Benutzer:GerhardSchuhmacher/Megalithkultur

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Beteiligung Megalith[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Problematik bis zuletzt mit der Definition von Megalith und den Einbezug oder Ausschluss aufgrund äußerlicher Kriterien der Steine oder ihrer Setzung selbst (noch kritischer waren Funde im Umfeld, deren Herkunft nie sicher

Überarbeitung März 2020[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Megalithkultur (von altgriechisch μέγας mégas „groß“ und λίθος líthos „Stein“) ist ein archäologisch und ethnographisch begründeter Ausdruck, der gelegentlich im Bezug auf das weltweite Phänomen, aber vor allem im Bezug auf „die rund 35.000 über ganz Europa verstreuten typischen Megalith-Bauwerke, […] die meist irgendwann zwischen dem 5. und 3. Jahrtausend vor der Zeitenwende errichtet wurden“, verwendet wurde.

Die „Bezeichnung ‚Megalithkultur‘ als Klammer für dieses Phänomen haben Archäologen aber mittlerweile im Wesentlichen zu den Akten gelegt: Von einer zusammenhängenden Kultur mit gemeinsamer Idee oder ideologischer Wurzel könne man angesichts der weit verstreuten, unterschiedlich alten und enorm vielfältigen Steinartefakte kaum sprechen.“[Anm 1]

Um auf die insbesondere auf der Altersbestimmung der Bauten beruhenden Unsicherheiten in der Theoriebildung einzuwirken, wurden seit 2017 eine Vielzahl von Radiocarbondatierungen vorgenommen, wobei diese „Analysen [..] auffällige Hinweise auf eine allmähliche Ausbreitung der Megalith-Idee aus einem Ursprungszentrum heraus (ergaben), die wohl vor 4500 v. Chr. im Nordwesten Europas ihren Anfang nahm.“[1]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Die Hypothese, dass alle Megalith-Kulturen einen gemeinsamen Ursprung haben, wurde schon vor mehr als 100 Jahren aufgestellt. Damals galt aber der Nahe Osten als Ausgangsort. Frühere Datierungen widerlegten diese Theorie jedoch, sodass man lange Zeit von einer gleichzeitigen Entwicklung an mehreren Orten ausging.“[2]

Ältere Annahmen und Darstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung Megalithkultur hatte mehrere Bedeutungen, wobei diese in erster Linie von einem weltweiten Phänomen ausging:

  1. In Zusammenhang mit dem Namen einer ethnischen Gruppe („Stamm“) oder einer archäologischen Kultur kann er sich auf alle mit dem Bau und der Nutzung von Monumenten aus großen Steinen verbundenen Kulturerscheinungen beziehen. So sprach Dominik Bonatz noch 2001 von einer Megalithkultur in Nias (Indonesien).[3] Childe (1946) spricht von verschiedenen Megalithkulturen (megalithic cultures).[4]
  1. Die Vorstellung einer über große Distanzen, manchmal weltweit verbreiteten Kultur mit Großsteinbauweise, die durch Diffusion entstand und durch weitere Merkmale miteinander verbunden ist. Zeitliche Unterschiede zwischen den verschiedenen megalithischen Phänomenen werden durch die Dauer der Migration und die dabei zurückgelegten Distanzen erklärt. Diese Theorie ist vor allem mit dem Namen des englischen Kulturanthropologen William James Perry (1887–1949) verbunden. In einem engeren geographischen Rahmen verwendeten auch Oscar Montelius (1843–1921) und Sophus Müller (1846–1934) ein Migrationsmodell für die Ausbreitung der Megalithkultur, die vom Orient über Nordafrika nach Westeuropa und von dort weiter nach Norden und Osten vorgedrungen sein sollte.[5] Carl Schuchhardt (1849–1943) kehrte die Ausbreitungsrichtung um und leitete die griechischen Tholoi von westeuropäischen Vorbildern ab.[6]
  1. Die Idee, dass der Bau mit großen Steinen (oder von großen Steinbauten) mit einer besonderen Ideologie verbunden ist, auch wenn die Bautraditionen nicht unbedingt in einer genetischen Beziehung stehen. So bringt der Ethnograph Adolf Ellegard Jensen (1899–1965) Großsteinbauten mit einem „ausgeprägten Totenkult und Ahnendienst“ in Verbindung.[7] Diese Idee steht mit der Frobenius’schen Kulturmorphologie in Verbindung.
  1. „Megalithkultur“ wurde als Synonym für Trichterbecherkultur oder vielmehr deren Nord-, West- und Ostgruppe verwendet. Der Begriff war aber mit der Idee eines „Megalithvolkes“ verbunden. Nach Ernst Wahle[8] und Hermann Güntert entstand dieses aus einer Vermischung von einwandernden Germanen und dem „Megalithvolk“. Güntert setzt die „Streitaxtleute“ mit den Indogermanen gleich; sie hätten den „megalithischen Bauernadel“ unterworfen, der in dieser Gegend den Ackerbau eingeführt hatte.[9] Güntert nahm an, dass dieses Megalithvolk eine Sprache sprach, die mit dem Baskischen, Etruskischen und „Ägäischen“ verwandt war; einige ihrer Wörter hätten jedoch überlebt, unter anderem in den neuhochdeutschen Worten Flint, Felsen, Halle und Burg.[10]

