Benutzer:Jonathan Scholbach/Adorno Negative Dialektik/Entwurf

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Negative Dialektik ist der Titel eines 1966 erschienenen Werks des Philosophen Theodor W. Adorno. Adorno gebraucht den Begriff gleichbedeutend mit dem Begriff „Kritische Theorie[1] und will damit die Grundzüge seiner Philosophie charakterisieren. Adorno selbst beschreibt negative Dialektik wie folgt: „Es handelt sich um den Entwurf einer Philosophie, die nicht den Begriff der Identität von Sein und Denken voraussetzt und auch nicht in ihm terminiert, sondern die gerade das Gegenteil, also das Auseinanderweisen von Begriff und Sache, von Subjekt und Objekt, und ihre Unversöhntheit, artikulieren will.“[2]

Unter dem "Auseinanderweisen von Begriff und Sache" ist dabei zu verstehen, dass die Identifikation (Gleichsetzung, wörtlich: Gleichmachung) einer Sache mit einem Begriff darauf beruht, dass die Gemeinsamkeiten verschiedener Sachen als deren Wesen begriffen werden, und die Identifikation damit etwas von der Identität abschneidet. Abstrahieren die Menschen in Begriffen, so üben sie auf die Dinge einen Zwang aus, der aus dieser Nichtidentität von Sache und Begriff resultiert. Adorno beschreibt mit der Negativen Dialektik eine philosophische Kritik an dieser Art identifizierenden Denkens. Er versteht dabei die Methode, die nach der Differenz von Begriff und Sache fragt, auch als sozialkritische Methode, da seiner Meinung nach die Begriffe auf gesellschaftlichen Maßstäben beruhen, und damit Teil eines totalen Verblendungszusammenhangs sind (vergleiche den Artikel kritische Theorie). An der hegelschen Dialektik kritisiert Adorno, dass Bejahung (Affirmation) nicht aus der Verneinung der Verneinung (aus der Negation der Negation) zu erhalten sei: da die Bezeichnung des Nichtidentischen wiederum ein Begriff ist, kann das Nichtidentische selbst nicht vollständig erfasst werden; der aus der Nichtidentität resultierende Widerspruch kann daher nicht auf einer höheren Ebene, synthetisch aufgelöst werden, sondern verkörpert - gemäß Adorno - absolute, unversöhnliche Gegensätze, die durch das begriffliche Denken hervorgerufen würden. Die Unvollständigkeit (die Nichtidentität) des Begriffs des "Nichtidentischen" macht die kritische Selbstreflexion des dialektischen Denkers notwendig. Insbesondere vor der absoluten Negativität warnt Adorno, da diese als Bejahung der Verneinung selbst Positives sei, und damit die Negation wiederriefe.

Adorno schrieb die Negative Dialektik von 1959 bis 1966, hauptsächlich auf der Grundlage dreier Vorlesungen aus dem Jahre 1961. Einige Bestandteile des Werks lassen sich als wesentlich älter nachweisen. Beispielsweise gehen Motive aus dem II. Kapitel des Dritten Teils, „Weltgeist und Naturgeschichte“, auf einen Vortrag von 1932 zurück, die Idee einer „Logik des Zerfalls“ stammt bereits aus den Studentenjahren Adornos. [3] Den Jargon der Eigentlichkeit, eine Kritik an Heidegger, den Adorno ursprünglich als den letzten Teil der „Negativen Dialektik“ konzipiert hatte, veröffentlichte er bereits 1964 als separates Werk, nachdem der Jargon der Eigentlichkeit sich in Adornos Plan der Negativen Dialektik wegen seines Umfangs und wegen seiner sprachphysiognomischen und soziologischen Bestandteile nicht mehr einfügen ließ. [4]

Vorrede und Einleitung

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Erster Teil. Verhältnis zur Ontologie

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Zweiter Teil. Negative Dialektik. Begriffe und Kategorien

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Dritter Teil. Modelle

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I. Freiheit. Zur Metakritik der praktischen Vernunft

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II. Weltgeist und Naturgeschichte. Exkurs zu Hegel

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III. Meditationen zur Metaphysik

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Die Meditationen zur Metaphysik sind 12 Betrachtungen, welche modellhaft die Methode negativer Dialektik an Beispielen der Philosophiegeschichte illustrieren. Mit der Minima Moralia sind die Meditationen durch den unsystematisch erscheinende Aufbau und den Umstand verbunden, daß Adornos Denken beim Holocaust einsetzt.

