Benutzer:Andibrunt/Dame

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Film
Titel Das Verschwinden einer Dame
Originaltitel Escamotage d'une dame au théâtre Robert-Houdin
Produktionsland Frankreich
Erscheinungsjahr 1896
Länge 1 Minute
Stab
Regie Georges Méliès
Produktion Georges Méliès
Schnitt Georges Méliès
Besetzung

Das Verschwinden einer Dame (Originaltitel: Escamotage d'une dame au théâtre Robert-Houdin) ist ein französischer Kurzfilm aus dem Jahr 1896. Der Illusionist und Filmpionier Georges Méliès setzte in diesem Stummfilm erstmals einen Stopptrick ein, um vor der Kamera einen Zaubertrick zu inszenieren. Das Verschwinden einer Dame wurde dadurch stilbildend für Méliès’ phantastische Filme.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Zauberkünstler betritt die Bühne. Er ruft seine Assistentin herbei und bereitet sodann den Zaubertrick vor. Eine Zeitung wird auf dem Boden ausgebreitet, auf der ein Stuhl gestellt wird. Die Assistentin setzt sich auf den Stuhl. Der Zauberer verdeckt die Frau mit einem Tuch. Nach einigen Handgriffen zieht er das Tuch weg und der Stuhl ist leer, die Dame ist verschwunden.

Mit einer beschwörenden Geste versucht der Zauberer die Dame zurück zu beschwören, zu seiner Überraschung erscheint aber nur ein Skelett. Der Zauberer verdeckt das auf den Stuhl sitzende Skelett mit dem Tuch. Als er das Tuch wieder zurückzieht, sitzt die Assistentin endlich wieder auf ihrem Platz. Die beiden Künstler verbeugen sich kurz zur Kamera hin und verlassen durch eine Tür die Bühne, um dann erneut für eine weitere Verbeugung zurückzukehren.

Entstehungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Georges Méliès, um 1890.

Georges Méliès war bereits ein etablierter Theaterbetreiber, als er 1896 zu einem der führenden Filmpioniere in Europa wurde. 1888 hatte Méliès das Théâtre Robert-Houdin, die ehemalige Bühne des Zauberkünstlers Jean Eugène Robert-Houdin, wiedereröffnet und betrieb dort Varietéprogramme mit Zaubervorführungen und Feeries, fantasievollen Umsetzungen von Feenmärchen. Zahlreiche bekannte Bühnenmagier waren im Théâtre Robert-Houdin zu Gast, darunter Buatier de Kolta. Darüber hinaus entwickelte Méliès eigene Automaten und Bühneneffekte, die er in seinem Vorstellungen präsentierte.[1]

Am 28. Dezember 1895 war Méliès Gast der ersten öffentlichen Filmvorführung der Brüder Lumière. Méliès war begeistert von den Filmen und soll Antoine Lumière, dem Vater von Louis und Auguste Lumière, 10.000 Franc für den Erwerb des Kinematographen angeboten haben. Lumière lehnte aber Méliès’ Angebot wie das anderer Theaterbetreiber ab.[2] Méliès erwarb statt dessen im Frühjahr 1896 ein Modell von Robert W. Pauls Animatograph, mit dem Paul in London in Konkurrenz zu den Brüdern Lumière trat. Mit diesem Filmprojektor präsentierte Méliès am 5. April 1896 erstmals eigene Filmvorführungen im Théâtre Robert-Houdin.[3]

Méliès zeigte zunächst Kopien von Filmen der Edison Manufacturing Company und von R. W. Paul. Nachdem er den Animatograph so umgebaut hatte, dass er auch als Filmkamera arbeiten konnte, begann Méliès im Frühsommer 1896 mit der Aufnahme eigener Filme.[4] Seine erste Produktion war Une partie de cartes, eine Kopie des im Februar 1896 veröffentlichten Lumière-Films Partie d'écarté.[1] In den folgenden Monaten entstanden mehrere Dutzend weiterer Filme, in denen Méliès sowohl Sujets der Aktualitätenfilme der Brüder Lumière nachstellte, darunter Ansichten des Pariser Lebens, als auch kurze Inszenierungen wie eine Neuverfilmung von Der begossene Gärtner unter dem Titel L’Arroseur.[5]

Buatier de Kolta bei der Vorführung seines Tricks der verschwindenden Dame, 1909.