Karl Josef Narr verweist (1956) darauf, dass Ethnographie und Archäologie mit verschiedenen Definitionen von „Megalithkultur“ arbeiten. Er macht darauf aufmerksam, dass „sich die prähistorische Megalithik nicht mit irgendeiner, durch archäologische Mittel herauszuarbeitenden Formengruppe deckt oder mit einiger Wahrscheinlichkeit als in einem derart aufgestellten Komplex wurzelnd erweisen läßt.“[11]

Forschungswende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Forschungsbereich Westeuropa

Die Problematik in allen Überlegungen war der Umstand der unsicheren Datierung der einzelnen Objekte und Bauten, da Bautechniken und „Formengruppen“ (Narr) nicht zur Konstituierung von Zugehörigkeit ausreichen. Dabei stand auch noch eine Art ‚weltweite Verbreitung‘ im Blickfeld, während die neuere Forschung sich in erster Linie auf die Konzentration megalithischer Bauten im westlichen Mittelmeerraum, entlang der (anschließenden) östlichen Atlantikküste und dem zugehörigen europäischen Festlandsblock bezieht.

„In den 1970er Jahren (hatte) Colin Renfrew […], der Pionier der Kohlenstoffdatierung, einen ersten Versuch unternommen“, Altersbestimmungen vorzunehmen. 1973 veröffentlichte er die vielbeachtete Arbeit Before Civilisation: The Radiocarbon Revolution and Prehistoric Europe, in der er die Annahme bezweifelt, dass prähistorische kulturelle Neuerungen im Nahen Osten entstanden seien und sich anschließend über Europa verbreitet hätten.

Neue Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ‚Neue Forschung‘ ist nicht ideengeschichtlich, sie beruht auf einem Fortschritt in der Messtechnik zur Altersbestimmung in der Archäologie.

Die Datensammlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Projektiert von der Universität Göteborg hatte seit 2015 die Jungsteinzeitforscherin Bettina Schulz Paulsson „sich mit ihrem Team zum Ziel gesetzt, eine umfassende und genauere Zeitreihe möglichst vieler europäischer Megalith-Fundstellen mit Radiokarbonanalysen aufzustellen. […] Mit deutlich verbesserter Analysetechnik konnte Paulssons Team nun aber viel mehr Fundstücke wesentlich exakter und sicherer datieren: Sie bestimmte so das Alter von 2410 Fundstellen anhand von zum Teil bereits früher untersuchten Proben im Kontext der Megalithbauten und von gleich alten Artefakten benachbarter Kulturen. […] Insgesamt stellte Schulz-Paulsson 35.000 Megalith-Objekte fest.“[Anm 2]

