Algebraische Unabhängigkeit
In der abstrakten Algebra ist die algebraische Unabhängigkeit eine Eigenschaft von Elementen einer transzendenten Körpererweiterung, welche besagt, dass diese Elemente keine nichttriviale Polynomgleichung mit Koeffizienten im Grundkörper erfüllen.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seien eine Körpererweiterung und Elemente von . Gibt es ein vom Nullpolynom verschiedenes Polynom in Variablen und Koeffizienten in , d. h. , so dass
- ,
dann heißen algebraisch abhängig. Existiert kein solches Polynom, dann heißen die Elemente algebraisch unabhängig.[1]
Dieser Begriff kann auf unendliche Teilmengen von erweitert werden, indem man eine Menge algebraisch abhängig nennt, wenn sie eine algebraisch abhängige endliche Teilmenge hat.
Ähnlich zum in Vektorräumen verwendeten Konzept der Linearkombination (lineares homogenes Polynom), welches den Begriff der linearen Unabhängigkeit liefert, betrachtet man manchmal bei Körpererweiterungen algebraische Kombinationen transzendenter Elemente, d. h. beliebige (gebrochenrationale) Polynome mit Koeffizienten im Grundkörper.
Ein maximales System algebraisch unabhängiger Elemente heißt Transzendenzbasis, ihre Mächtigkeit heißt Transzendenzgrad der Erweiterung.
Zusammenhang mit algebraischen Elementen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist eine Körpererweiterung, so ist ein Element aus genau dann über dem Körper algebraisch abhängig, wenn es ein algebraisches Element über ist, denn nach Definition ist es genau dann Nullstelle eines Polynoms mit Koeffizienten aus . Damit ist ein Element aus genau dann algebraisch unabhängig über , wenn es ein transzendentes Element über ist.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Zueinander bezüglich der Multiplikation inverse Elemente sind stets algebraisch abhängig, da sie Nullstellen des Polynoms sind.
- Die reellen Zahlen und (mit der Kreiszahl pi) sind algebraisch abhängig über den rationalen Zahlen , denn sie erfüllen mit und die Polynomgleichung .
- Ebenso sind und die imaginäre Einheit algebraisch abhängig über , denn mit und gilt . Das liegt natürlich daran, dass die Menge allein schon algebraisch abhängig ist. Obwohl und algebraisch abhängig sind, gehört weder zu noch zu .
Beispiele von komplexen Zahlen, die über algebraisch unabhängig sind, sind schwerer zu finden, obwohl es bewiesenermaßen unendlich viele (genauer: kontinuum-viele) über algebraisch unabhängige komplexe Zahlen gibt. Man vermutet aber, dass und es sind. Leicht ist es dagegen, Beispiele in anderen Körpern zu finden:
- Im rationalen Funktionenkörper in zwei Unbestimmten und über den rationalen Zahlen sind die Elemente und algebraisch unabhängig, denn nach Definition dieses Körpers ist das einzige Polynom in zwei Variablen, das an der Stelle gleich 0 ist, das Nullpolynom.
- Ein größeres Beispiel findet man im Funktionenkörper . Hier sind alle elementarsymmetrischen Polynome algebraisch unabhängig.[2]
Algebraische Unabhängigkeit von berühmten Konstanten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es ist nicht bekannt, ob und algebraisch unabhängig sind. 1996 bewies jedoch Juri Walentinowitsch Nesterenko, dass:
- , , und Γ(1/4) algebraisch unabhängig sind über .[3]
- und Γ(1/3) algebraisch unabhängig sind über .
- Für alle positiven Ganzzahlen sind die Zahlen algebraisch unabhängig über .[4]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Karpfinger, Meyberg: Algebra. 2013, 23.1.1.
- ↑ Karpfinger, Meyberg: Algebra. 2013, 31.2.
- ↑ Yuri I. Manin und A. A. Panchishkin: Introduction to Modern Number Theory. In: Encyclopaedia of Mathematical Sciences. 2. Auflage. Band 49, 2007, ISBN 978-3-540-20364-3, ISSN 0938-0396, S. 61.
- ↑ Nesterenko, Yuri V: Modular Functions and Transcendence Problems. In: Comptes Rendus de l'Académie des Sciences, Série I. Band 322, Nr. 10, 1996, S. 909–914.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- A. B. Shidlovskii: Algebraic independence. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org).
- Christian Karpfinger, Kurt Meyberg: Algebra. Gruppen-Ringe-Körper. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8274-3011-3, Kap. 23, doi:10.1007/978-3-8274-3012-0.