NKWD-Lager Tost
Das Internierungslager des NKWD im oberschlesischen Toszek (Tost) bestand vermutlich von Mai bis November 1945. Im Lager wurden deutsche Zivilisten aus Schlesien, Sachsen, dem späteren Sachsen-Anhalt, Brandenburg und dem Sudetenland interniert.
Geschichte
Das Lager des NKWD wurde in den Gebäuden der Psychiatrischen Klinik Tost (ehemalige Landespflegeanstalt) eingerichtet, deren Insassen während der Zeit des Dritten Reiches durch Euthanasieverbrechen bzw. später in Arbeitslagern zu Tode gekommen sein sollen. Ab 1939/1940 wurden die Gebäude als Internierungslager für ausländische Zivilpersonen (darunter Engländer) genutzt, welche zu Kriegsende im Frühjahr 1945 freigelassen wurden.
Nach der Übernahme der Verwaltung durch Polen im Sommer 1945 wurde die Stadt Tost in Toszek umbenannt.
Beschreibung
Ab Mai 1945 wurden durch sowjetische und polnische Einheiten zunächst etwa 1000 deutsche Personen aus Oberschlesien und Breslau hierher gebracht und im Lager Toszek interniert. Im Sommer 1945 kamen weitere 3600 Gefangene aus dem überfüllten Speziallager Bautzen hinzu. Insgesamt wurden nach aktuellem Kenntnisstand im Lager mehr als 4600 Personen interniert.
Das Lager war stark überfüllt und von brutalen Posten bewacht, die Inhaftierten hungerten und waren entkräftet und es herrschten katastrophale hygienische Verhältnisse (Ausbruch von Ruhr und Typhus), so dass weit mehr als die Hälfte der Häftlinge verstarben. Zudem mussten die Gefangenen in der Umgebung Zwangsarbeit in der Landwirtschaft verrichten.
Von den Internierten starben etwa 3300 Personen im Lager, weitere starben nach der Freilassung an den Folgen der Internierung. Unter den Opfern war u. a. der 39-jährige Lkw-Fabriksbesitzer Hans Werner Skafte Rasmussen aus Hainichen in Sachsen.[1][2]
Die Opfer wurden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Toszek begraben, etwa 1000 Personen, und später aus Platzmangel etwa weitere 2000 in der östlich anliegenden Sandgrube. Internierte, die während der Zwangsarbeit außerhalb des Lagers starben, sollen an ihrem Sterbeort begraben worden sein. Das Massengrab befindet sich heute größtenteils auf einem privaten Firmengelände.
Nach der Auflösung des Lagers Ende 1945 kümmerten sich die örtlichen Ordensschwestern der Ordensgemeinschaft der Borromäerinnen und die Anwohner von Toszek um die freigelassenen Lagerinsassen.
Später befand sich auf dem Gelände eine Armaturenwerk. Heute ist das Objekt wieder eine psychiatrische Klinik.
Gedenken und Aufklärung
Zum Gedenken der Opfer wurden nach der politischen Wende von 1989 ein Gedenkstein für die Opfer errichtet und ein Kreuz am jüdischen Friedhof sowie eine Gedenktafel auf dem katholischen Friedhof an der Barbarakirche aufgestellt, auf der sich u. a. die Angehörigen für die Pflege der Internierten nach ihrer Freilassung bedanken. Eine Tafel an der Klinik weist auf das NKWD-Lager hin.
Die Hintergründe zum Lager liegen bis heute größtenteils im Dunkeln,[3] und es gibt kaum Veröffentlichungen über die Geschichte des Lagers. Ein Zugriff auf russische Archive, die eine Aufklärung der Hintergründe ermöglichen würden, wurde bisher nicht gewährt. Im Juni 2010 verkündete die Außenstelle Kattowitz des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), dass sie sich darum bemüht Zugang zu Dokumenten zu erhalten, mit denen Näheres zum Lager ermittelt werden kann. Man erhofft sich Informationen zur Gründung und der Funktion des Lagers sowie die Namen der Todesopfer zu erhalten.[4]
Sybille Krägel (geb. Rasmussen) von der Initiativgruppe NKWD-Lager Tost/Oberschlesien[5] hat die Namen von über 4600 Arrestierten im Lager Tost dokumentiert.[6]
Siehe auch
- NKWD-Internierungslager Laband bei Gleiwitz
- Initiativgruppe NKWD-Lager Tost/Oberschlesien bei der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft[7]
Literatur
- Sybille Krägel, Siegfried Petschel: Bild-Dokumentation Tost – Gefängnis-Lager des Sowjetischen NKWD in Oberschlesien. Freisinger Künstlerpresse, Freising, 1998, ISBN 3-927067-16-4.
- Dierk Strothmann: Manchmal wächst aus Gräbern Hoffnung. In: Hamburger Abendblatt. 28. Mai 1999,
Weblinks
- Stiftung Sächsische Gedenkstätten – Dokumentationsstelle Dresden: NKWD-Lager Tost/Oberschlesien (heute Toszek/Polen).
- Barbara Supp: Straflager: Die Zeit der Gespenster. In: Der Spiegel. 32/1996, 5. August 1996 .
- Simone Meyer: Nächtelang auf den Spuren ihres toten Vaters. In: Die Welt. 17. Mai 2008 .
- Gedenkfeier in Tost. (Streaming-Video auf YouTube; 1:48 Stunden) 16. Mai 2015 (mit dem Bundestagsabgeordneten Nowak, einem polnischen Abgeordneten und der deutschen Konsulin).
- Blanka Weber: Gedenkstätte Toszek – Erinnerungskultur in schwierigen Zeiten. (mp3-Audio; 7 MB; 7:42 Minuten) In: Deutschlandradio-Kultur-Sendung „Zeitfragen“. 9. Oktober 2023 .
Einzelnachweise
- ↑ Sybille Krägel (Hamburg): Schriftliche Auskunft der ältesten Tochter von Hans Werner Skafte Rasmussen vom 2. Januar 2017.
- ↑ Barbara Supp: Straflager: Die Zeit der Gespenster. In: Der Spiegel. 32/1996, 5. August 1996, abgerufen am 10. Oktober 2023.
Stiftung Sächsische Gedenkstätten – Dokumentationsstelle Dresden: NKWD-Lager Tost/Oberschlesien (heute Toszek/Polen). Abgerufen am 10. Oktober 2023. - ↑ Joanna Heler: Toszek: Obóz NKWD w Toszku to wciąż wielka niewiadoma. In: naszemiasto.pl. 15. Oktober 2010, abgerufen am 10. Oktober 2023 (polnisch, Interview mit Bogusław Tracz).
- ↑ Joanna Heler: IPN chce ujawnić prawdę o obozie NKWD w Toszku. In: Dziennik Zachodni. 25. Juni 2010, abgerufen am 10. Oktober 2023 (polnisch).
- ↑ Initiativgruppe NKWD-Lager Tost/Oberschlesien. Archiviert vom am 10. Februar 2015; abgerufen am 10. Oktober 2023.
- ↑ Stiftung Sächsische Gedenkstätten – Dokumentationsstelle Dresden: NKWD-Lager Tost/Oberschlesien (heute Toszek/Polen). Abgerufen am 10. Oktober 2023.
- ↑ Initiativgruppe NKWD-Lager TOST/Oberschlesien 1945. In: uokg.de. 6. Januar 2023, abgerufen am 10. Oktober 2023.
Koordinaten: 50° 27′ 9,7″ N, 18° 31′ 21,8″ O