Amphitheater von Durrës
Das Amphitheater von Durrës (albanisch Amfiteatri i Durrësit) ist ein antikes Amphitheater in der Stadt Durrës im heutigen Albanien. Es bot Platz für mindestens 16.000, aber vielleicht sogar 23.000 Zuschauer und ist damit das größte römische Amphitheater der Balkanhalbinsel. Erbaut wurde es im 2. Jahrhundert.[1][2]
Anlage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Amphitheater liegt am südwestlichen Rand der historischen Altstadt von Durrës unweit der Südwestspitze der Halbinsel, die den Hafen der Stadt bildet. Der elliptische Bau liegt an den Hängen eines Hügels, der gegen Westen und Norden ansteigt, gleich innerhalb der Stadtmauern. Die Durchmesser des Baus betragen je nach Quelle 118–132 Meter und 98–113 Meter, diejenigen der Arena ca. 61 Meter und 40–42 Meter.[1][3] Das Amphitheater stieg im Westen rund 20 Meter den Hügel hoch an. Im Süden wurden die freistehenden Ränge auf Substruktionen erbaut.[1]
Der elliptische Bau hat eine Nord-Süd-Achse. Der Hauptzugang für die Gladiatoren und Tiere zur Arena durch den Hügel befindet sich im Norden der Arena und wird durch einen anschließenden, bis zu neuen Meter hohen Tunnel ermöglicht. Der südliche Zugang weicht leicht aus der Achse ab. Das Amphitheater weist mehrere untypische Baumerkmale auf. Der Zugang erfolgte im Norden von oben herunter. In Durrës gab es nur eine einzige umlaufende Galerie (Maenianum), und die Vomitoria (Ausgänge von den Gängen zu den Sitzreihen) waren unregelmäßig verteilt – nur die nötigsten Durchgänge wurden in den Felsen geschlagen.[1][2]
Bis heute wurde noch nicht das ganze Amphitheater ausgegraben. Die Arena ist teilweise noch immer mit Schutt gefüllt, und ihr Boden liegt heute unter dem Grundwasserspiegel.[2] im südöstlichen Bereich des Areals standen lange noch Wohnhäuser, die zwischenzeitlich enteignet und abgebrochen[4] wurden. Durch den Einbau von Treppen und Sicherungsmaßnahmen ist die Anlage heute gut für Touristen zugänglich.[1]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. wurde die Stadt als Epidamnos von Griechen gegründet. Unter römischer Herrschaft hieß sie Dyrrachium. Guntram Koch erklärt den Bau eines Amphitheaters im hellenistischen Teil des römischen Reichs mit den vielen Veteranen, die unter Augustus in Dyrrachium angesiedelt worden waren.[5] Die Stadt war ein Zentrum römischer Kultur in der Region. Das Amphitheater wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts unter Kaiser Hadrian erbaut.[6] Andere Historiker vermuten die Erstellung noch etwas früher unter Trajan, als in Dyrrachium auch eine Bibliothek gebaut wurde. Eine Inschrift (CIL III, (1) 607) erwähnt, dass anlässlich ihrer Eröffnung bei Spielen zwölf Gladiatorenpaare gegeneinander kämpften.[7][8]
„Das Amphitheater ist das markanteste antike Bauwerk und zeugt von der wirtschaftlichen, bevölkerungsmäßigen und ‚kulturellen‘ Bedeutung der römerzeitlichen Hafenstadt.“
Das Ende der Nutzung des Amphitheaters könnte auf ein schweres Erdbeben im Jahr 345/346 oder ein Edikt des Kaisers Theodosius, das die Schließung aller heidnischer Kulturstätten anordnete, zurückzuführen sein.[9]
Um das Jahr 500 wurde der massive Bau in die Verteidigungsanlagen von Durrës integriert. Vermutlich ab dem 7. Jahrhundert wurde das ehemalige Amphitheater als Friedhof genutzt: In der Arena und in den Gängen wurden Tote beigesetzt. In diesem Zusammenhang wurden in den Gängen unter den Sitzreihen in der Zeit zwischen 9. und 11. Jahrhundert auch drei frühe christliche Kapellen eingebaut, von denen aber eine kaum mehr erhalten ist. Es wurden Kreuze aufgestellt und einzelne Zellen als Beinhaus genutzt.[1][2]