Gemäß der von Méliès selbst verbreiteten Legende[6] entdeckte er die Wirkung des Stopptricks eher zufällig bei Dreharbeiten vor der Pariser Opéra Garnier. Während der Aufnahme einer Straßenszene verklemmte der Mechanismus der Kamera. Erst nach einer Minute gelang es, den Filmstreifen freizubekommen und die Aufnahme fortzusetzen. Beim Reparieren des beschädigten Films und Betrachten der Aufnahme sah Méliès dann an der Stelle, an der die Aufnahme unterbrochen werden musste, wie sich plötzlich die Szenerie verändert hatte. Er sah „einen Omnibus der Linie Madeleine-Bastille sich in einen Leichenwagen verwandeln und Männer zu Frauen werden“.[7] Méliès erkannte die Möglichkeiten dieser Art der Bildmanipulation und entwickelte innerhalb weniger Tage die Idee zu Das Verschwinden einer Dame. Es muss allerdings angenommen werden, dass Méliès bereits den amerikanischen Film The Execution of Mary Stuart kannte, in dem der Stopptrick als visueller Effekt erstmals eingesetzt wurde.[6]

Grundlage für den Film Das Verschwinden einer Dame war ein Zaubertrick von Buatier de Kolta aus dem 1886. Das Geheimnis des Zaubertricks war eine durch die Zeitung verdeckte Falltür, durch die die Assistentin „verschwinden“ konnte, währenddessen das Tuch durch einen verborgenen Draht in Form gehalten wurde.[8] Der erste Teil des Films Das Verschwinden einer Dame gibt diesen Bühnentrick wieder. Im zweiten Teil des Films ließ Méliès dann aber ein Skelett aus dem Nichts erscheinen, ohne dass das Tuch hochgehalten wurde. Dieser Trick war auf der Theaterbühne so nicht umsetzbar und entstand nur dadurch, dass die Kamera angehalten und das Skelett auf der Bühne platziert wurde und danach weiter gedreht wurde.[9] Um den Übergang zwischen den einzelnen Bilder zu perfektionieren, drehte Méliès die einzelnen Einstellungen ein paar Sekunden länger als benötigt und schnitt sie später so zusammen, dass der gewünschte Effekt erhalten wurde.[10]

Anders als der Originaltitel suggeriert, inszenierte Méliès Das Verschwinden einer Dame nicht in seinem Theater, sondern unter freiem Himmel im Garten seines Landhauses in Montreuil, wo Méliès eine Replik der Bühne des Théâtre Robert-Houdin aufstellen ließ. Erst Ende 1896 wurde ein Filmstudio in Montreuil errichtet.[11] Méliès trat selbst als der Magier auf. Seine Assistentin spielte Jehanne d’Alcy, die die gleiche Funktion auch in den Bühnenprogrammen des Théâtre Robert-Houdin einnahm.[8] Jehanne d’Alcy trat in zahlreichen Filmen Méliès’ auf, war seine langjährige Geliebte und wurde 1925 seine zweite Ehefrau.[12] Der genaue Zeitpunkt der Aufnahme von Das Verschwinden einer Dame ist unbekannt, man nimmt aber an, dass der Film im Oktober oder November 1896 entstanden ist und kurz danach im Théâtre Robert-Houdin uraufgeführt wurde.[13]

Aufführungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Katalog der Star Film, der 1897 von Méliès gegründeten Filmproduktionsgesellschaft, trug Das Verschwinden einer Dame die Produktionsnummer 70; insgesamt produzierte Méliès in seinem ersten Jahr 78 Filme. Die Laufzeit des Films lag bei etwa 43 Sekunden, die Länge des Films wurde mit 65 Fuß angegeben, was der damals üblichen Länge einer Filmrolle entsprach.[14] Auch wenn der Film keine Titelkarte hatte, so wurde er in den Katalogen stets unter dem Titel Escamotage d'une dame au théâtre Robert-Houdin, beziehungsweise für den US-amerikanischen Markt unter dem englischen Titel The Vanishing Lady beworben.[15]

Zusätzlich zur Schwarzweißfassung wurde auch eine handkolorierte Fassung angeboten, von der allerdings keine Originalnegative erhalten geblieben sind. 1979 rekonstruierte der französische Filmhistoriker Jacques Malthête die kolorierte Fassung mit authentischem Filmmaterial. Die Schwarzweißfassung wurde 2017 von der Cinémathèque française mit einer 4K-Auflösung digitalisiert. Der Film ist auf DVD und Blu-ray erhältlich.

