Benutzer:Dschingo/Artikelentwurf

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David mit dem Haupt des Goliath[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

David mit dem Haupt des Goliath - Caravaggio, zweite Fassung von 1609/10, 125x101 cm

Bei dem Werk „David mit dem Haupt des Goliath“ handelt es sich um ein Ölgemälde auf Leinwand im Hochformat mit den Maßen 125x101 cm, welches 1609/10 in zweiter Fassung von Michelangelo Merisi, gen. Caravaggio, gemalt wurde. Der aktuelle Hängungsort ist die Galleria Borghese in Rom.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„David mit dem Haupt des Goliath“ stellt, im typisch sakralen Motiv des Alten Testaments, die biblische Figur David mit abgeschlagenem Kopf seines Kontrahenten Goliath dar. Im Vordergrund befindet sich Goliaths Haupt in der unteren rechten Bildhälfte sowie David, welcher als Halbfigur zentral positioniert abgebildet wird. Der Hintergrund ist monochrom schwarz gestaltet und lässt kein Verhältnis von Figur zu Raum erkennen. David bildet den optischen Mittelpunkt, seine Blickrichtung lenkt die Aufmerksamkeit aber abwärts auf Goliaths Haupt. Die jugendliche Hauptfigur wird dramatisch mit angeschrägtem Oberkörper, nach links gedrehter Hüfte und gesenktem Kopf inszeniert. Der linke Arm wird schräg vom Torso gestreckt, die Hand umklammert Goliaths Schopf, während der rechte Arm angewinkelt das Schwert schräg auf Hüfthöhe hält. Der Knabe ist in eine weiße Tunika, welche seine linke Hälfte entblößt und in einen in den Bund einer weiten kastanienfarbenen Hose gesteckt ist, gekleidet. Goliaths Schädel wird blutend aus dem Hauptstumpf, mit ungepflegtem Bart, offenem Mund und verzerrter Mimik dargestellt.

Der Betrachter wird durch die geschlossene Bildanlage ins Bild geführt und steht ungefähr auf Augenhöhe mit dem Schädel Goliaths.

„David mit dem Haupt des Goliath“ ist kompositorisch durch eine fallende Diagonale geprägt, die durch Davids gesenktes Haupt, den beleuchteten Arm sowie Goliaths Kopf, zu welcher durch das Schwert eine Parallele verläuft. Kopf, Schwert und das abgeschlagene Haupt bilden zusätzlich eine für die Stilepoche des Frühbarocks ungewöhnliche Dreieckskomposition, wobei die Dynamik auf Goliath gerichtet ist. Der Kompositionsmittelpunkt ist hierbei weitestgehend identisch mit dem optischen Mittelpunkt.

Die harmonische Gesamtfarbigkeit  ergibt sich aus der Valeurmalerei mit monochromatischer Palette. Zu erwähnen ist insbesondere die typisch für Caravaggio ausgeprägte Hell-Dunkel-Malerei, die sich aus den starken Kontrasten von David mittels Zeigelicht betonter heller Hautfarbe und dem Hintergrund bildet. Auf diese Weise wird die Komposition von der Farbgebung unterstützt. Der pastose Farbauftrag mit gestreifter Imprimitur weist weiterhin Incisioni auf, welche mit groben Konturzeichnungen teilweise die traditionelle Rolle der Unterzeichnung bei Caravaggio ablösten und so eine neue Art der Unterzeichnung  darstellten.

Der Farbauftrag ist, ebenso wie die Kompositionsentwicklung, sehr vielfältig und ist im Bereich der Lichter und der Inkarnate leicht pastos, während die Schatten über der Grundierung nur dünn lasiert wurden. In der Oberfläche sowie in der Untermalung zeigt sich der sorgfältige, souveräne Duktus, bei welchem wenige gezielte Pinselstriche zur Formgebung ausreichen, die allerdings keine scharfen Konturen verursachen. Diese führen vor allem in den Inkarnaten und Stofffalten zu einem hohen Modellierungsgrad, auch wenn hart reflektierende Gegenstände kaum vorhanden sind.

Des Weiteren sorgt die links außerhalb des Bildrandes liegende, vermutlich künstliche Lichtquelle für ein warmes, schräg einfallendes Licht, das die Komposition unterstützt. Glanzlichter in Davids Augen, Brust, Schwert und Goliaths Gesicht lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den optischen Mittelpunkt.Es gelingt Caravaggio, einen dynamischen Bildaufbau zusammenzufügen, typisch für den Barock, und somit eine neue, sorgfältig komponierte Realität zu erschaffen, in welcher er das Auge des Betrachters mit Hilfe des Lichts auf einzelne Details lenkt. Die Darstellungsweise ist tendenziell naturalistisch, aber nicht idealisierend.