Schulz Paulsson fasste 2017 die Arbeit in Buchform zusammen[12]; anderthalb Jahre später veröffentlichte die wissenschaftliche Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) ihren Bericht und konstituierte sie damit als Grundlagenforschung:

„There are two competing hypotheses for the origin of megaliths in Europe. The conventional view from the late 19th and early 20th centuries was of a single-source diffusion of megaliths in Europe from the Near East through the Mediterranean and along the Atlantic coast. Following early radiocarbon dating in the 1970s, an alternative hypothesis arose of regional independent developments in Europe.“

B. Schulz Paulsson: Radiocarbon dates and Bayesian modeling support maritime diffusion model for megaliths in Europe. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 11. Februar 2019.[13]

Die „Analysen ergaben auffällige Hinweise auf eine allmähliche Ausbreitung der Megalith-Idee aus einem Ursprungszentrum heraus, die wohl vor 4500 v. Chr. im Nordwesten Europas ihren Anfang nahm. […] Ein Muster „von drei Ausbreitungswellen mit Ursprung in Nordwestfrankreich“ seien über Seerouten zu bestimmen.“[14]

Schifffahrt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die „Ausbreitungswellen“ werden im Rahmen einer Küstenschifffahrt angenommen.

„Das könnte bedeuten, dass die Menschen der Steinzeit bereits überraschend gute Seefahrer waren. ‚Die maritimen Fähigkeiten, das Wissen und die Technologie dieser Gesellschaften müssen weiter entwickelt gewesen sein als bisher angenommen‘, sagt Schulz Paulsson. Sollte sich dies bestätigen, könnten die Anfänge der Seefahrt 2.000 Jahre weiter zurückliegen als gedacht. ‚Das eröffnet eine neue wissenschaftliche Diskussion über die maritime Mobilität und Organisation der neolithischen Gesellschaften und die Natur ihrer Wechselbeziehungen.‘“[15]

„‚They were moving over the seaway, taking long distance journeys along the coasts‘, says Schulz Paulsson. This fits with other research she has carried out on megalithic art in Brittany, which shows engravings of many boats, some large enough for a crew of 12.“[16]

Paulsson zieht aus ihren Arbeiten insgesamt vorsichtige Schlussfolgerungen: „In jedem Fall sei es angebracht, den europäischen Megalith-Horizont angesichts der neuen Daten und der möglichen maritimen Interaktionen wissenschaftlich noch einmal neu zu diskutieren.“[17]