Das Amphitheater wurde in der Spätantike als Steinbruch respektive Quelle für Baumaterial missbraucht und stark beschädigt. So wurden zum Beispiel sämtliche steinernen Sitze abgetragen; heute ist nur noch der Unterbau aus Mörtel zu sehen.[1] Die Teilung des Römischen Reichs im Jahr 395 hatte auch einen wirtschaftlichen Rückgang in Durrës zur Folge, was die Wiederverwendung von Baumaterial aus dem Amphitheater begünstigte.[10]
Marinus Barletius erwähnte den Bau in einer Schrift aus dem frühen 16. Jahrhundert. Danach wurde das Gelände vollständig überbaut, mitunter noch stehendes antikes Mauerwerk inkludierend. Auch der Verlauf der Gassen folgte dem Grundriss des Gebäudes. Der britische Archäologe Arthur Evans soll 1877 erfolglos nach dem Amphitheater gesucht haben.[1][2][11]
Das Amphitheater wurde im Jahr 1966 bei Bauarbeiten zufällig entdeckt und in der Folge teilweise ausgegraben. 1973 wurde die archäologische Stätte zum nationalen Kulturdenkmal erklärt.[12] Weitere Grabungen folgten.[1] Im Jahr 2004 startete die Universität Parma ein Programm zur Restaurierung des Amphitheaters.[11]
Kapelle
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die historisch bedeutsamste Kapelle wurde direkt unter der Ehrenloge (Pulvinar) im westlichen Teil des Amphitheaters errichtet. Sie ist von kunstvollen Fresken und seltenen Wandmosaiken geschmückt. Sie befindet sich in einem kleinen Raum, der kaum verändert wurde;[1] er ist rund sechs Meter lang und – sich nach Osten verengend – drei bis zwei Meter breit.[5] Eine Apsis mit zwei hohen, schmalen Fenstern wurde nach Osten in die Arena hinausragend angebaut. In diesem umgebauten Bereich war der Raum deutlich höher als im hinteren Bereich mit den Mosaiken. Als Baumaterial für neue Wände und den Boden diente opus mixtum aus wiederverwendeten Steinen und Backsteinen.[10]
Die Kapelle wird meist ins 6. Jahrhundert datiert, in neueren Forschungen ist aber vom 11. Jahrhundert die Rede. Genutzt wurde sie bis zu Beginn des 13. Jahrhunderts;[1] gemäß anderen Quellen ist aber nur eine Nutzung bis ins 11. Jahrhundert archäologisch belegt.[10] Vermutlich wegen des steigenden Grundwasserspiegels wurde später ein höherer Boden eingezogen und erhöht ein neuer Altar errichtet.[2] Im nördlich angrenzenden Raum wurde ein Becken gefunden, eventuell ein Taufbecken.[5] Der Zugang erfolgte durch das nächstliegenden Vomitorium im Norden, dessen Steinstufen viel mehr Abnutzungsspuren zeigen als die anderen.[10]
Die stark beschädigten Mosaike an der Rückwand zeigen unter anderen Maria, Sophia (Weisheit) und Eirene (Frieden) und zeugen von einer mitunter heidnischen Vorstellungswelt. Die Mosaike der Südwand sind in gutem Zustand und zeigen Engel, Heilige, Maria und Stifter sowie Inschriften. Die Mosaike wurden später über älteren Wandbemalungen angebracht. Eine Deckenbemalung zeigte den Pantokrator.[1]
„These three mosaic figures state outwards in such a way that the oberserver can make contact with their eyes and the figures themselves seems less remote.“
„Diese drei Mosaikfiguren stechen durch ihre Gestaltung heraus, so dass der Betrachter Augenkontakt mit ihnen aufnehmen kann und die Figuren näher erscheinen.“
Gefährdung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]2013 zählte die Organisation Europa Nostra das Amphitheater zu den gefährdetsten Kulturstätten Europas. Es drohen Schäden durch Wasserversickerung, Erosion, Bebauungen in unmittelbarer Nähe und schlechte Erhaltung.[9]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Heinz-Jürgen Beste, Henner von Hesberg, Eduard Shehi: Das Amphitheater in Dyrrachium. Urbanes Umfeld, Rekonstruktion und Bedeutung. In: Römische Mitteilungen. Band 129, 2023, S. 152–235, DOI:10.34780/diey-y643.