In den folgenden Jahren präsentierte sich Méliès in zahlreichen Filmen als Zauberkünstler.[13]

Weitere Filme von Méliès:

  • Le Manoir du diable, 1896
Le Manoir du diable, 1896
  • Le Château hanté, 1897
Le Château hanté, 1897
  • L'Impressioniste fin de siècle, 1899
L’Impressioniste fin de siècle, 1899

Remakes:


Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Filmtechnische Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Verschwinden einer Dame war Méliès’ erster „Trickfilm“, bei dem ein Stopptrick zur Erzeugung einer Illusion eingesetzt wurde. Der Aufwand zur Erzeugung der Illusion ging aber über eine einfache Stop-Motion-Technik hinaus. Wie der Filmhistoriker Tom Gunning betonte, gelang der Stopptrick nicht nur durch einen einfachen Unterbruch der Filmaufnahme. Méliès verlangsamte die Aufnahmegeschwindigkeit zum Ende der ersten Einstellung und zu Beginn der zweiten Einstellung, sodass er mit Hilfe des Filmschnitts die Illusion verfeinern konnte. Somit sind diese Trickfilme erste Beispiele für die Verwendung des Filmschnitts als erzählerisches Mittel, in diesem Fall als ein unsichtbarer Schnitt, der eine kontinuierliche Handlung vortäuschen soll.[17]

Thematische Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Ansicht der Filmwissenschaftlerin Lucy Fischer entsprachen die Filme von Méliès und seinen Zeitgenossen den typischen Geschlechterrolle Ende des 19. Jahrhundert. Indem der Zauberkünstler Frauen verschwinden und wieder erscheinen lassen kann, drückt er seine Macht über das weibliche Geschlecht aus; die Frauen existieren nur aufgrund des männlichen Willens.[18]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karen Beckman: Vanishing Women: Magic, Film, and Feminism. Duke University Press, Durham, N.C., 2003, ISBN 978-0-8223-3074-5.
  • Elisabeth Ezra: Georges Méliès. The Birth of the Auteur. Manchester University Press, Manchester u. a. 2000, ISBN 0-7190-5396-X.
  • Murray Leeder: The Modern Supernatural and the Beginnings of Cinema. Palgrave Macmillan, London 2017, ISBN 978-1-137-58370-3.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Kate Griffiths & Andrew Watts: The History of French Literature on Film. Bloomsbury, New York 2021, ISBN 978-1-5013-1184-0, S. 22.
  2. Alan Williams: Republic of Images. A History of French Filmmaking. Harvard University Press, Cambridge MA u. a. 1992, ISBN 0-674-76267-3, S. 34.
  3. Michel Marie: Un second colloque Méliès à Cerisy. In: Jacques Malthête, Michel Marie (Hrsg.): Georges Méliès, l'illusionniste fin de siècle?. Presses de la Sorbonne Nouvelle, Paris 1997, ISBN 2-87854-140-5; S. 28.
  4. Elisabeth Ezra: Georges Méliès, S. 12-13.
  5. Richard Abel: The Ciné Goes to Town. French Cinema 1896–1914. University of California Press, Berkeley CA u. a. 1998, ISBN 0-520-07936-1, S. 13, 491.
  6. a b Elisabeth Ezra: Georges Méliès, S. 28.
  7. G. Méliès: Les vues cinématographiques. In: Annuaire général et international de la photographie, Paris, Librairie Plon, 1907, S. 385. Deutsche Übersetzung: Georges Méliès: Die Filmaufnahme. In: KINTop. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films 2, 1993, S. 25.
  8. a b Murray Leeder: The Modern Supernatural and the Beginnings of Cinema, S. 142.
  9. Joel Schlemowitz: Experimental Filmmaking and the Motion Picture Camera. Routledge, London, New York 2019, ISBN 978-1-138-58658-1, S. 83.
  10. Tom Gunning: ‘Primitive’ Cinema: A Frame-Up? Or, The Trick’s on Us. In: Thomas Elsaesser (Hrsg.): Early Cinema: Space, Frame, Narrative. BFI Publishing, London 1990, ISBN 978-0-85170-245-2, S. 97-98.
  11. Elisabeth Ezra: Georges Méliès, S. 13-14.
  12. Stephen Herbert: Jehanne d’Alcy. Who’s Who of Victorian Cinema.
  13. a b Lucy Fischer: The Lady Vanishes: Women, Magic and the Movies. In: Film Quarterly Vol. 33, No. 1 (Autumn, 1979), S. 30.
  14. William B Parrill: European Silent Films on Video: A Critical Guide. McFarland, Jefferson 2006, ISBN 978-0-7864-6437-1, S. 473.
  15. Vergleiche hierzu das Digitalisat des Katalogs von 1905, Website der Rutgers University Library.
  16. Karen Beckman: Vanishing Women: Magic, Film, and Feminism, S. 63.
  17. Tom Gunning: ‚Primitive‘ Cinema: A Frame-Up? Or, The Trick’s on Us. In: Thomas Elsaesser (Hrsg.): Early Cinema: Space, Frame, Narrative. BFI Publishing, London 1990, ISBN 0-85170-244-9, S: 97-99.
  18. Lucy Fischer: The Lady Vanishes: Women, Magic and the Movies. In: Film Quarterly Vol. 33, No. 1 (Autumn, 1979), S. 31-32.