer Demokratisierung und liberalen Verfassungen. Während das Land Hannover weitgehend ruhig blieb, kam es in Göttingen zu einem gewaltsamen Ausschreitungen. Unmittelbarer Anlass war ein Buch des Justizrats Friedrich Wilhelm Boldewin von der Knesebeck (1789 - 1867), der 1830 in einem viel beachteten und gehassten Buch (Deutschlands erlauchten Souverainen) den Adel als Bewahrer stabiler Verhältnisse gepriesen und stärkere Überwachungsmaßnahmen gegen demokratisch gesinnte Kräfte gefordert hatte. Vor allem das Motto seiner Schrift, ein angebliches Zitat von Napoleon Bonaparte, brachte die Studenten in Rage: "Die Canaille heißt Volk, sobald sie im Kampfe gesiegt hat."[1] In der Neujahrsnacht 1831 zogen Studenten daraufhin zu Knesebecks Wohnung und stimmten Schmäh-Gesänge an. Ähnliches passierte dem Göttinger Polizeichef Westphal. Einem Getreidehändler, der im Ruf stand, ein Wucherer zu sein, wurde das Geschäft demoliert.

Verlauf

Drei junge Privatdozenten, die verdächtigt wurden, aufrührerische Ideen zu verbreiten, hatte die Regierung unter Polizeiaufsicht gestellt und aufgefordert, ihre Vorlesungs-Unterlagen abzuliefern. Darunter war neben Carl Wilhelm Theodor Schuster und Heinrich Ahrens auch Johann Ernst Arminius von Rauschenplatt. Unter seiner Regie wurde ein Revolutionsrat gebildet. Auf dem Marktplatz wurden von Studenten schwarz-rot-goldene Schärpen angelegt und revolutionäre Hymnen angestimmt wie die Marseillaise und "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los". Die Aufständischen besetzten am 8. Januar 1831 das Rathaus, der Magistrat der Stadt blieb allerdings formal im Amt.[2] Vom König wurde eine freie Verfassung für das Königreich Hannover und die Absetzung der Regierung gefordert. In der Proklamation hieß es nach der Erinnerung des Augenzeugen Heinrich Oppermann: »Um den durch die allgemeine Noth erzeugten Beschwerden abzuhelfen und die durch dieselben bereits entstandenen und noch drohenden Unruhen für die öffentliche Ordnung gefahrlos zu machen, sei man zu einer Nationalgarde zusammengetreten, um alle für einen und einer für alle die öffentliche Ruhe aufrecht zu erhalten. Zugleich wolle man an Se. Majestät den König unmittelbar eine unterthänigste Vorstellung richten, dass auch den Hannoveranern eine freie Verfassung mit einer durchaus frei und selbstgewählten Ständeversammlung gewährt werde.«[3] Etwa dreißig Abordnungen von benachbarten Dörfern versicherten den Revolutionären ihre Solidarität.

Die zunächst völlig kopflose Regierung zeigte sich unnachgiebig und sandte unter dem Oberbefehl des Generalmajors Ludwig August Friedrich von dem Bussche-Haddenhausen etwa 5000 Soldaten in die Stadt. Am 16. Januar mussten die Aufrührer kampflos kapitulieren. Die Truppen zogen in die Stadt ein und quartierten sich dort ein und plünderten, zumal die Offiziere den Soldaten "gute Tage" in Göttingen versprochen hatten.[4] Sämtliche Studenten hatten innerhalb von 24 Stunden die Stadt zu verlassen. Die Anführer des Aufstandes wurden, soweit sie nicht ins Ausland geflohen waren, zu drakonischen Strafen verurteilt. Erst gegen Anfang März 1831 kehrte in Göttingen wieder Ruhe ein. Die Universität, die von der Regierung am 18. Januar geschlossen worden war, konnte Mitte April wiedereröffnet werden. Als Folge des Aufstandes nahm die Regierung tiefgreifende Veränderungen an der Stadtverfassung vor und ersetzte die alte Stadtverfassung von 1690 durch eine neue. Die jahrhundertealte politische Rolle der Gilden endete, und an ihre Stelle traten Repräsentanten einer bürgerlichen Honoratioren-Schicht.

Kunstwerk

Zur Erinnerung an die Ereignisse schuf der Bildhauer Andreas Welzenbach 2011 seine Skulptur Göttinger Erhebung. Das Skulpturen-Ensemble soll nach Auskunft der Jury Bürgern die Chance bieten, „ihren Unmut kundzutun“. Daher weist die Figur auf Mundhöhe eine Öffnung auf, durch die Passanten ihren „Unmut auf den Markplatz brüllen“ können. Thema des Kunst-Wettbewerbs war „der streitbare Göttinger Bürger“.

Literatur

  • Dietrich Denecke: Göttingen: Vom Dreissigjährigen Krieg bis zum Anschluss an Preussen - der Wiederaufstieg als Universitätsstadt (1648 - 1866), (Bd. 2) Göttingen 2002. ISBN 3525361971
  • Heinrich Albert Oppermann: Hundert Jahre: 1770 - 1870 : Zeit- und Lebensbilder aus drei Generationen, Leipzig 1870, insbesondere Bd. 6, S. 109 ff.

Einzelnachweise

  1. Heinrich Albert Oppermann: Hundert Jahre: 1770 - 1870 : Zeit- und Lebensbilder aus drei Generationen, Leipzig 1870, Bd. 6, S. 110
  2. [1]
  3. [2]
  4. Heinrich Albert Oppermann: Hundert Jahre: 1770 - 1870 : Zeit- und Lebensbilder aus drei Generationen, Leipzig 1870, Bd. 6, S. 162