Historischer Kontext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gemälde gibt Aufschluss über den zeitlichen Ablauf der abgebildeten sakralen Handlung: Vermutlich schlug David Goliath den Kopf ab und hält ihn anschließend als Trophäe hoch. Diese Annahme wird durch die sakrale Vorlage gestützt, in welcher David in einem Kampf gegen den sehr viel stärkeren, der oppositorischen Kriegsseite angehörenden Goliath einen Kiesel an die Schläfe schleudert und ihn so besiegt. Durch diese Heldentat wird David vom jüdischen Volk gerühmt und schließlich als weise geltender König erwählt.

Im Zusammenhang der Erwählung Davids zum zukünftigen König von Israel erzählt das Buch im Alten Testament 1 Sam 17 EU vom Zweikampf des jungen David gegen einen riesigen Krieger der feindlichen Philister. Im Vertrauen auf Gottes Hilfe tritt David dem gewaltigen Gegner entgegen und kann ihn mit seiner Steinschleuder töten:

„Da trat aus dem Lager der Philister ein Vorkämpfer namens Goliat aus Gat hervor. Er war sechs Ellen und eine Spanne groß. Auf seinem Kopf hatte er einen Helm aus Bronze und er trug einen Schuppenpanzer aus Bronze, der fünftausend Schekel wog. Er hatte bronzene Schienen an den Beinen und zwischen seinen Schultern hing ein Sichelschwert aus Bronze. Der Schaft seines Speeres war (so dick) wie ein Weberbaum und die eiserne Speerspitze wog sechshundert Schekel. Sein Schildträger ging vor ihm her.“

1 Sam 17,4-7 EU

„Als der Philister weiter vorrückte und immer näher an David herankam, lief auch David von der Schlachtreihe (der Israeliten) aus schnell dem Philister entgegen. Er griff in seine Hirtentasche, nahm einen Stein heraus, schleuderte ihn ab und traf den Philister an der Stirn. Der Stein drang in die Stirn ein und der Philister fiel mit dem Gesicht zu Boden. So besiegte David den Philister mit einer Schleuder und einem Stein; er traf den Philister und tötete ihn, ohne ein Schwert in der Hand zu haben. Dann lief David hin und trat neben den Philister. Er ergriff sein Schwert, zog es aus der Scheide, schlug ihm den Kopf ab und tötete ihn. Als die Philister sahen, dass ihr starker Mann tot war, flohen sie.“

1 Sam 17,48-51 EU

Einordnung ins Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Caravaggios malerische Entwicklung ist unstetig, aber dennoch kohärent, was sich auch in seiner Biographie spiegelt, weswegen die Einordnung seiner Werke ins Oeuvre oft unklar ist. Der Höhepunkt der Karriere Caravaggios war die römische Schaffensphase. Ab diesem Zeitpunkt nehmen die sakralen Motive in seinen Werken zu, allerdings auch Dokumente  über Beleidigungen und Schlägereien. Letztere gipfeln im Jahre 1605, als Caravaggio nach Genua fliehen musste, nachdem er den Notar Pasqualone in einer Auseinandersetzung um seine Geliebte Lena schwer verwundet hatte. Ein Jahr darauf erschlägt er bei einer Federballwette  seinen Gegner und muss auf die Besitztümer seiner Gönner nach Colonna und weiter nach Neapel fliehen.

Dort bildete sich eine neue Schaffensphase des Künstlers heraus, die geprägt war von einem ausgeprägten Chiaroscuro, gröberem Duktus, summarischem Farbauftrag und dramatischerer Komposition.  Daraufhin erfolgt ein Aufenthalt auf Malta, wo er von den Mitgliedern des Malteser Ordens aufgrund vorbildlichen Betragens den Titel „Cavaliere di Grazia“  verliehen bekam, kurz darauf provozierte er jedoch eine gewalttätige Auseinandersetzung mit einem höher gestellten Ritter und wurde daraufhin eingekerkert. Caravaggio gelang die Flucht nach Sizilien im Jahre 1608, wobei er weiterhin von Mitgliedern des Malteser-Ordens verfolgt wurde. Auf Sizilien zeigten seine Werke immer gewalttätigere Züge und ein ökonomischer Duktus kam zur Geltung. Es entstand das Gemälde „David mit dem Haupt des Goliath“ in zweiter Fassung.1610 versuchte Caravaggio, sich nach Rom einzuschiffen, verpasste in Neapel aber sein Anschlussschiff mit all seiner Habe. Daraufhin irrte er mehrere Tage an den Stränden von Port‘ Ercole umher, bis er schließlich am 18.07.1610 an Fieber stirbt. Seine wiederholten Kneipenschlägereien, der Mord an einem Wettgegner und sonstige Gewalttaten lassen auf ein außergewöhnlich impulsives Naturell schließen, welches bereits bei kleinsten Provokationen aufs Äußerste gereizt reagierte und eine geringe Hemmschwelle besaß. Seine Aggressivität in Kombination mit der Weigerung das Waffenverbot einzuhalten, ebenso wie einige seiner Bildmotive gerade zum Ende seines Lebens hin, weisen auf eine psychische Erkrankung hin, vermutlich eine Aggressionsstörung oder eine manisch-depressive Störung .

