Benutzer:Allonsenfants/Niederdeutsche Bewegung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die nieder- und hochdeutschen Dialekte in ihrer historischen Verbreitung und die verschiedenen Einteilungsmöglichkeiten in die drei Hauptgruppen (Animation; für Einzelausschnitte einfach anklicken und „Esc“ drücken)

Die Niederdeutsche Bewegung war ein organisierter Bereich des Kulturlebens Ende in Norddeutschland bzw. im Sprachgebiet der Niederdeutschen Sprache, dem die Fehrs-Gilde zugeordnet werden kann.

Zur Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klaus Groth und Fritz Reuter legten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die theoretischen Grundlagen. Mit dem Sprachbegriff "Niederdeutsch" verkörperte sich das romantische Ideal von Volkssprache und Volkspoesie, der Mythos einstiger Größe (Hanse), die Erinnerung an die Einheit eines Territoriums, das gegen das Hochdeutsche oder Oberdeutsche abzugrenzen war, und dessen Eigenart bewahrt und verteidigt werden musste. Kulturhistorisch ist sei ein Zweig der konservativ-nationalen Grundströmung, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts deutsches Denken und Dichten beeinflusst hat.

Eine besondere Rolle spielte das Verhältnis zu den flämischen Belgiern (Flämische Bewegung), insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg.

Ein wichtiger Dissens innerhalb der Niederdeutschen Bewegung lag in der Anwort auf die Frage, wie die "niederdeutsche Stammeslandschaft" (Bödewadt 1931) als geografisch-politischer Raum zu einzugrenzen sei.[1] Die Vorstellungen bewegten sich zwischen

  • einem Klein-Niedersachsen unter Ausschluss von Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Pommern
  • und einem Großraum, der Flandern und die Niederlande einschloss, im Süden bis an die "Benrather Linie" und im Osten bis an das Baltikum reichte.

Vor allem die weit ausgreifenden Konzepte verbanden die Kategorie "Raum" mit "Volkstum" ("niederdeutsches Volkstum") und "Rasse" ("Wiederannäherung der Völker germanischer Rasse") sowie mit der Vorstellung eines darauf gegründeten politischen Systems innerhalb eines Großreichs "germanischer Prägung".[2]


In den 1920er Jahren bekam die Niederdeutsche Bewegung einen immer mehr weltanschaulichen und politischen Charakter. Die Beschränkung auf Sprachlich-Kulturelles wurde nach und nach aufgegeben.


Jenni Boie ordnet die Niederdeutsche Bewegung der Völkischen Bewegung zu.[3]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Claus Schuppenhauer, von 1974 bis 2003 Geschäftsführer des Instituts für niederdeutsche Sprache in Bremen hält die Niederdeutsche Bewegung für einen Wegbereiter des Nationalsozialismus: "Die Niederdeutsche Bewegung hat sich vor und nach 1900 in dauernder, oft auch personeller Verbindung zu dem weltanschaulich-politischen Lager entwickelt, das auf eine völkisch-konservative Revolution in Deutschland hinarbeitete, mit der Heimatkunstbewegung, der Heimatschutz- bzw. Heimatbewegung, den antimodernistischen Kulturkritikern und Literaten, die auf einen ,,Aufstand der Provinz" gegen Berlin hinauswollten usw. Sie hat mithin das Ihre zu den historischen Strömungen beigetragen, auf denen später die Nationalsozialisten fußten."[4]

Ulf-Thomas Lesle, ebenfalls langjähriger Geschäftsführer des Instituts für niederdeutsche Sprache in Bremen[5] kritisiert die Rolle des Bildungsbürgertums in der Niederdeutschen Bewegung: "So paradox es klingen mag: der Dialekt wurde in Norddeutschland vom mittelständischen Bildungsbürgertum just zu dem Zeitpunkt »entdeckt«, als es sich anschickte, mit »völkischen« Konzepten einer angeblichen Bedrohung durch das Proletariat entgegenzutreten, zugleich aber auch danach trachtete, sich selbst in der sehnlichst erwünschten Weltmachtstellung des Deutschen Reiches den eigenen Status zu sichern. (…) In diesem ideologischen Gemengelage enttarnt sich die vorgeblich unpolitische Begeisterung bildungsbürgerlicher Kreise für das Plattdeutsche immer mehr als der gezielte Versuch, einen Beitrag zur »völkischen« Sinnstiftung leisten zu wollen."[6] Die Rolle im Nationalsozialismus fasst er so zusammen: "plattdeutsche Mundartliteratur ist im Nationalsozialismus nicht etwa mißbraucht worden - wie es heute immer noch oder auch schon wieder manche glauben machen wollen -, sie wurde lediglich auf ihren genauen Begriff gebracht."[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kay Dohnke, Norbert Hopster, Jan Wirrer (Hrg.): Niederdeutsch im Nationalsozialismus. Studien zur Rolle regionaler Kultur im Faschismus. Georg Olms Verlag, Hildesheim u.a. 1994

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hopster/Wirrer, 59-122, hier: 66.
  2. Hopster/Wirrer, 66.
  3. Jenni Boie: Volkstumsarbeit und Grenzregion. Volkskundliches Wissen als Ressource ethnischer Identitätspolitik in Schleswig-Holstein 1920–1930. Kieler Studien zur Volkskunde und Kulturgeschichte, Band 9, 2013. ISBN 978-3-8309-2799-0. S. 117
  4. Claus Schuppenhauer: Die Doberaner Dichtertage - einst ein Ort für »niederdeutsche Aufrufe in das Reich«. Noch ein Kapitel vom Glauben an die politische ›Sendung‹ des Niederdeutsche. in: Monika Schürmann, Rein Rösler (Hrsg.): Literatur und Literaturpolitik im Dritten Reich. Der Doberaner Dichtertag 1936-1943. Ingo Koch, Rostock 2003. ISBN 3-935319-60-6, S. 121.
  5. http://www.ins-bremen.de/de/aktuelles/presse/news/detail/artikel/dr-ulf-thomas-lesle-geht-in-den-ruhestand//browse/7/backpid/103.html?cHash=c52c6e946c0dffc3482b397f6dcdcd88 (abgerufen 15. September 2014)
  6. a b Ulf-Thomas Lesle: Hamburg als „Mittelpunkt und Kraftquelle“. Die „Niederdeutsche Bewegung“ - ihre Voraussetzungen und Verbindungen. in: Inge Stephan, Hans-Gerd Winter (Hrsg.): „Liebe, die im Abgrund Anker wirft“. Autoren und literarisches Feld im Hamburg des 20. Jahrhunderts. Argument Verlag, Berlin u.a. 1990. ISBN 3-88619-380-2 S. 70f. und 81

Kategorie:Völkische Bewegung Kategorie:Niederdeutsche Sprache Kategorie:Sprachverein Kategorie:Organisation (Deutsche Sprache) Kategorie:Gegründet im 19. Jahrhundert Kategorie:Kultur (Norddeutschland)