Fortsetzung der Arbeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In ihrer universitären Selbstdarstellung gibt Paulsson den Hinweis auf ein weiteres Forschungsprojekt, Mein Projekt „Symbol and Stone“ ist eine vergleichende Untersuchung der Megalithkunst in Europa, um zu analysieren und zu erklären, wie der interkulturelle Austausch zwischen prähistorischen Gesellschaften (4500-2500 v. Chr.) die Megalithkunst geprägt hat, und um die Funktion und Bedeutung dieser Bilder zu theoretisieren und zu interpretieren.[18]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ungeachtet fachwissenschaftlicher Vorbehalte wurde und wird im populärwissenschaftlichen Umgang und vor Ort in Besucherbetreuung und Objektdarstellung der Begriff „Megalithkultur“ in übergreifenden Sinne und als Ersatz für eine ‚fehlende‘ bzw. unbekannte ethnographische Bezeichnung verwendet. Siehe: Straße der Megalithkultur oder auch: Kulturroute des Europarats.
  2. Zitat Osterkamp. Der deutsche Naturwissenschaftler Helmut Tributsch (Freie Universität Berlin), der in seine Forschung auch historische Überlegungen einbezog und in den 1980er Jahren zu ähnlichen Schlüssen wie Schulz Paulsson kam, wies auf Megalith-Bauten „an der Küstenlinie Nordafrikas zwischen Marokko (Steinkreis) und Tunesien“ hin: „Aber sie sind noch wenig untersucht.“ (Helmut Tributsch: „Die gläsernen Türme von Atlantis“ – Erinnerungen an Megalith-Europa, Ullstein, Frankfurt am Main und Berlin 1986, S. 145.)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jan Osterkamp: Gibt es eine gemeinsame Wurzel der Megalithkultur?, 11. Februar 2019. Spektrum der Wissenschaften. (Abruf: 8. März 2020).
  2. Tobias Kühn: Woher die Idee für Stonehenge kam, 13. Februar 2019. Süddeutsche Zeitung, Wissen. (Abruf: 8. März 2020).
  3. Dominik Bonatz: Wandel einer Megalithkultur im 20. Jahrhundert (Nias/Indonesien). In: Anthropos.96/1, 2001, S. 105–118, JSTOR:40465456.
  4. V. Gordon Childe: The Distribution of Megalithic Cultures, and their Influence on ancient and modern Civilizations. In: Man. Band 46/4 (1946), S. 97, JSTOR:2793159.
  5. Oscar Montelius: Der Orient und Europa. Erster Band, Stockholm 1899;
    Sophus Müller: Sønderjyllands Stenalder. In: Aarbøger for nordisk oldkyndighed og historie. III. Serie, dritter Band (1913), S. 169–322.
  6. Carl Schuchhardt: Alteuropa. Zweite Auflage, Berlin und Leipzig 1926.
  7. Adolf Ellegard Jensen: Simbabwe und die Megalithkultur. In: Paideuma. Mitteilungen zur Kulturkunde. Band 1/3 (1939), S. 101.
  8. Ernst Wahle: Deutsche Vorzeit. Leipzig 1932, S. 68 ff., 73 ff.
  9. Hermann Güntert: Der Ursprung der Germanen. Carl Winter, Heidelberg 1934, S. 97 f.
  10. Hermann Güntert: Der Ursprung der Germanen. Carl Winter, Heidelberg 1934, S. 95.
  11. Karl J. Narr: Archäologische Hinweise zur Frage des ältesten Getreideanbaus und seiner Beziehungen zur Hochkultur und Megalithik. In: Paideuma. Mitteilungen zur Kulturkunde. Band 6/4 (1956), S. 249.
  12. Bettina Schulz Paulsson: Time and Stone: The Emergence and Development of Megaliths and Megalithic Societies in Europe, September 2017.
  13. B. Schulz Paulsson: Radiocarbon dates and Bayesian modeling support maritime diffusion model for megaliths in Europe. In: James F. O’Connell (Hrsg.): Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 116, Nr. 9, 11. Februar 2019, S. 3460–3465, doi:10.1073/pnas.1813268116, PMID 30808740.
  14. Jan Osterkamp: Gibt es eine gemeinsame Wurzel der Megalithkultur?, 11. Februar 2019. Spektrum der Wissenschaften. (Abruf: 8. März 2020).
  15. Nadja Podbregar: Megalith-Kultur: Von Steinzeit-Seefahrern verbreitet?, 13. Februar 2019. [1]. Quellenangabe: PNAS (doi: 10.1073/pnas.1813268116).
  16. Alison George: Sailors spread the ancient fashion for monuments like Stonehenge, 11. Februar 2019. newscientist. (Abruf: 8. März 2020).
  17. Jan Osterkamp: Gemeinsame Wurzel der Megalithkultur?, Spektrum der Wissenschaften, 2019.
  18. B. Schulz Paulsson, Universität Göteborg. Abruf am 8. März 2020.
  • Karte mit Einträgen im Osten

Der deutsche Naturwissenschaftler Helmut Tributsch (Freie Universität Berlin), der in seine Forschung auch historische Überlegungen einbezog und in den 1980er Jahren zu ähnlichen Schlüssen wie Schulz-Paulsson kam, wies auf Megalith-Bauten „an der Küstenlinie Nordafrikas zwischen Marokko (Steinkreis) und Tunesien“ hin: „Aber sie sind noch wenig untersucht.“[1]

  1. Helmut Tributsch: „Die gläsernen Türme von Atlantis“ – Erinnerungen an Megalith-Europa. Ullstein, Frankfurt am Main und Berlin 1986, S. 145.