Auf letzteres lässt sich auch das Werk „David mit dem Haupt des Goliath“ beziehen. Ikonographisch ist – vor allem auf Grund des Selbstportraits des Künstlers – eine psychologisierende Interpretation naheliegend. Caravaggio sieht sich selbst in der Rolle des Sünders Goliath, der es verdient, für seine Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Es wirkt, als wäre Caravaggio durch seine Taten von schlechtem Gewissen geplagt und verspürt das Bedürfnis, Buße zu tun. Weiterhin wird ein wenig ausgeprägter Lebenswille sichtbar, der die Hypothese eines manisch-depressiven Caravaggios weiter stützen würde.

Vergleich der zwei Versionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der auf 1609/10 datierten Version existiert weiterhin eine auf 1600/01 datierte Version des Motivs im Hochformat mit den Maßen 90,5x116 cm auf Pappelholz. Bei erster Betrachtung fällt zunächst die unterschiedliche Formatwahl auf: Bei der älteren Version wurde im Gegensatz zum oben beschriebenen Werk das Querformat gewählt. Dieses unterstreicht den anders gewählten optischen Mittelpunkt, welcher sowohl durch starkes Zeigelicht als auch durch kompositorische Mittel stark auf Davids Brust- und Schulterbereich zentriert ist. Davids erhobener Arm mit dem Schwert sorgt weiterhin für eine kompositorische Verstärkung dieser Figur, durch die Goliaths Haupt eher in den Hintergrund rückt. Die Wahl des optischen Mittelpunktes, die Mimik und geöffnete Gestik Davids sowie die hintergründige Rolle Goliaths geben Aufschluss über die Bedeutung, die Caravaggio der sakralen Szene zuordnet. Er inszeniert in der ersten Version somit einen wenn auch dramatischen, aber nicht tragischen Helden durch die Figur des David, während Goliaths Schädel nur als Attribut gezeigt wird. Die zweite Version des „David mit dem Haupt des Goliath“ bildet einen deutlichen Kontrast hierzu: Nicht nur die für den Frühbarock untypische Dreieckskomposition, die Glanzpunkte in Goliaths Gesicht und die veränderte Armhaltung, welche zum Mittelpunkt führen, sondern viel mehr das versteckte Selbstportrait unterscheiden die Versionen deutlich. Die Selbstportraitierung im abgeschlagenen Haupt in Verbindung mit Caravaggios Biographie lässt eine andere Deutung der Szene zu: David wird tragisch, nicht unbedingt heldenhaft dargestellt, während Goliath, mit dem sich Caravaggio identifiziert, die Rolle als Sünder, der seine gerechte Strafe erhalten hat, akzeptiert. Zusammenfassend ist der größte Unterschied der zwei Versionen die bloße Darstellung der sakralen Szene in der ersten gegen die enorme Deutungstiefe durch den Bezug zu Caravaggios Persönlichkeit und Leben in der zweiten Fassung.

Literaturverzeichnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • G. Baglione, Le vite de´ Pittori, scultori et architetti, Rom 1642
  • G. P. Bellori, Le vite de´ pittori, scultori e architetti moderni, Rom 1672, Hg. E. Borea, Turin 1976
  • D. Grünewald (Hg.), Kunst entdecken 3, Berlin 2013, Seite 8
  • S. Macioce, Michelangelo Merisi da Caravaggio: fonti e documenti 1532-1724, Rom 2003
  • G. Mancini, Considerazioni sulla pittura, Rom 1621, Hg. A. Marucchi, Rom 1957
  • C. Peter, Gespräche mit Bildern – Caravaggio in Rom, Hamburg 1994
  • W. Prohaska, G. Swoboda, Caravaggio und der internationale Caravaggismus, Wien 201
  • J. v. Sandrart, Die Teutsche Academie der edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste, Nürnberg 1675
  • L. Sickel, Caravaggios Rom – Annäherungen an ein dissonantes Milieu, Hamburg 2003
  • M. Stols-Witlox, T. Doherty, B. Schoonhoven, Rekonstructing Seventeenth-Century streaky ´imprimatura´ Layers used on Panel Paintings, London 2008