1 Nach Auschwitz

Dieser Abschnit knüpft an einen Aphorismus aus der Minima Moralia an, in welchem vom "Selbsthaß des Intellektuellen" die Rede ist.[5] Adorno vergleicht die Situation, in der sich die Philosophie nach Auschwitz befindet, mit der Situation Voltaires, der durch das Erdbeben von Lissabon von der Leibnizschen Idee der Theodizee kuriert worden sei. Der "Mord an Millionen durch Verwaltung" sei ein Umschlag der Quantität in eine neue Qualität gegeben. Adorno sieht darin das Leben als solches in Frage gestellt. [6] Das Weiterleben derer, die zufällig überlebten ist allein schon "drastische Schuld des Verschonten", da es die Kälte benötige, ohne welche Auschwitz nicht möglich gewesen wäre.

...

2 Metaphysik und Kultur

3 Sterben heute

4 Glück und vergebliches Warten

5 "Nihilismus"

6 Kants Resignation

7 Begierde des Rettens und Block

8 Mundus intelligibilis

9 Neutralisierung

10 "Nur ein Gleichnis"

11 Schein des Anderen

12 Selbstreflexion der Dialektik

Bezüge zu anderen Werken

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In der Negativen Dialektik sieht Adorno die fundamentalen Überlegungen, die in sehr vielen seiner materialen, inhaltlichen Arbeiten ausgeführt sind.[7] Tatsächlich findet sich der darin beschriebene Denkansatz auch in anderen Werken, auch bereits in früheren, so unter anderem in der gemeinsam mit Horkheimer verfassten Dialektik der Aufklärung, in der Minima Moralia [8]. Aber auch in Werken, die nicht in erster Linie fachphilosophischen Inhalts sind, wie etwa in den Noten zur Literatur[9] findet sich der Ansatz negativer Dialektik. Der Aufsatz Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie liefert eines von vielen Beispielen dafür, wie Adorno mit negativer Dialektik die Wahrheit gesellschaftlicher Kategorien hinterfragt. [10]

Wirkung & Kritik

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Adorno konzipierte die Negative Dialektik als sein philosophisches Hauptwerk. Es gilt als grundlegend für das Verständnis der Adornoschen Philosophie. [11] [12] Da "negative Dialektik" nicht nur der Titel eines Werks Adornos ist, sondern als programmatischer Begriff die Adornosche Philosophie beschreibt, lässt sich die Wirkung der Negativen Dialektik nur beschreiben, wenn man sie im Kontext der Adornoschen Arbeiten sieht. (Für eine Darstellung der Kritik an diesem Kontext siehe auch den Artikel Theodor W. Adorno sowie die Artikel zur Dialektik der Aufklärung und zur Kritischen Theorie sowie zur Frankfurter Schule.) Die Kritik an Adorno bezieht sich oftmals auf das in diesem Buch beschriebene Denken, ohne explizit auf das Werk Negative Dialektik zu verweisen.

Thomas Mann kritisierte die Negativität des Adornoschen Denkens, wo sie ihm als Pessimismus erscheint. [13]


  • Adorno, Theodor W.: Gesammelte Schriften Band 6: Negative Dialektik, Jargon der Eigentlichkeit, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003
  • Adorno, Theodor W.: Vorlesung über Negative Dialektik. Fragmente zur Vorlesung 1965/66. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2007
  • Figal, Günter: Über das Nichtidentische. Zur Dialektik Theodor W. Adornos, in: Ette, Wolfram u.a. (Hg.): Adorno im Widerstreit. Zur Präsenz seines Denkens, Freiburg / München: Alber, 2004, S. 13-23
  • Heidbrink, Ludger: Die Grenzen kritischer Negativität. Perspektiven im Anschluß an Adorno in in: Ette, Wolfram u.a. (Hg.): Adorno im Widerstreit. Zur Präsenz seines Denkens, Freiburg / München: Alber, 2004, S. 98-121
  • Müller, Ulrich: Theodor W. Adornos „Negative Dialektik“, Darmstadt: WBG, 2006