- Pedro Ponce de Leon: Seven Most Endangered Heritage Sites. Roman Amphitheater, Dürres, Albania. Technical report funded by a grant from the Council of Europe Development Bank through its Spanish Social Cohesion Account. Hrsg.: Europe Development Bank. Den Haag Dezember 2013 (europanostra.org [PDF; abgerufen am 18. August 2018]).
- Helmut Buschhausen: Durazzo und die Anfänge des Christentums in Albanien. In: Walter Raunig (Hrsg.): Albanien. Reichtum und Vielfalt alter Kultur. Staatliches Museum für Völkerkunde München, München 2001, ISBN 3-9807561-2-2, S. 69–78.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f g h i j k l Christian Zindel, Andreas Lippert, Bashkim Lahi, Machiel Kiel: Albanien. Ein Archäologie- und Kunstführer von der Steinzeit bis ins 19. Jahrhundert. Böhlau, Wien 2018, ISBN 978-3-205-20723-8, Römisches Amphitheater, S. 438 ff.
- ↑ a b c d e f Oliver Gilkes: Albania. An Archaeological Guide. I.B.Tauris, London 2013, ISBN 978-1-78076-069-8, The amphitheatre, S. 161 f.
- ↑ Gjerak Karaiskaj: Amphitheatre of Durres. In: European Commission – Council of Europe Joint Programme (Hrsg.): Integrated Rehabilitation Project Plan / Survey of the Architectural and Archaeological Heritage (IRPP/SAAH) – Albania. 2004, S. 13–15 (seecorridors.eu [PDF; abgerufen am 6. Juli 2019]).
- ↑ Tourguide.al: Bilder auf Facebook. In: Facebook. 3. Februar 2016, abgerufen am 18. August 2018.
- ↑ a b c Guntram Koch: Albanien. Kunst und Kultur im Land der Skipetaren (= DuMont Kunst-Reiseführer). DuMont, Köln 1989, ISBN 3-7701-2079-5, S. 115 f.
- ↑ Daniel Ursprung: Das Amphitheater in Durrësi (Durrës, Durazzo, Epidamnos, Dyrrachion) (Albanien, Albanie, Albania, Shqipëria). Abgerufen am 13. August 2018.
- ↑ Muzafer Korkuti, Apollon Baçe, Neritan Ceka: Carte archéologique de l’Albanie. Hrsg.: Pierre Cabanes. Klosi & Benzenberg, Tirana 2008, ISBN 978-99956-667-2-9, S. 252.
- ↑ Theodor Mommsen: Inscriptiones Asiae, provinciarum Europae Graecarum, Illyrici Latinae. Pars I. Scan 186 der Buchseite 118. In: Arachne. 1873, abgerufen am 19. August 2018 (für den Eintrag im CIL).
- ↑ a b Roman Amphitheatre in Durrës, ALBANIA. In: 7 MOST ENDANGERED. (7mostendangered.eu [abgerufen am 13. August 2018]).
- ↑ a b c d e Lida Miraj: The Early Christian Chapel on the Amphitheatre of Dyrrachium. In: Argjiro, Andi Rembeci (Hrsg.): Art & Trashëgimi. Trashëgimia ortodokse e Shqipërisë, Nr. 7. Tirana 2016, ISBN 978-9928-14407-2, S. 88 f.
- ↑ a b Stefano Baccolini: Il Progetto Durres. Studi e Ricerche nell’anfiteatro. In: Università degli Studi di Parma. Abgerufen am 18. August 2018 (italienisch, inkl. Folgeseite).
- ↑ Lista e monumenteve të kulturës – Qarku Durrës. (PDF) In: Instituti i Monumenteve të Kulturës. S. 2, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 19. August 2018; abgerufen am 18. August 2018 (albanisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
Koordinaten: 41° 18′ 43,7″ N, 19° 26′ 42″ O