Einzelnachweise

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  1. „Und ich möchte hier zunächst einmal thetisch ganz allgemein voranstellen, daß die negative Dialektik, von der ich Ihnen Elemente und Idee zu entwickeln habe, mit einer kritischen Theorie im wesentlichen dasselbe ist“. Theodor W. Adorno: Vorlesung über Negative Dialektik. Fragmente zur Vorlesung 1965/66. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, S. 36.
  2. Theodor W. Adorno: Vorlesung über Negative Dialektik. Fragmente zur Vorlesung 1965/66. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2007 S. 15f.
  3. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften Band 6: Negative Dialektik, Jargon der Eigentlichkeit, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003, S. 401
  4. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften Band 6: Negative Dialektik, Jargon der Eigentlichkeit, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003, S. 524
  5. BELEGSTELLE RAUSSUCHEN!
  6. "Daß in den Lagern nicht mehr das Individuum starb, sondern das Exemplar, muß das Sterben auch derer affizieren [in Mitleidenschaft ziehen], die der Maßnahme entgingen.", Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften Band 6: Negative Dialektik, Jargon der Eigentlichkeit, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003, S. 355
  7. Theodor W. Adorno: Vorlesung über Negative Dialektik. Fragmente zur Vorlesung 1965/66. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2007 S.15.
  8. Zum Beispiel im Aphorismus Vor Mißbrauch wird gewarnt, in welchem Adorno beschreibt, dass die Wahrheit und Unwahrheit der Dialektik, die aus dem Sophismus als "Mittel, Recht zu behalten, von Anbeginn auch eines zur Herrschaft" entstanden sei, in ihrem historischen Prozess zu finden sei: "Die negative Philosophie, universale Auflösung, löst stets auch das Auflösende selber auf. Aber die neue Gestalt, in der sie beides, Aufgelöstes und Auflösendes, aufzuheben beansprucht, kann in der antagonistischen Gesellschaft nie rein hervortreten. Solange Herrschaft sich reproduziert, solange kommt in der Auflösung des Auflösenden die alte Qualität roh wieder zutage [...]" in: Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Berlin und Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1951, S.475f
  9. so zum Beispiel im Aufsatz Zu einem Porträt Thomas Mannsin Theodor W. Adorno: Noten zur Literatur, Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1981, S.335-344
  10. Theodor W. Adorno: Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie in: ders. Gesellschaftstheorie und Kulturkritik, Frankfurt am Main, edition Suhrkamp, 1975
  11. "[...] Zusammengefaßt ist dieses Programm im Titel eines Buches, das gewiß nicht Adornos bestes, aber philosophisch sein wichtigstes ist: Negative Dialektik" Günter Figal: Über das Nichtidentische. Zur Dialektik Theodor W. Adornos, in: Ette, Wolfram u.a. (Hg.): Adorno im Widerstreit. Zur Präsenz seines Denkens, Freiburg / München: Alber, 2004, S.15f
  12. "Die kritische Negativität, die der Philosophie Adornos zugrunde liegt, [...]" Ludger Heidbrink: Die Grenzen kritischer Negativität. Perspektiven im Anschluß an Adorno in in: Ette, Wolfram u.a. (Hg.): Adorno im Widerstreit. Zur Präsenz seines Denkens, Freiburg / München: Alber, 2004, S.98
  13. "Gäbe es nur je ein positives Wort bei Ihnen, Verehrter, das eine auch nur ungefähre Vision der wahren, der zu postulierenden Gesellschaft gewährte! Die Reflexionen aus dem beschädigten Leben ließen es daran, nur daran auch schon fehlen." Thomas Mann in: Briefwechsel 1943 - 1955, Theodor W. Adorno, Thomas Mann, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2003, S.122

Kategorie: Philosophisches Werk